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II.Die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers können nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden, § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. a VOB/A

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18§ 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. a VOB/A ist inhaltsgleich mit § 14 Abs. 3 Nr. 1 VgV sowie mit Art. 26 Abs. 4 lit. a Nr. i) RL 2014/24/EU und setzt letzteren um. Der vorliegende Ausnahmetatbestand des § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. a VOB/A soll greifen, wenn zwar auf dem Markt bereits vorhandene und damit verfügbare Lösungen (z. B. Standardleistungen) existieren, diese aber für den konkreten Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers anzupassen sind.23 Anders ausgedrückt, die auf dem Markt verfügbaren (Standard-)Lösungen reichen nicht aus, um den Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers vollständig zu erfüllen, sodass die Anpassung nur durch Verhandlungen mit den im Verhältnis zum öffentlichen Auftraggeber meist fachkundigeren Teilnehmern am Wettbewerb erreicht werden kann. Die erforderlichen Anpassungen dürfen nicht zu einem neuen Leistungsgegenstand führen, denn sonst müsste der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe im Wege des wettbewerblichen Dialoges zurückgreifen (siehe auch Kommentierung zu § 3 EU Rn. 52 und § 3b EU VOB/A, Rn. 23 bis 27).

19Nach der hier vertretenen Auffassung läuft der Ausnahmetatbestand des § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. a VOB/A ins Leere: Ziel von Verfahren zur Vergabe von Bauleistungen ist der Abschluss eines Werkvertrages im Sinne des § 631 BGB, gegebenenfalls in Verbindung mit Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. Das Ziel des Vergabeverfahrens ist also gerade dadurch charakterisiert, dass es – anders als beim Abschluss von Kauf- oder Dienstleistungsverträgen nach den §§ 433, 611 BGB – gerade keine auf dem Markt existierende Lösung gibt. In sämtlichen Fällen, die in den Anwendungsbereich der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen fallen, geht es um die Herstellung eines Werkes oder die Erreichung eines Erfolges im Sinne des § 631 BGB, also um die Herstellung einer neuen, individuell nach den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers zu erbringenden Leistung. „Lösungen“, die keiner Anpassung an die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers bedürfen, sind nicht auf den Abschluss eines Werkvertrages gerichtet und daher nach der Vergabeverordnung auszuschreiben. Mithin würde jede Vergabe einer Bauleistung den Ausnahmetatbestand des § 3a EU Abs. 1 Nr. 2 lit. a VOB/A erfüllen.

20Dies gilt auch in Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber die Leistung lediglich funktional beschreibt, das heißt, wenn es nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig ist, abweichend von § 7b EU Abs. 1 VOB/A zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, § 7c EU Abs. 1 VOB/A, § 103 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. GWB. In diesem Fall beruht die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens oder des wettbewerblichen Dialogs nicht auf § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. a, Abs. 4 VOB/A, sondern auf der Erforderlichkeit konzeptioneller oder innovativer Lösungen, § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 lit. b, Abs. 4 VOB/A.

21Die hier vertretene Auffassung wird auch durch Erwägungsgrund (43) der RL 2014/24/EU gestützt: Dort werden Beispiele für die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens oder des wettbewerblichen Dialogs wegen der Erforderlichkeit der Anpassung am Markt bestehender Lösungen ausschließlich im Zusammenhang mit Dienstleistungen oder Lieferungen, vor allem bei komplexen Anschaffungen, beispielsweise für besonders hochentwickelte Waren, geistige Dienstleistungen wie etwa bestimmte Beratungs-, Architekten- oder Ingenieurleistungen oder Großprojekten der Informations- und Kommunikationstechnologie genannt, Erwägungsgrund (43) der RL 2014/24/EU.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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