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II.Zulässigkeit und Vorrang von offenem und nicht offenem Verfahren

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6§ 3a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A enthält keine gesetzlichen Vorgaben, nach denen der öffentliche Auftraggeber seine Wahl zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren zu treffen hat. Für welche Art von zu vergebenden Bauleistungen letztendlich das offene bzw. nicht offene Verfahren in Betracht kommt, ergibt sich aus den Zulässigkeitsvoraussetzungen für die übrigen Verfahrensarten, sodass im Ergebnis für das offene bzw. nicht offene Verfahren – jedenfalls dann, wenn nicht andere besondere Umstände wie zum Beispiel besondere Eilbedürftigkeit vorliegen – nur abschließend vom öffentlichen Auftraggeber geplante (Standard-)Bauleistungen in Betracht kommen, was auch aus der Zusammenschau der Erwägungsgründe (42) bis (50) der RL2014/24/EU folgt.

7Dass der Verordnungsgeber die Wahlfreiheit des öffentlichen Auftraggebers an keinerlei gesetzliche Vorgaben knüpfen wollte, ergibt sich auch aus der Begründung zum Gesetzentwurf (§ 119 GWB). Danach erhöhe die Wahlfreiheit zwischen dem offenen und nicht offenen Verfahren die Flexibilität der öffentlichen Auftraggeber, indem sie eine dem jeweiligen Auftragsgegenstand angemessene Lösung ermögliche, ohne die Wahl an bestimmte, im Einzelfall zu dokumentierende Voraussetzungen zu knüpfen.8 Dem stehen auch nicht die Vergabegrundsätze nach § 97 GWB und dort insbesondere der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entgegen, denn der Gesetzgeber hat gerade in Kenntnis dieser Grundsätze Flexibilität für die öffentlichen Auftraggeber schaffen wollen. Das ist auch durchaus zu begrüßen, denn letztendlich weiß der öffentliche Auftraggeber am besten, welche finanziellen Mittel und Ressourcen, auch in personeller und zeitlicher Hinsicht, ihm zur Verfügung stehen, einen Beschaffungsvorgang entweder im offenen oder nicht offenen Verfahren durchzuführen. Die Wahl des öffentlichen Auftraggebers für das offene oder das nicht offene Verfahren bedarf also (grundsätzlich) keines rechtlichen/sachlichen Grundes.9 Insoweit wird auf die Kommentierung zu § 3 EU VOB/A Rn. 14 und 15 verwiesen.

8Deshalb ist die Wahlfreiheit des öffentlichen Auftraggebers zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren grundsätzlich keine Ermessensentscheidung im rechtlichen Sinne, welche wiederum einer Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich ist (siehe aber unten Rn. 9 und Kommentierung zu § 3 EU VOB/A Rn. 61).10 Die Wahlfreiheit des öffentlichen Auftraggebers ist vielmehr Ausfluss seiner Handlungs- und Organisationsfreiheit und der damit verbundenen Beschaffungsautonomie, wie sie ebenso Wirtschaftsunternehmen zusteht (siehe Kommentierung zu § 3 EU VOB/A Rn. 14 und 15). Ohne dass es also im Sinne einer Rechtmäßigkeitsvoraussetzung darauf ankäme, wird der öffentliche Auftraggeber das nicht offene Verfahren umso eher wählen, je strenger die im Hinblick auf den konkreten Auftrag (§ 6 EU Abs. 2 Satz 3 VOB/A, § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB) an den künftigen Auftragnehmer zu stellenden Eignungsanforderungen sind. Denn gerade dann ist es sinnvoll, die Eignungsprüfung einerseits und Angebotsabgabe und -wertung andererseits voneinander zu trennen.

9Einfluss auf den Wettbewerb und die Wirtschaftlichkeit einer Vergabe hat die Wahl des nicht offenen Verfahrens erst dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Zahl der im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs ermittelten Teilnehmer am Wettbewerb (siehe zur Terminologie § 3b EU VOB/A Rn. 10), die er zur Abgabe eines Angebotes auffordern möchte, gemäß § 3b EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A beschränkt. Sowohl diese Entscheidung als auch die festgelegte Zahl der zur Abgabe eines Angebotes aufzufordernden Unternehmen sind vom öffentlichen Auftraggeber zu begründen und von den Nachprüfungsinstanzen – insbesondere auch im Hinblick auf § 3b EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 VOB/A – überprüfbar. Gerade in diesem Fall wird man konstatieren müssen, dass das nicht offene Verfahren nicht zum größtmöglichen Wettbewerb führt, weswegen die nunmehrige Gleichrangigkeit des nicht offenen und des offenen Verfahrens bei Begrenzung der Zahl der Bieter fragwürdig erscheint.

Die Möglichkeit, nicht sämtliche Teilnehmer am Wettbewerb zur Angebotsabgabe auffordern zu müssen, kann in der Tat dazu führen, dass ein Teilnehmer am Wettbewerb, der hypothetisch ein Angebot mit einem besseren Preis- Leistungsverhältnis als der nach Durchführung der dritten und vierten Wertungsstufe bestplatzierte Bieter abgegeben hätte, gar nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert worden ist. So äußert auch Knauff11 – allerdings ohne nähere Begründung – Zweifel daran, dass die Gleichrangigkeit beider Verfahren mit einem vergleichbaren Maß an Transparenz und Wettbewerb einhergeht.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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