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3.Europaweite, öffentliche Bekanntgabe

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25a) Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb. Die öffentliche Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb richtet sich an einen unbegrenzten Bewerberkreis. Allerdings stehen dem öffentlichen – subzentralen39 – Auftraggeber beim nicht offenen Verfahren zwei Wege der öffentlichen Aufforderung zur Teilnahme (am Wettbewerb) zur Verfügung:

– Öffentliche Auftragsbekanntmachung, § 12 EU Abs. 3 Nr. 1 VOB/A, die die Angaben nach Anhang V Teil C der RL 2014/24/EU enthält;

– Vorinformation als Aufruf zum (Teilnahme-) Wettbewerb gemäß § 12 EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A, wenn diese den Hinweis enthält, dass ein nicht offenes Verfahren ohne spätere Veröffentlichung vorliegt und die Vorinformation die Angaben gemäß Anhang V Teil B Abschnitte I und II der RL 2014/24/EU enthält.

26aa) Öffentliche Auftragsbekanntmachung. Die öffentliche Aufforderung zur Teilnahme am Wettbewerb kann einmal in der Auftragsbekanntmachung gemäß § 12 EU Abs. 3 Nr. 1 VOB/A selbst enthalten sein. Der öffentliche Auftraggeber hat hierfür das von der europäischen Kommission festgelegte Standardformular (DE Standardformular 2-Auftragsbekanntmachung, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1986)40 zu verwenden, § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A. Die verschiedenen Regelungen zum Inhalt der Auftragsbekanntmachung sind – v. a. in der Zusammenschau – nicht einfach zu handhaben, dies deshalb, weil der Rechtsanwender erwartet, dass die von der Europäischen Kommission entwickelten Standardformulare für die öffentliche Auftragsbekanntmachung die Anforderungen der RL 2014/24/EU vollständig umsetzen, was indes nicht der Fall ist.

27Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen. Diese Regelung stellt für sich genommen nur dann eine richtlinienkonforme Umsetzung dar, wenn man außer Acht lässt, dass auch Mindestanforderungen eine Sonderform von Eignungskriterien sind. Denn gemäß Art. 58 Abs. 5 der RL 2014/24/EU sind – soweit es sich bei den Eignungskriterien um Mindestanforderungen handelt – nicht nur diese, sondern auch die entsprechenden Nachweise anzugeben.

28Demgegenüber geht der Verordnungsgeber in Ergänzung des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB41 im Bereich von Lieferungen und (Dienst-)Leistungen über die Anforderungen der RL 2014/24/EU hinaus: Zwar verweisen die §§ 37 Abs. 2, 38 Abs. 1 VgV auf das Standardformular des Anhangs II der VO (EU) 2015/19864243 das jedoch – wie der nachfolgend abgedruckte Auszug aus dem Standardformular zeigt – keine Angaben zu geforderten Nachweisen über die Einhaltung der Mindestanforderungen fordert:

Abbildung 1: Amtsblatt der Europäischen Union vom 12. November 2015, L296/1, [14]

Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben III.1) Teilnahmebedingungen
III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen
III.1.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit □ Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien Möglicherweise geforderte Mindeststandards
III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit □ Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien Möglicherweise geforderte Mindeststandards
III.1.5) Angaben zu vorbehaltenen Aufträgen □ Der Auftrag ist geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten, deren Ziel die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderung oder von benachteiligten Personen ist. □ Die Auftragsausführung ist auf Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnisse beschränkt.

29Aber § 48 Abs. 1 VgV regelt, dass in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung ferner, das heißt darüber hinaus, anzugeben ist, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstigen Nachweisen) die Bewerber ihre Eignung sowie das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben. Dies geht – wie gesagt – über eine Eins-zu Eins-Umsetzung der RL 2014/24/EU hinaus, da danach ausschließlich die Mindestanforderungen betreffende Nachweise gefordert werden. Allerdings ist dies – jedenfalls im Hinblick auf das nicht offene Verfahren, bei dem ja die Eignung der Bewerber einschließlich der Erfüllung der Mindestanforderungen sowie das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen in einem ersten Schritt (zunächst abschließend) geprüft wird – eine folgerichtige und notwendige Korrektur der Vorgaben aus der RL 2014/24/EU.

30Ein entsprechendes Bild ergibt sich aus Abschnitt 2 der VOB/A. § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A verweist auf die „von der Europäischen Kommission festgelegten Standardformulare“, ohne jedoch – anders als § 37 Abs. 1 VgV – eine konkrete Fundstelle zu nennen, was erneut Zweifel an der Anwenderfreundlichkeit aufkommen lässt. Zugleich verweist die Vorschrift auf Anhang V Teil C der RL 2014/24/EU. Der Verweis auf Anhang V, Teil C der RL 2014/24/EU in § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A bezieht sich auf dessen Nr. 11 lit. b und c.44 Danach enthält die öffentliche Bekanntmachung die Teilnahmebedingungen, darunter

„a) […]

b) gegebenenfalls Angabe darüber, ob die Erbringung der Dienstleistung aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften einem besonderen Berufsstand vorbehalten ist; Hinweis auf die entsprechende Rechts- oder Verwaltungsvorschrift;

c) Liste und Kurzbeschreibung der die persönliche Lage der Wirtschaftsteilnehmer betreffenden Kriterien, die zu ihrem Ausschluss führen können, sowie der Eignungskriterien; etwaige einzuhaltende Mindeststandards; Angabe der Informationserfordernisse (Eigenerklärungen, Unterlagen).“

Aus Nr. 11 lit. c ergibt sich, dass die Angabe der Informationserfordernisse (Eigenerklärungen, Unterlagen) – wie gemäß § 48 VgV – im Hinblick auf sämtliche Eignungskriterien, nicht nur im Hinblick auf die Mindestanforderungen erforderlich ist. Die Vorschrift enthält eine enumerative Aufzählung, wie sich aus der Verwendung des Semikolons ergibt.

31Jedenfalls im nicht offenen Verfahren sind daher in der öffentlichen Auftragsbekanntmachung nicht nur die Eignungskriterien, die Mindestanforderungen und die bezüglich letzterer verlangten „Informationserfordernisse (Eigenerklärungen, Unterlagen)“45, sondern die zum Nachweis sämtlicher Eignungskriterien geforderten Angaben und Erklärungen anzugeben. Ansonsten wäre – was jedoch Wesensmerkmal des nicht offenen Verfahrens ist – der öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage, abschließend zu beurteilen, welche – geeigneten – Unternehmen er zur Abgabe eines Angebotes auffordert.

32Um die Forderung des § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 VOB/A, sowohl das Standardformular der Europäischen Kommission nach Anhang II der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 zu verwenden,46 als auch die Angaben nach Anhang V Teil C RL 2014/24/EU zu veröffentlichen, empfiehlt es sich, die einzelnen Eignungskriterien zusammen mit den jeweils geforderten Nachweisen anzugeben:

Abbildung 2: Beispiel für die Bekanntmachung der Eignungskriterien nebst geforderten Nachweisen im Standardformular

Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben III.1) Teilnahmebedingungen
III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen Eigenerklärung47/Bescheinigung48 über die Eintragung in die Handwerksrolle oder eine dem entspreche Zulassung eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union49.
III.1.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit □ Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien Möglicherweise geforderte Mindeststandards Eigenerklärung über das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1.500.000,- € für Personen- und Sachschäden.
III.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit □ Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien Möglicherweise geforderte Mindeststandards
III.1.5) Angaben zu vorbehaltenen Aufträgen □ Der Auftrag ist geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten, deren Ziel die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderung oder von benachteiligten Personen ist. □ Die Auftragsausführung ist auf Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnisse beschränkt.

33Zu beachten ist, dass wenn der öffentliche Auftraggeber die Auftragsbekanntmachung als Aufruf zur Teilnahme am Wettbewerb nutzt, er vor Absendung der Auftragsbekanntmachung oder – im Falle einer Vorinformation nach § 12 EU Abs. 2 VOB/A – zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Interessenbekundung – alle Vergabeunterlagen fertiggestellt haben muss (§ 2 EU Abs. 8 VOB/A), denn ab dem Tag der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung sind nunmehr die Vergabeunterlagen (§ 8 EU VOB/A) zugänglich zu machen, § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Durch diese Regelung in § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ist es dem öffentlichen Auftraggeber also nicht mehr erlaubt, während der Dauer des Teilnahmewettbewerbes die Vergabeunterlagen und insbesondere die Leistungsbeschreibung zu erstellen bzw. abschließend zu bearbeiten.

34bb) Vorinformation. Die Möglichkeit, die Vorinformation nach § 12 EU Abs. 2 VOB/A als Aufruf zum Wettbewerb (Interessenbekundungsverfahren) zu wählen, ist mit der Vergaberechtsreform 2016 eingeführt worden und hat für öffentliche Auftraggeber, die keine obersten Bundesbehörden sind (siehe § 12 EU Abs. 2 VOB/A) den Vorteil, dass die eigentliche Auftragsbekanntmachung nach § 12 EU Abs. 3 Nr. 1 VOB/A entfällt und der öffentliche Auftraggeber erst in der Aufforderung zur Interessenbestätigung die Internetadresse angeben kann, unter der die Vergabeunterlagen zum Abruf zur Verfügung stehen (§ 12a EU Abs. 1. Nr. 1 VOB/A). Unternehmen, die aufgrund der Vorinformation ihr Interesse innerhalb der dort angegebenen Frist an dem Bauauftrag bekundet haben, sind im Anschluss daran von dem öffentlichen Auftraggeber zur Interessenbestätigung aufzufordern (siehe § 12a EU Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VOB/A), was letztendlich die Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages ist50 und damit die Auftragsbekanntmachung ersetzt. Die Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb zu verwenden, ist nur unter den in § 12 EU Abs. 2 VOB/A kumulativ formulierten Voraussetzungen möglich (siehe Kommentierung zu § 12 EU Abs. 2 VOB/A).

35b) Inhalt der Vorinformation. Die Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb ist nach dem von der Europäischen Kommission festgelegten Standardformular (Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1986, DE Standardformular 1) zu erstellen, § 12 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Unabhängig davon, ob die Vorinformation im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens oder eines Verhandlungsverfahrens erfolgt, muss sie sämtliche Informationen nach Anhang V Teil B der RL 2014/24/EU enthalten.51 Diese setzen sich aus obligatorischen Angaben (Teil B I) und solchen zusammen, die nur bei Verwendung der Vorinformation als Aufruf zum Wettbewerb (Teil B II) erforderlich sind. Zu beachten ist, dass in Teil B II eine Vielzahl von Informationen vom öffentlichen Auftraggeber nur dann erfolgen muss, wenn ihm dies zu diesem Zeitpunkt bereits möglich ist (Teil B II Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, Nr. 11 und Nr. 13 teilweise). Zu Einzelheiten siehe die Kommentierung zu § 12 EU VOB/A.

36Die Vorinformation darf nicht in einem Beschafferprofil veröffentlicht werden, § 12 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A. Allerdings ist nach § 12 EU Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 VOB/A eine zusätzliche Veröffentlichung auf nationaler Ebene möglich, was voraussetzt, dass diese nicht vor der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgt, § 12 EU Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 12 EU Abs. 3 Nr. 5 Satz 3 VOB/A (siehe Rn. 9).

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