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3.Zwischen den Ereignissen und den sich daraus ergebenden zwingenden Gründen äußerster Dringlichkeit der Leistung besteht ein Kausalzusammenhang

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65Die äußerste Dringlichkeit bezieht sich auf die Ausführung der Leistung. Von einer solchen ist auszugehen, wenn durch einen weiteren Aufschub der Leistung eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung droht, etwa durch einen schweren, nicht wieder gutzumachenden Schaden.100 Der öffentliche Auftraggeber muss also zwischen den Grundsätzen des Wettbewerbs und der Transparenz einerseits und den drohenden Schäden bzw. Beeinträchtigungen der bedeutenden Rechtsgüter andererseits abwägen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Gefahr der Rechtsgutverletzung auch bei maximaler Fristverkürzung wesentlich erhöht würde.101 Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Feststellung des Vorliegens einer akuten Gefahrensituation (Dringlichkeit) ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Ausübung sich an den Wertsetzungen des Vergaberechtes orientieren und dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung tragen muss.102 Die Ausübung des Beurteilungsspielraumes durch den öffentlichen Auftraggeber ist durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar und orientiert sich insoweit an den hierzu entwickelten verwaltungsrechtlichen Maßstäben.

66Die äußerste Dringlichkeit ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn der Auftraggeber bei sorgfältiger Beobachtung des relevanten Marktes und zu erwartender Entwicklungen seinen Beschaffungsbedarf hätte frühzeitig erkennen können. Auch die Einhaltung haushaltsrechtlicher Wirtschaftsgrundsätze rechtfertigt grundsätzlich keinen Verzicht auf die Bekanntmachung eines Teilnahmewettbewerbs.103 Da die Dringlichkeitsvergabe stets ultima ratio ist,104 ist beispielsweise auch im Rahmen eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens eine zeitlich befristete Vergabe im Wege der Interimsbeauftragung vom öffentlichen Auftraggeber immer mit zu berücksichtigen.105 Hier kann der öffentliche Auftraggeber ausnahmsweise ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchführen, wenn es um eine Leistung im Bereich der Daseinsvorsorge geht und all diejenigen Unternehmen beteiligt werden, die in dem vorangegangenen, nicht durch Zuschlag beendeten Verfahren beteiligt waren.106 Aber auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Dringlichkeit verursacht hat, kann im Bereich der Daseinsvorsorge (z. B. die Gewährleistung des öffentlichen Personenverkehrs) die besondere Dringlichkeit der Interimsvergabe dennoch gegeben sein, weil sonst die Kontinuität der Versorgungsleistung nicht gewährleistet werden kann und somit die Allgemeinheit hierunter „zu leiden“ hätte, was zu einem nicht wieder gutzumachenden Schaden führen würde.107 Die unvorhersehbaren Ereignisse müssen die äußerst dringlichen, zwingenden Gründe verursacht haben, die wiederum die Einhaltung der vergaberechtlichen Mindestfristen unmöglich machen (Kausalzusammenhang).108

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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