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B.Das offene Verfahren, § 3b EU Abs. 1 VOB/A

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3§ 3b EU Abs. 1 VOB/A beschreibt das offene Verfahren, wobei sich die signifikanten Merkmale dieses Verfahrens erst aus einem Vergleich mit den anderen in § 3b EU VOB/A beschriebenen Verfahren ergeben. Die Vorschrift setzt Art. 27 Abs. 1 RL 2014/24/EU um, wonach bei einem offenen Verfahren jeder interessierte Wirtschaftsteilnehmer auf einen Aufruf zum Wettbewerb hin ein Angebot abgeben kann. Die Regelung entspricht zudem § 15 Abs. 1 VgV, weicht allerdings semantisch ab. Warum eine abweichende Formulierung verwandt wurde, erschließt sich nicht, zumal der Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen anstelle des Aktivs in § 15 Abs. 1 VgV („… fordert der öffentliche Auftraggeber …“) das sprachlich sperrigere Passiv („… wird eine unbeschränkte Anzahl … aufgefordert“) verwendet. Das offene Verfahren entspricht der Öffentlichen Ausschreibung in Vergabeverfahren unterhalb der nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwerte (§ 3 Abs. 1 VOB/A, § 9 Abs. 1 UVgO).

4Das offene Verfahren, das seine bisherige Vorrangstellung gegenüber dem nicht offenen Verfahren eingebüßt hat (§ 3a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A, § 119 Abs. 2 Satz 1 GWB), zeichnet sich dadurch aus, dass jedes interessierte Unternehmen unabhängig von seiner Eignung oder dem Vorliegen von Ausschlussgründen (nach § 6e EU VOB/A) die Vergabeunterlagen erhält und ein Angebot abgeben kann, § 3b EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A. Die öffentliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes erfolgt nach Maßgabe der §§ 12 Abs. 3 EU, 12a EU VOB/A durch Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Die Prüfung und Wertung der Angebote erfolgt in vier Schritten, wobei die einzelnen Wertungsstufen zwar strikt voneinander zu trennen, aber nicht zwingend in einer festgelegten Reihenfolge abzuarbeiten sind2: Beispielsweise muss der öffentliche Auftraggeber einem Bieter, über den bekannt ist, dass ein normativ geregelter, zwingender Ausschlussgrund im Sinne des § 6e EU Abs. 1 bis 4 VOB/A vorliegt, nicht die Vergabeunterlagen zur Abgabe eines Angebotes übersenden.3 Ebenso kann der öffentliche Auftraggeber – gerade bei Eingang einer großen Zahl von Angeboten – die vierte Wertungsstufe (Wertung der Angebote, § 16d EU VOB/A) vorziehen, um die anderen drei Wertungsstufen nur auf die anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien aussichtsreichsten Angebote anwenden zu müssen.4 Eine entsprechende Regelung enthält nunmehr § 16b EU Abs. 2 VOB/A. Dies dürfte sich insbesondere dann anbieten, wenn – was nunmehr nach § 128 Abs. 1 Satz 3 GWB zulässig ist – der Preis das alleinige Zuschlagskriterium oder die Eignungsprüfung aufwendig ist.

5Folgende Wertungsstufen sind zu durchlaufen:

– Prüfung, ob ein Angebot aus formalen Gründen auszuschließen ist, §§ 16 EU, 16a EU VOB/A

– Prüfung der Eignung der Bieter einschließlich des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen nach den §§ 6e EU, 16b EU VOB/A

– Inhaltliche Prüfung der Angebote, § 16c EU VOB/A

– Wertung der Angebote, § 16d EU VOB/A.

6Ein weiteres wesentliches Merkmal des offenen (wie des nicht offenen) Verfahrens ist das generelle Verhandlungsverbot (§ 15 EU Abs. 3 VOB/A), das in § 3b EU VOB/A allerdings nur mittelbar dadurch geregelt ist, dass die ausdrückliche Zulassung von Verhandlungen in § 3b EU Abs. 3 Nr. 6 VOB/A im ersten (und zweiten) Absatz der Regelung fehlt. Vor allem dieses Verhandlungsverbot beim offenen (und nicht offenen) Verfahren erklärt die in § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb.

7Weil insbesondere Verhandlungen über die (angebotene) Leistung unzulässig sind, muss der öffentliche Auftraggeber die zu beschaffende (Bau-)Leistung eindeutig und so erschöpfend beschreiben, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen, § 7 EU Abs. 1 VOB/A/§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB.5 Damit korrespondiert, dass Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind, § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A. Angebote, die gleichwohl eine Änderung der Vergabeunterlagen beinhalten, sind zwingend auszuschließen, §§ 16 EU Nr. 2, 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A.6 Grundsätzlich muss das Angebot auch vollständig sein, und zwar sowohl im Hinblick auf die vom öffentlichen Auftraggeber zum Nachweis der Eignung sowie des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen verlangten Informationen als auch im Hinblick auf die angebotenen Preise selbst.

Zu den Ausnahmen siehe die Kommentierung zu § 16a EU VOB/A (Nachforderung von Unterlagen) sowie zu § 16 EU Nr. 3 Hs. 2 VOB/A (Ersetzung des fehlenden Preises einer unwesentlichen Position durch den jeweils höchsten Wettbewerbspreis).

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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