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Eine zentrale Frage: Wann wurden GV-Bakterien erstmals für die Herstellung von LT eingesetzt?

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Doch die Biotech-Verteidiger hatten ein vordergründig überzeugendes Argument, um den Stoß des erwähnten Beweises zu parieren. Und die FDA ging dabei raffiniert vor. Im Juli 1996 rief der freie Journalist William Crist den Biotechnologie-Chef der Behörde, James Maryanksi, an, weil er sich Klarheit über die Ursache von EMS verschaffen wollte. Man sagte ihm, die Anzeichen deuteten weg von der Gentechnologie. Maryanski formulierte es so: „… wir wissen von fast zwei Dutzend EMS-Fällen in Verbindung mit L-Tryptophan, die auftraten, bevor Showa Denko seine gentechnisch veränderten Stämme einsetzte. Darum müsste es eine andere Ursache geben als die bloße gentechnische Veränderung der Stämme.“ Er räumte zwar ein, dass sich die Gentechnik nicht gänzlich ausschließen lasse, sagte aber, „die wahrscheinlichere Ursache“ sei das L-Tryptophan an sich oder LT „in Verbindung mit etwas, was aus dem Reinigungsprozess resultierte“. (34)

Obwohl diese Information die Gentechnik freizusprechen schien, hatten Crist seine Recherchen schon vorsichtig gemacht, was die Glaubwürdigkeit der FDA betraf, wenn der Ruf der Biotechnologie auf dem Spiel stand. Darum beschloss er, weiter zu graben. Was er ans Licht brachte, war erschreckend. Ja, es gab EMS-Fälle vor der Epidemie; sogar weit mehr als zwei Dutzend. Doch statt die Gentechnologie zu entlasten, belastete sie die Existenz dieser früheren Fälle. Doch diese Belastung war nur im Lichte anderer Hinweise erkennbar, die weitgehend unbemerkt geblieben waren – und die die FDA absolut nicht aufdecken wollte.

Crist erarbeitete sich diese Hinweise in Etappen. Erst wollte er herausfinden, ob das LT eines anderen Herstellers als Showa Denko mit einem der frühen EMS-Fälle in Verbindung gebracht worden war. Er durchsuchte die wissenschaftliche Literatur und stieß auf drei Studien der CDC, die das EMS vor der Epidemie an Showa Denkos L-Tryptophan festmachten, aber keine Untersuchungen, die mit dem Produkt einer anderen Firma zu tun hatten. Er nahm außerdem mit rund einem Dutzend Anwaltskanzleien Kontakt auf, die EMS-Opfer vertreten hatten, und erfuhr, dass alle Klagen (auch die der Fälle vor der Epidemie) gegen Showa Denko angestrengt worden waren – und keine Kanzlei wusste von einem EMS-Fall, der mit einem anderen Hersteller zusammenhing.

Zusammengenommen mit den umfangreichen Daten zur Epidemie widerlegt dieser Sachverhalt eindeutig die Behauptung, das LT selbst könne EMS hervorgerufen haben. Der CDC-Epidemiologe Edwin Kilbourne weist auf Folgendes hin: Falls LT die Ursache gewesen wäre, hätten alle Produkte mit der gleichen Dosis von verschiedenen Firmen die gleiche Wirkung hervorrufen müssen – ein Szenario, das die Beweislage nicht stützt. (35) Gerald Gleich (ein Arzt, der sich an der Mayo-Klinik eingehend mit der Epidemie beschäftigte), klang ähnlich: „Das Tryptophan an sich ist eindeutig nicht die Ursache von EMS, insofern als Personen, die Produkte anderer Firmen als die von Showa Denko einnahmen, kein EMS entwickelten. Die Beweislage deutet auf das Showa-Denko-Produkt als den „Übeltäter“ hin und auf die Verunreinigungen als die Ursache.“ (36) Wie Crist außerdem herausfand, deutete die Beweislage nicht nur auf das SD-Produkt hin, es stellte sich auch heraus, dass alles Tryptophan der Firma in den viereinhalb Jahren vor der Epidemie mit gentechnisch veränderten Bakterien hergestellt worden war.

Der gentechnisch veränderte Stamm, der die Epidemie ausgelöst hatte, wurde im Dezember 1988 neu hinzugenommen. Er wurde als Stamm V bezeichnet, was darauf hindeutet, dass es mindestens vier frühere Stämme gab. Crist erfuhr, dass es solche Stämme in der Tat gegeben hatte – und dass alle außer einem gentechnisch hergestellt worden waren. Dieser einzelne nicht gentechnisch hergestellte Stamm wurde als Stamm I bezeichnet. All die anderen waren aus ihm durch zunehmend intensivere Formen der Genveränderung hergestellt worden, die den LT-Ausstoß stetig steigen ließen.

Diese Information war offensichtlich nicht allgemein bekannt, obwohl sie im September 1994 in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht worden war – fast zwei Jahre, bevor Maryanski Crist mitteilte, die Krankheitsfälle vor der Epidemie hingen mit nicht-gentechnisch veränderten Stämmen zusammen. (37) Angesichts der entscheidenden Bedeutung einer solchen Information zu einem Thema, für das sich die FDA sehr interessiert hatte, kann man berechtigterweise davon ausgehen, dass die Behörde davon gewusst hatte. Doch selbst wenn dieser Artikel der FDA irgendwie entgangen wäre, wäre das nicht weiter schlimm gewesen, denn die Behörde hatte von den Fakten ja bereits auf anderem Weg erfahren.

Das entdeckte Crist, als er die Kopie eines Fax bekam, das die FDA einem Journalisten geschickt hatte. Darin waren die verschiedenen von Showa Denko verwendeten gentechnisch veränderten Bakterienstämme aufgelistet und die gentechnischen Manipulationen beschrieben, mittels deren sie hergestellt worden waren. Fast genauso überraschend war, dass das Fax vom 17. September 1990 war. Überdies hatte die FDA die Information viel früher erhalten. Laut einem Anwalt, der Showa Denko im Auftrag eines EMS-Opfers verklagte, hatte die Firma diese Informationen im Februar vorher an die FDA geschickt. (38) Kurz nachdem die Epidemie erstmalig festgestellt worden war, hatte die FDA also von diesen anderen gentechnisch veränderten Stämmen erfahren; doch noch Jahre später beteuerte sie, solche Stämme seien niemals verwendet worden.

Tatsächlich begann Showa Denko im Oktober 1984, LT mit gentechnisch veränderten Bakterien herzustellen, und setzte die Technologie von da an weiterhin ein. Und weil jeder folgende Stamm dahingehend manipuliert war, mehr LT zu produzieren als sein Vorläufer, rief anscheinend auch jeder mehr Krankheiten hervor; die Zahl der EMS-Fälle nahm also bis zu dem von Stamm V ausgelösten plötzlichen Anstieg stetig zu. (39) Zudem war die Gesamtzahl der Erkrankungen vor der Epidemie zwar weit niedriger als die von Stamm V hervorgerufenen, allerdings doch beträchtlich. Auf der Grundlage der Daten von CDC-Wissenschaftlern schätzte Crist, dass zwischen 350 und 700 Personen betroffen waren. (40)

Es dauerte zwar viele Jahre (und eine Epidemie), bis jene frühen Fälle mit dem von Showa Denko gentechnisch hergestellten Tryptophan in Verbindung gebracht werden konnten, doch der Firma wurde schon in dieser früheren Phase klar, dass es mit dem Produkt Probleme gab. Interne Unterlagen von Showa Denko zeigen beispielsweise, dass eine deutsche Firma im Sommer 1988 (Monate, bevor Stamm V verwendet wurde), eine auffällige Unreinheit in einer LT-Lieferung feststellte – und dass die deutschen Wissenschaftler nicht feststellen konnten, ob die Substanz toxisch war oder nicht, weil sie nicht feststellen konnten, um welche Substanz es sich handelte. (41)

Doch das war nicht das einzige Rätsel, vor dem die Wissenschaftler von Showa Denko in jenem Jahr standen. Geraume Zeit mussten sie sich mit einem noch verwirrenderen herumschlagen. Unterlagen von Showa Denko ist zu entnehmen, dass infolge eines Virenangriffs bei einem bestimmten gentechnisch veränderten Stamm Probleme „ausbrachen“ (42). Überdies drangen diese Viren nicht von außen ein. Sie waren auch in allen vorherigen Bakterienstämmen vorhanden bis zurück zum ersten nicht gentechnisch veränderten, doch befanden sie sich in einem Ruhezustand und blieben daher unbemerkt.

Was ließ sie aus friedlichen Bewohnern zu feindseligen Aggressoren werden? Als ich diese Fragen dem renommierten Virologen Adrian Gibbs stellte, sagte er, solche Veränderungen würden durch Stress für die Bakterien ausgelöst, „der ihren Stoffwechsel anheizt“. (43) Und die Bakterien zu einer weit höheren LT-Produktion zu zwingen, hätte ihren Stoffwechsel eindeutig angeheizt. Entsprechend merkte er an, der entscheidende Stress könne daher gekommen sein, dass auf genetischer Ebene „an den Bakterien herumgefummelt“ worden sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches „Herumfummeln“ die Viren aktivierte, erhöht sich im Lichte von Dokumenten, die darauf hinweisen, dass der Ausbruch größere Schwierigkeiten nach sich zog und es geraume Zeit dauerte, bis ein virusfreier Stamm isoliert werden konnte. Als ich Dr. Gibbs diese Fakten mitteilte, meinte er, falls das Problem von einem lokalisierten Stress wie einem Hitzeschock gekommen wäre, hätte es wahrscheinlich einen Teil ungeschädigter Bakterien gegeben – und weil alle Bakterienstämme, mit denen SD damals arbeitete, anscheinend nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen waren, „legt das nahe, dass das Problem im Ursprung genetisch war“.

Showa Denko war auch von anderen schwerwiegenden Problemen geplagt. Die Aufzeichnungen machen deutlich: Als Stamm IV erstmals für die kommerzielle Produktion verwendet wurde, zog Showa Denko ihn nach nur zwei Wochen wieder zurück und kehrte zu Stamm III zurück. Zudem blieb Showa Denko acht Monate lang bei diesem früheren Stamm vor einem erneuten Versuch mit IV (Anfang September 1988); das legt das Auftreten einer unerwarteten Schwierigkeit nahe, die erst nach langer Zeit behoben werden konnte. (44) Dann, nach nur wenigen Tagen mit IV, wurde die Produktion offensichtlich für über drei Wochen angehalten. (45) Da Showa Denko mit der Biotechnologie die LT-Produktion erhöhen wollte, lässt diese lange Pause darauf schließen, dass ein weiteres größeres Problem aufgetreten war. Und weil nach den Unterlagen von Showa Denko das Virusproblem zu dem Zeitpunkt gelöst war, muss die Schwierigkeit mit etwas anderem zu tun gehabt haben. Und während der Virusausbruch überraschend gekommen war, kamen die zusätzlichen Probleme nicht überraschend. Das belegt die Notiz eines Wissenschaftlers, die er machte, als die virusfreien Bakterien wieder eingesetzt wurden, und in der er vorhersagte, es gebe „andere Probleme“. (46) Überdies hatte Showa Denko anscheinend auch nach der Wiederaufnahme der Produktion noch Bedenken wegen des Stamms IV, denn man kehrte erneut zu Stamm III zurück und setzte Stamm IV erst Mitte November wieder ein – und dann nur fünf Wochen lang, bis er durch Stamm V (der durch weitere Manipulationen daran hergestellt wurde) ersetzt wurde.

Damit gibt es deutliche Hinweise dafür, dass, als die Bakterien verändert wurden, damit sie immer mehr LT produzierten, sich gleichzeitig auch der Stress erhöhte und Störungen auslöste, die den Technikern Schwierigkeiten bereiteten. Plausibel ist außerdem, dass die Stoffwechselentgleisungen bei den Bakterien abgesehen davon, dass sie den Showa-Denko-Mitarbeitern Kopfschmerzen bereiteten, auch Toxine hervorriefen, die Tausenden von Verbrauchern weitaus quälendere chronische Schmerzen bereiteten. Unbestreitbar ist, dass jeglicher Bericht über die Epidemie, der die früheren gentechnisch veränderten Bakterien außer Acht lässt, selbst äußerst unausgewogen ist.

Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit

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