Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 417
V.Die technischen Spezifikationen können von dem öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine europäische technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne des Anhanges TS Nummern 2 bis 5 der Richtlinie 2014/24/EU erstellt werden, § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. d VOB/A
Оглавление31§ 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. d VOB/A ist nicht vollständig inhaltsgleich mit § 14 Abs. 3 Nr. 4 VgV, aber mit Art. 26 Abs. 4 lit. a Nr. iv) RL 2014/24/EU und setzt letzteren um. § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. d ist im Gegensatz zu § 14 Abs. 3 Nr. 4 VgV abschließend formuliert, weil das Wort „insbesondere“ fehlt. Der Ausnahmetatbestand betrifft den Fall, dass der öffentliche Auftraggeber trotz eigener Planung der Bauleistung (durch sachverständige Dritte) nicht in der Lage ist, den Leistungsgegenstand entweder unter Verweis auf die in Anhang TS der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen definierten technischen Spezifikationen (§ 7a EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A) oder in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen (§ 7a EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A) im Sinne des § 7 EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A eindeutig zu beschreiben und hierfür Verhandlungen erforderlich sind, um vergleichbare Angebote zu erhalten. Zwar enthält § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. d VOB/A keinen Verweis auf § 7a EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A. Aus den §§ 7 EU Abs. 1 Nr. 1, 7a EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A ergibt sich aber, dass der öffentliche Auftraggeber seiner Pflicht zur eindeutigen Beschreibung der Leistung auch durch Beschreibung der Leistungs- und Funktionsanforderungen nachkommen kann und dies – sind technische Spezifikationen, auf die verwiesen werden könnte, nicht vorhanden – grundsätzlich auch muss.35Eine Ausschreibung in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen ist also auch eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung im Sinne von § 7 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Der Ausnahmetatbestand des § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. d VOB/A kommt dann in Betracht, wenn auch die Voraussetzungen des § 7a EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A nicht vorliegen, weil es nicht möglich ist, den Unternehmen ein klares Bild vom Auftragsgegenstand zu vermitteln und so dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlages zu ermöglichen.36 Ein Verhandlungsverfahren ist dann nicht zulässig, sondern der öffentliche Auftraggeber muss zwischen dem offenen oder nicht offenen Verfahren wählen (Erwägungsgrund (43)). Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zum einen, die Bieter vor den mit einer unklaren Leistungsbeschreibung verbundenen Wagnisse zu schützen und zum anderen Bieter und öffentliche Auftraggeber vor einer unzureichenden Preisvereinbarung.37
32Ob eine Leistung durch Verweis auf technische Spezifikationen oder Leistungs- und Funktionsanforderung eindeutig beschreibbar ist, ist anhand objektiver Maßstäbe zu ermitteln und von den Vergabekammern und -senaten vollumfänglich überprüfbar.38 Es bietet sich an, auch insoweit auf die vom öffentlichen Auftraggeber bzw. den von diesem beauftragten Dritten (§ 278 Satz 1 BGB) gemäß den § 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB zu beobachtende, im Verkehr erforderliche Sorgfalt abzustellen, § 276 Abs. 2 BGB. Erstellt der öffentliche Auftraggeber die Leistungsbeschreibung selbst, so dürfte maßgeblich sein, ob der durchschnittliche öffentliche Auftraggeber entsprechender Größe und Personalausstattung eine entsprechende Leistung ebenfalls mit eigenen Mitteln planen und ausschreiben, oder ob er einen sachverständigen Dritten hiermit beauftragen würde. Hat der öffentliche Auftraggeber einen Dritten mit der (Planung und) Ausschreibung beauftragt, wird es darauf ankommen, ob der Dritte bei seinem gescheiterten Bemühen, die Leistung eindeutig zu beschreiben, im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB schuldhaft gehandelt hat.
33Nach § 20 EU VOB/A, der auf § 8 VgV und dessen Abs. 2 Nr. 6 wiederum auf § 14 Abs. 3 VgV verweist, muss der öffentliche Auftraggeber die Voraussetzungen, die die Anwendbarkeit des vorliegenden Ausnahmetatbestandes rechtfertigen, dokumentieren. Der öffentliche Auftraggeber muss im Vergabevermerk darlegen, dass er trotz sorgfältiger Ermittlung aller für die Bauausführung erforderlichen Schritte und Maßnahmen, auch unter Einbeziehung sachkundiger Hilfe, weder in der Lage ist die Leistung anhand technischer Spezifikationen, noch funktional eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Für das Vorliegen dieser Umstände ist der öffentliche Auftraggeber wiederum darlegungs- und beweispflichtig.