Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 385
IV.Fehlende Rechtssicherheit und Anwenderfreundlichkeit
Оглавление6Die Regelung des § 3 EU VOB/A ist mit § 119 GWB, soweit dieser die gesetzlichen Vergabearten regelt, weitestgehend identisch. Dies führt zwangsläufig zu der Frage, weshalb der Gesetzgeber nicht endlich die Vergaberechtsreform 2016 dazu genutzt hat, die Regelungen zur Vergabe von Bauleistungen im Anwendungsbereich der RL 2014/24/EU in die Vergabeverordnung zu integrieren und – entsprechend dem Vorgehen bei der Regelung von Liefer-, Dienst- sowie freiberuflichen Leistungen – dort ausschließlich Besonderheiten bzw. Abweichungen für die Vergabe von Bauaufträgen/Bauleistungen zu regeln. Auch europarechtlich werden die Verfahrensregelungen für die Vergabe von Bau- und Liefer-/Dienstleistungen seit Inkrafttreten des Richtlinienpaketes aus dem Jahre 2004 einheitlich betrachtet.7 Wenig überzeugend ist es daher, wenn von den federführenden Ministerien für die Beibehaltung des Abschnittes 2 der Vergabe- und Vertragsordnung als ewiges Mantra deren Besonderheit im Baubereich angeführt wird.8 Worin diese Besonderheit liegt, bleibt ein ministerielles Geheimnis. Die Begründung ist wohl mehr der Legitimation und Existenzberechtigung des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DAV) geschuldet, der mit der Erarbeitung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen betraut ist als einer an objektiven und sachgerechten Aspekten orientierten ernsthaften Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vergaberechts durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber selbst. Dieses Vorgehen geht zulasten der Qualität der Regelungstechnik (z. B. die misslungene Gliederung des § 3 EU VOB/A), der Rechtssicherheit, der Übersichtlichkeit und sachgerechten Anwendung des Vergaberechts. Das Ziel, das sog. Kaskadensystem9 abzuschaffen, wird vereitelt. Nur durch die Aufgabe des Abschnittes 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen dürfte die jetzt schon apostrophierte Anwenderfreundlichkeit10 zu erzielen sein, die die Bundesregierung immerhin schon im Jahre 2006 in ihrem Beschluss „Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechtes im bestehenden System“ als einen von mehreren unumstößlichen Eckpunkten formuliert, aber immer noch nicht umgesetzt hat.
7Der ebenfalls im Zusammenhang mit jeder Vergaberechtsreform bemühte Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen, denen die Teilnahme an Vergabeverfahren erleichtert werden soll, was den Zielen des europäischen Vergaberechtes entspricht, wird durch das beharrliche und nicht gerechtfertigte Festhalten an alten Strukturen jedenfalls nicht erreicht. Kleinere und mittlere Unternehmen verfügen nicht über hauseigene und im Vergaberecht versierte Juristen bzw. haben keine eigene Rechtsabteilung und können sich schlichtweg teure externe Rechtsberatung nicht leisten. Sie werden so davon abgehalten, sich an der Vergabe von Bauleistungen zu beteiligen.11 Hinzu kommt bei der Vergabe von größeren Bauaufträgen der kostenintensive Bewerbungsaufwand, der kleinere und mittlere Unternehmen auch davon abhält, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen.12