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2.Objektive, transparente und nichtdiskriminierende Kriterien

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20Dass sich der Gesetzgeber entgegen der alten Regelung des § 3 EG Satz 1 Nr. 2 VOB/A, § 101 Abs. 3 GWB a. F. nunmehr veranlasst sah klarzustellen,28 dass der Teilnahmewettbewerb nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien durchzuführen ist, ist – jedenfalls im Hinblick auf das Transparenzgebot sowie das Diskriminierungsverbot – nicht nachvollziehbar. Die tragenden Grundsätze des Vergaberechtes sind bereits seit der Vergaberechtsmodernisierung zum 1. Januar 199929 gesetzlich geregelt und haben Eingang in das GWB gefunden.30 Der öffentliche Auftraggeber hatte und hat sie unabhängig von der Vergabeart immer noch während des gesamten Vergabeverfahrens zu beachten, sodass der „Hinweis“ in § 3 EU Satz 1 Nr. 2 VOB/A, § 119 Abs. 4 GWB eine sprachliche Aufblähung des Gesetzestextes, rechtlich überflüssig ist und nur zu Irritationen führt.

21Auch die Tatsache, dass die Legaldefinition des Teilnahmewettbewerbs nunmehr inhaltsgleich im Unterschwellenbereich kodifiziert ist (§ 30 Satz 2 HGrG31 sowie § 55 Satz 2 BHO32), vermag die vorgenommene Doppelregelung nicht zu rechtfertigen. Trotz der beiden vorgenannten Normen dürfte es fernliegen, einem Fehlen der Tatbestandsmerkmale „transparent und nichtdiskriminierend“ in § 3 EU Satz 1 Nr. 2 VOB/A, § 119 Abs. 4 GWB könnte entnommen werden, die anzuwendenden Kriterien dürften intransparent und diskriminierend sein.

22Unklar ist zudem, wann Kriterien objektiv (bzw. subjektiv?) sind. Beispielsweise das Kriterium „Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung“ (§ 6 EU Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VOB/A, § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GWB) könnte durchaus als subjektives, weil auf den einzelnen Teilnehmer am Wettbewerb bezogenes Kriterium bezeichnet werden. „Objektiv“ bedeutet zum Einen „unabhängig von einem Subjekt und seinem Bewusstsein existierend, tatsächlich“, zum Anderen „nicht von Gefühlen, Vorurteilen bestimmt; sachlich, unvoreingenommen, unparteiisch“ (grammatikalische Auslegung).33 Letztere Definition scheidet von vornherein aus, da das Adjektiv „objektiv“ insoweit nur eine Person, nicht aber ein Kriterium beschreiben kann. Selbstverständlich ist auch nicht anzunehmen, der Gesetz-/Verordnungsgeber habe regeln wollen, dass der Teilnahmewettbewerb nicht anhand „nicht tatsächlicher“, das heißt unterstellter, tatsächlich nicht vorliegender Kriterien durchgeführt werden dürfe.

23Aufgrund einer systematischen Auslegung ist am ehesten anzunehmen, dass der Gesetz-/Verordnungsgeber objektive, das heißt mess-, zähl- und damit nachweisbare Kriterien im Sinne von Fakten (Umsatz,34 die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren35, technische Fachkräfte und Ausrüstung,36 …) gemeint hat. Anhand entsprechender objektiver Kriterien (Fakten) ist auf die Eignung eines Bewerbers zu schließen. Damit ist es beispielsweise unzulässig, die Eignung eines Bewerbers ausschließlich oder unter anderem auf das Urteil eines früheren Auftraggebers, eine bei früheren Aufträgen einwandfreie Zusammenarbeit mit dem Unternehmen oder den allgemeinen Ruf eines Unternehmens zu stützen. Damit wird zugleich deutlich, dass sich der Begriff „Kriterien“ im Sinne des § 3 EU Satz 1 Nr. 2 VOB/A nicht auf die Eignungskriterien (Fachkunde, Leistungsfähigkeit), sondern auf die Kriterien (Fakten) zur Beurteilung der Eignungskriterien Fachkunde und Leistungsfähigkeit, mithin ein „Unterkriterium“ bezieht. Mit anderen Worten: Während die Eignung eines Unternehmens jedenfalls auch von inneren, also subjektiven Tatsachen (Erfahrung, Fachkunde, …) abhängt, soll der Teilnahmewettbewerb ausschließlich anhand von äußeren Tatsachen im Sinne von objektiven Kriterien/Fakten durchgeführt werden.

24Glaubt der Rechtsanwender, damit eine zufriedenstellende Lösung gefunden zu haben, wird er durch die Regelung in § 3b EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 VOB/A enttäuscht. Danach gibt der öffentliche Auftraggeber in der öffentlichen Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung die „objektiven und nicht diskriminierenden“37 Eignungskriterien an. Wie gezeigt, ergibt die Formulierung „objektive Eignungskriterien“ keinen Sinn. Bei europarechtskonformer Auslegung, insbesondere anhand einer Gegenüberstellung der Absätze 1 und 2 des Art. 65 RL 2014/24/EU, kann es im Rahmen des § 3b Abs. 2 Nr. 3 VOB/A ausschließlich um Kriterien (und Vorschriften) gehen, die keine Eignungskriterien,38 sondern (objektive und nichtdiskriminierende) Kriterien zur Reduzierung der Zahl der geeigneten Bewerber sind. Was unter objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien in diesem Sinne zu verstehen ist, kann der Kommentierung zu § 3b EU VOB/A entnommen werden.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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