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I.Referenzen (§ 6a EU Nr. 3a VOB/A)

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21Nach § 6a EU Nr. 3a VOB/A können Auftraggeber Angaben über die Ausführung vergleichbarer Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren verlangen.

Zweck der Abfrage solcher Referenzen ist, dass der Auftraggeber sich einen Eindruck verschaffen kann, ob die Teilnehmer über die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die ausgeschriebene Leistung mangelfrei und pünktlich erbringen zu können. Denn die erfolgreiche Verwirklichung vergleichbarer Bauvorhaben lässt Rückschlüsse auf die erfolgreiche Durchführung des ausgeschriebenen Projektes zu.

22Um dies zu erreichen, kann der Auftraggeber Mindestanforderungen vorgeben, die die Referenzprojekte erfüllen müssen; macht er derartige Vorgaben, muss er diese in der Bekanntmachung angeben. Zusätzlich darf er sich eine Kontaktadresse des jeweiligen Auftraggebers benennen lassen, um im Zweifel dort nachfragen und sich beispielsweise die mangelfreie Ausführung bestätigen zu lassen. Wird letztere trotz Anforderung nicht angegeben, handelt es sich allerdings lediglich um eine unvollständige und damit formell fehlerhafte Erklärung; der materiell-inhaltliche Gehalt der Referenz ist nicht betroffen. Ohne vorherige Nachforderung kann daher ein Ausschluss auf die fehlenden Kontaktdaten nicht gestützt werden.12

23Hinsichtlich der Wahl der Mindestanforderungen ist der Auftraggeber im Großen und Ganzen frei, eine Grenze bildet jedoch auch hier die Auftragsbezogenheit und Angemessenheit im Einzelfall (§ 6 EU Abs. 2 Satz 3 VOB/A). Da Mindestanforderungen immer eine Einschränkung des Wettbewerbs bedeuten, müssen sie sich anhand der konkreten Bedingungen des ausgeschriebenen Vorhabens rechtfertigen lassen. Zwar hat der Auftraggeber darauf verzichtet, in die VOB/A eine Regel-Ausnahme-Vermutung wie in § 75 Abs. 5 VgV aufzunehmen. Dennoch ist es ratsam, auch hier das gedankenlose Fordern der gleichen Nutzungsart sowie der früheren Beauftragung durch einen öffentlichen Auftraggeber zu überdenken und derartige Anforderungen nur in dem Umfang aufstellen, in dem sie für den Nachweis der Eignung erforderlich sind. Denn bei dem hinter der Einschränkung in der VgV stehenden Gedanken handelt es sich um eine allgemeingültige, branchenübergreifende Einschätzung, die in Zusammenschau mit der Neugestaltung der Regelungen zur Eignung insgesamt den Willen des Gesetzgebers deutlich macht, eine Ausuferung der Eignungsanforderungen zu verhindern.13

24Macht ein Auftraggeber von der Möglichkeit zur Definition von Mindestanforderungen keinen Gebrauch, müssen sich die Referenzen nach dem Wortlaut des § 6a EU auf vergleichbare Leistungen beziehen. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber es nicht ausdrücklich erwähnt, denn schon ihrer Natur nach kann als Referenz nur gelten, was einen vergleichbaren Leistungsinhalt hat.14

25Der Begriff der „vergleichbaren“ Leistungen ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Auslegung zugänglich ist.15 Er ist grundsätzlich vor dem Hintergrund des Ziels einer möglichst hohen Wettbewerbsintensität im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB auszulegen16 und folglich nicht zu eng zu verstehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein in sich geschlossener Markt entsteht und junge Unternehmer faktisch keinen Marktzutritt erhalten.

Vergleichbar bedeutet schon dem Wortlaut nach nicht „gleich“ oder „identisch“, sondern dass die Leistungen in technischer und organisatorischer Hinsicht einen mindestens gleich hohen Schwierigkeitsgrad wie der ausgeschriebene Auftrag aufweisen.17 Unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen müssen sie der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie den hinreichend sicheren Schluss zulassen, dass der Bieter in der Lage sein wird, den Bauauftrag vertragsgemäß auszuführen.18 Bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit eingereichter Referenzen durch den Auftraggeber kommt diesem ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.19

26In der Praxis keine große Beachtung findet bislang die in § 6a EU Nr. 3a VOB/A aufgenommene Ergänzung, wonach für die wichtigsten Bauleistungen Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis beizufügen sind. In § 6 Abs. 3 Nr. 2 EG VOB/A gab es eine solche Verpflichtung nicht, auch die Richtlinie sieht Derartiges nicht vor. Tatsächlich ist die Formulierung in § 6a EU Nr. 3a VOB/A etwas missglückt, da sie den Eindruck erweckt, die Bewerber müssten ihren wichtigsten Referenzleistungen stets Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausführung und das Ergebnis beilegen; unabhängig davon, ob dies im Vergabeverfahren gefordert wird. Es widerspricht jedoch der grundsätzlichen Konzeption der Eignungsanforderungen, im Text der VOB/A eine Verpflichtung für die Bewerber zu konstituieren, ohne dass diese in der Bekanntmachung oder zumindest in den Vergabeunterlagen erwähnt wird. Es ist Sache des Auftraggebers zu bestimmen, welche Unterlagen er benötigt, um die berufliche Leistungsfähigkeit beurteilen zu können. Die VOB/A gibt lediglich den Rahmen vor, in dem er sich zulässigerweise bewegen darf. Hinzu kommt, dass die Bestimmung der „wichtigsten“ Leistungen häufig sehr subjektiv geprägt sein dürfte. Im Ergebnis wird man daher davon ausgehen müssen, dass Bewerber/Bieter entgegen dem Wortlaut nur dann zur Vorlage von Bescheinigungen ihrer früheren Auftraggeber verpflichtet sein dürften, wenn der Auftraggeber dies in den Vergabeunterlagen hinreichend konkret angefordert hat.20 Andernfalls können an die Nichtvorlage keine Konsequenzen geknüpft werden.

27Als Regelzeitraum für die vorzulegenden, vergleichbaren Arbeiten nennen mittlerweile sowohl § 6a EU Nr. 3a VOB/A als auch § 6a Abs. 2 Nr. 2 VOB/A fünf abgeschlossene Kalenderjahre. Angesichts der bei Bauvorhaben in der Regel umfangreicheren Projekte ­erscheint der im Vergleich zum Dienstleistungs- und Lieferbereich längere Bezugszeitraum zur Sicherung eines ausreichenden Wettbewerbs sinnvoll. Sofern im Einzelfall nach Ansicht des Auftraggebers – beispielsweise bei größeren und länger andauernden Baumaßnahmen – fünf Jahre nicht ausreichen, wird ihm darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, auch Referenzen zu berücksichtigen, die länger als fünf Jahre zurückliegen. Möchte er dies tun, muss er den Zeitraum in der Bekanntmachung angeben. Nicht zulässig ist es dagegen, Referenzen für einen längeren Zeitraum zu verlangen. Denn dadurch würden jüngere Unternehmen, die noch nicht so lange am Markt tätig sind, von der Teilnahme faktisch ausgeschlossen.

28Ebenso unzulässig ist es nach der Rechtsprechung, die Anzahl der vom Auftraggeber zu berücksichtigenden Referenzen zu begrenzen. So hat das OLG Düsseldorf eine Formulierung als vergaberechtswidrig angesehen, nach der bei Einreichung von mehr als drei Referenzen nur die Referenzen mit den Nummern 1 bis 3 in die Bewertung einbezogen würden. Eine derartige Vorgabe schrecke nicht nur die Bieter ab, sondern führe auch zu einer unvollständigen Tatsachengrundlage für die Eignungsprüfung und verstoße gegen den Wettbewerbsgrundsatz.21

Die Vorgabe einer Mindestanzahl von Referenzen wird dadurch nicht ausgeschlossen. Ebenso ist es denkbar, dass ein Auftraggeber sich sämtliche eingereichten Projekte anschaut, jedoch lediglich für die – gemessen an den im konkreten Fall aufgestellten Anforderungen – besten Referenzen Punkte vergibt, die dann in die Eignungsprüfung einfließen oder dazu dienen, die Teilnehmerzahl zu reduzieren. Voraussetzung ist dann, dass bereits in der Bekanntmachung verständlich, klar und transparent beschrieben wird, wie die Referenzen in die Eignungsprüfung einfließen, wie viele Referenzen bepunktet werden und nach welchen Kriterien die Bewertung erfolgt.

29Nicht aufgenommen hat der deutsche Gesetzgeber Art. 58 Abs. 4 UAbs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2014/24/EU. Dort enthält die Richtlinie einen allgemeinen Grundsatz, dass öffentliche Auftraggeber davon ausgehen können, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügt, wenn der öffentliche Auftraggeber festgestellt hat, dass der Wirtschaftsteilnehmer kollidierende Interessen hat, die die Auftragsausführung negativ beeinflussen können. Aufgrund der systematischen Stellung hat der Richtliniengeber dabei offenbar an Fälle gedacht, in denen sich aus den Referenzprojekten Hinweise auf kollidierende Interessen ergeben. Inhaltlich dürfte aus der Nichtaufnahme im deutschen Recht jedoch keine Schlechterstellung der Auftraggeber folgen. Denn auch ohne ausdrückliche Regelung in der VOB/A ist es denkbar, dass Auftraggeber aufgrund von einer festgestellten Interessenskollision und unter Heranziehung der Wertung der Richtlinie zulässigerweise eine negative Eignungsprognose treffen und einen Bewerber aus diesem Grund vom Verfahren ausschließen.

Praxiskommentar VOB - Teile A und B

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