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4.Anwendungsbereich des offenen Verfahrens, Dokumentationspflicht

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14Die Wahl des öffentlichen Auftraggebers für das offene Verfahren ist an keinerlei gesetzliche Vorgaben geknüpft. Es kann vom öffentlichen Auftraggeber für jede Auftragsvergabe gewählt werden, sofern der öffentliche Auftraggeber in der Lage ist, den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben (siehe oben Rn. 8, 12). Die Formulierung der Leistungsbeschreibung erfordert allerdings größte Sorgfalt, denn wegen des Verhandlungsverbotes, das auch für das nicht offene Verfahren gilt, ist u. a. der Auftragsgegenstand nach Angebotsabgabe Änderungen entzogen. Mit der Vergaberechtsreform 2016 hat das offene Verfahren allerdings seine bis dahin bestehende Vorrangstellung gegenüber dem nicht offenen Verfahren verloren. Der öffentliche Auftraggeber hat nunmehr Wahlfreiheit zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren, die gleichrangig nebeneinander stehen21 und Regelverfahren sind, während die übrigen Verfahrensarten nachrangig und nur unter den Voraussetzungen des § 3a EU Abs. 2 bis 5 VOB/A zulässig sind oder wenn gesetzliche Bestimmungen dies ausdrücklich vorsehen, § 3a EU Abs. 1 VOB/A, § 119 Abs. 2 GWB. Wie sich aus § 20 EU VOB/A, der auf § 8 VgV verweist, ergibt, hat der öffentliche Auftraggeber nur seine (Wahl-)Entscheidung zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren im Vergabevermerk zu dokumentieren. Aus § 8 VgV, insbesondere aus den eindeutigen Regelungen der Nr. 6 und 7 des 2. Absatzes dieser Vorschrift ergibt sich nicht, dass der öffentliche Auftraggeber die Gründe für seine (Wahl-)Entscheidung dokumentieren muss (siehe aber Kommentierung zu § 3a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A Rn. 9).22 Die Gesetzesmaterialien selbst bieten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber dem öffentlichen Auftraggeber insoweit eine Dokumentationspflicht auferlegen wollte, zumal EU-rechtlich ebenfalls keine Vorgaben bestehen. Trotz entgegenstehender rechtlicher Regelung, weiterhin mit dem „Grundsatz der Wirtschaftlichkeit“ von einem Vorrang des offenen Verfahrens auszugehen,23 ist daher so nicht vertretbar. Bei differenzierter Betrachtung könnte dies nur dann der Fall sein, wenn der öffentliche Auftraggeber nach vorangegangenem Teilnahmewettbewerb den Kreis der geeigneten Bewerber weiter reduzieren würde. In der Tat kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser „gestaffelte Eignungswettbewerb“ verhindert, auch im nicht offenen Verfahren das wirtschaftlich beste Angebot zu erhalten (vgl. oben Rn. 11). Dennoch wird entgegen dem klaren Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 der RL 2014/24/EU sowie der §§ 119 GWB, 14 VgV und der Intention des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers kein Vorrang des offenen Verfahrens hergeleitet werden können, zumal der Richtliniengeber und der nationale Gesetzgeber die Gleichrangigkeit beider Verfahren trotz und in Kenntnis der Möglichkeit einer weiteren Reduzierung des geeigneten Bieterkreises nach § 3b EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A bzw. Art. 65 Abs. 2 der RL 2014/24/EU ohne jegliche Einschränkung geregelt haben.

15Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf (§ 119 GWB) erhöhe die Wahlfreiheit zwischen dem offenen und nicht offenen Verfahren die Flexibilität der öffentlichen Auftraggeber, indem sie eine dem jeweiligen Auftragsgegenstand angemessene Lösung ermögliche, ohne die Wahl an bestimmte, im Einzelfall zu dokumentierende Voraussetzungen zu knüpfen.24 Ausschlaggebend hierfür dürfte wohl sein, dass der Gesetzgeber rückblickend keine Nachteile für den Wettbewerb durch das nicht offene Verfahren ausmachen konnte.25 Gleichwohl empfiehlt sich die Dokumentation der Gründe für die Wahl des offenen Verfahrens aus haushaltsrechtlicher Sicht, da dieses Verfahren wegen des Prüfaufwandes der zahlreichen Angebote mit deutlich höheren Kosten als ein nicht offenes Verfahren verbunden sein kann. Gerade im Hinblick auf die zum Teil sehr aufwendige und kostenintensive Angebotserstellung bietet das nicht offene Verfahren insoweit für die Bieter den Vorteil als eine solche nur dann erforderlich wird, wenn der öffentliche Auftraggeber im Rahmen des vorangegangenen Teilnahmewettbewerbes die Eignung der Bewerber festgestellt hat. Zu dem Fall, dass der öffentliche Auftraggeber den geeigneten Bewerberkreis weiter reduziert, siehe Kommentierung zu § 3a EU VOB/A Rn. 9.

16Das offene Verfahren gleicht – abgesehen vom Verbreitungsgebiet der öffentlichen Bekanntmachung – der Öffentlichen Ausschreibung gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 VOB/A des 1. Abschnitts der VOB/A für Vergaben unterhalb des Schwellenwerte des § 106 GWB (siehe hierzu die Kommentierung zu § 3 VOB/A).

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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