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Tag 84

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5. Februar 2014

Manfred Götzl, Richter. André Kapke, 38, Selbstständiger im Baugewerbe aus Jena und früher ein Freund des Trios Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt und einer der wichtigsten Köpfe der rechten Szene in Jena. Er hatte auch nach dem Untertauchen noch Kontakt zu ihnen. Kapke trat auch an den Tagen 59 und 96 als Zeuge auf. Jochen Weingarten, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe.

Götzl Kommen wir zunächst zum 26. Januar 1998, Thema Flucht. Wie haben Sie denn davon erfahren?

Kapke An dem Morgen der Hausdurchsuchung hatte mich der Böhnhardt angerufen. Ich bin hingekommen, da hatte er mir gesagt, dass er, sobald sich die Möglichkeit ergibt, ins Auto steigt und wegfährt. Wie das nun konkret war, dass die sich absetzten, da kann ich gar nichts mehr sagen. Habe ich keine Erinnerung dazu.

Götzl Was hat er denn sinngemäß geäußert?

Kapke Kann ich mich nicht entsinnen.

Götzl Was haben Sie dazu gesagt, dass er mit dem Auto wegfahren wollte?

Kapke (lacht) Keine Ahnung. Ich geh’ mal nicht davon aus, dass ich damit gerechnet habe, dass er sich auf unabsehbare Zeit absetzen will. Ich wusste ja nicht mal genau, worum es geht.

Götzl Sie bekommen einen Anruf, reagieren und gehen zu seiner Wohnung?

Kapke Der hat 150 bis 200 Meter weg gewohnt.

Götzl Hat er gesagt, dass Sie kommen sollen?

Kapke Das weiß ich nicht mehr genau.

Götzl Warum sind Sie dann hin?

Kapke Man ist ja freundschaftlich verbunden. Eine Durchsuchung stellt ja eine gewisse Form der Repression dar, da ist das natürlich ein Interesse, man ist gemeinschaftlich betroffen. Die meisten Durchsuchungen liefen ja auch nicht immer nett ab.

Götzl Inwiefern waren Sie betroffen?

Kapke Es gab sehr oft Hausdurchsuchungen. Da ist man dann auch betroffen. Ich weiß nicht, wie viele ich hatte, es hat da nie eine Verurteilung stattgefunden, es waren einfach Drangsalierungen. Ich wäre auch bei anderen hingegangen, es ist ja auch gut, wenn man da als Zeuge da ist.

Götzl Haben Sie sich damals als Zeuge gemeldet?

Kapke Nein, ich hab von der Durchsuchung nicht mehr viel mitgekriegt. Ich war auch nicht bei ihm oben. Ich hab ihn vor oder hinter dem Haus getroffen. Mehr Erinnerung habe ich nicht. Es war irgendwann am Vormittag.

Götzl Mir geht es um die Umstände und was gesprochen wurde.

Kapke Wir können das jetzt noch zehn Mal machen – ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Er hat gesagt, dass er dann wegfährt.

Götzl Das ist aber ein sehr ausgestanzter Satz, den Sie da schildern, das wundert mich schon, dass Sie ansonsten nichts erinnern. Wie war denn die Situation vor Ort? Waren Sie mit ihm alleine?

Kapke In meiner Erinnerung ja.

Götzl Wo waren denn die Beamten?

Kapke Keine Ahnung. Ich glaube, ein paar standen an der Garage.

Götzl Und was ist dann gewesen? Mit der Flucht?

Kapke Ich kann es nicht genau sagen, wie ich das dann weiter erfahren habe. Ich kann Ihnen sagen, dass klar war, dass sie weg sind.

Götzl Kontakt hatten Sie dann ja noch nach der Flucht. Aber das Zwischenstück fehlt mir.

Kapke Nehmen Sie es mir nicht übel, aber mir fehlt einiges.

Götzl Haben Sie denn bei der Polizei gesagt, dass Sie Kontakt hatten?

Kapke Ich habe eigentlich für gewöhnlich bei der Polizei nie Aussagen gemacht, außer jetzt mal beim BKA.

Götzl Dann müssen wir jetzt mal reinschauen in diese Vernehmung. Bei einer Vernehmung im November 2011 sagten Sie laut Protokoll, Sie hätten seit 1998 keinen Kontakt mehr zu den dreien gehabt. Was, wenn ich Ihrer Aussage vor Gericht folge, falsch war.

Kapke (Er bespricht sich mit seinem Anwalt, der neben ihm sitzt.) Dass ich ab 1998 keinen Kontakt mehr hatte, das ist so. Ich hatte ja keinen direkten Kontakt mehr.

Götzl Lassen wir es mal so stehen. Was war der Grund, dass Sie bei der Polizei nichts sagen wollten?

Kapke Das ist ja auch eine rechtliche Frage. Man ist mit Sachen konfrontiert, die für mich unvorstellbar waren. Ich hatte meinen Anwalt konsultiert. Es geisterte ja viel durch die Presse, dass ich da involviert wäre.

Götzl Dann ist jetzt die Frage, wie kam es nach der Durchsuchung zum Kontakt mit Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe?

Kapke Ich kann Ihnen nicht sagen, wie der Ablauf war. Es ist halt so und ich hab dazu keine konkreten Abläufe. Es war halt so und dann gut.

Götzl Es geht um den ersten Kontakt danach.

Kapke Ich kann Ihnen nicht sagen, so drei Tage später hat jemand angerufen. Ich hab da nichts. Ich könnte Ihnen nicht mal sagen, welche Telefonzelle das war. Das waren eben die Informationsketten, dass diese Telefonzellen genutzt worden sind.

Götzl Die Frage bleibt: Woher wussten Sie, dass Sie zu einer bestimmter Zeit an einer bestimmten Telefonzelle sein sollten? Das sollen Sie mir beantworten!

Kapke Ich weiß es nicht. Es kann durchaus sein, dass mir das der Uwe gesagt hat, als er weggefahren ist, aber ich weiß es nicht. Ich hab dazu keine Erinnerung.

Götzl Haben Sie mal Geld überbracht?

Kapke Ich kann’s Ihnen nicht sagen.

Götzl Haben Sie mal Geld bei Frau Böhnhardt abgeholt?

Kapke Da hab ich keine Erinnerung, dass ich das gemacht habe.

Götzl Frau Böhnhardt hat gesagt, dass Sie mindestens bei einer Gelegenheit Geld für die drei entgegengenommen haben.

Kapke In meinen Erinnerungen habe ich sie einmal gesehen in all den Jahren, ansonsten hab ich keine Erinnerung, dass ich da je irgendwas abgeholt habe.

Götzl Ich will jetzt noch mal bei dem System der Telefonzellen bleiben. Wie haben Sie denn gewusst, dass Sie zu bestimmter Zeit da sein sollten?

Kapke Meistens ist das bei einem Gespräch gleich verabredet worden. Wir hatten auch mal eine Dechiffriertabelle, die dann dechriffriert die Zelle und die Uhrzeit ausgegeben hat. Aber, wie gesagt, das ist so lange her.

Götzl Haben Sie nach der Flucht mal mit Frau Zschäpe gesprochen?

Kapke Kann ich nicht sagen. Aber ich nehme es an.

Götzl Ging es mal um das Thema Pässe?

Kapke Ist anzunehmen.

Götzl Wieso?

Kapke Ja, weil das dann ja Thema war. Aber was wir da genau gesprochen haben – das hab ich nicht.

Götzl Für wen sollten Sie Pässe besorgen?

Kapke Für die drei. Drei Pässe.

Götzl Hatten Sie Lichtbilder?

Kapke Irgendwann kamen Lichtbilder. Aber ich habe keine Ahnung (lacht). Ich hab da extrem viele große Lücken. Die groben Abläufe kann ich noch sagen, aber Detailfragen …

Götzl Wie gedrängt hat das denn mit den Pässen?

Kapke Es wird schon so gewesen sein: Ewig soll’s nicht dauern. Ich hab da keinen zeitlichen Ablauf.

(Kapke sagt, er habe schließlich leere Ausweispapiere erhalten, für die er 1000 oder 1500 D-Mark bezahlt haben will. Wer sie ihm gab, sagt er nicht.)

Götzl: Was will man mit leeren Pässen?

Kapke Ich dachte, wie sagt man so schön: Lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.

Götzl Schauen Sie, Herr Kapke, die Situation ist die: Die drei sind untergetaucht, wie soll es weitergehen? Sie sind einer der Handelnden. Wer war denn noch mit dieser Situation beschäftigt, mit wem haben Sie sich ausgetauscht?

Kapke Ich meine, dass ich mit Ralf drüber geredet habe, und weiß genau, dass ich mit Brandt drüber geredet habe. (Er meint Ralf Wohlleben und Tino Brandt.) Definitiv hab ich mit Brandt drüber geredet. Ich weiß nicht, ob da jemand mit war.

Götzl Haben Sie denn den Stand den dreien mitgeteilt?

Kapke Wäre logisch, ja. Nehmen Sie’s mir nicht übel, ich weiß es nicht mehr. Aber für mich erscheint das logisch. Na klar, das betrifft sie ja.

(Bevor die Befragung Kapkes weitergeht, stellen Zschäpes Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen einen der Richter.)

Verteidiger Heer Unsere Mandantin lehnt Herrn Richter Dr. Peter Lang wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Unmittelbar vor Beginn der Verhandlung um 9.47 Uhr betrat der abgelehnte Beisitzende Richter den Sitzungssaal und trug einen Aktenordner, beschriftet mit »HV NSU«. Indem der abgelehnte Richter entweder selbst diese Beschriftung gemacht hat oder sichtbar werden ließ, verdeutlicht er, dass er unserer Mandantin gegenüber nicht unvoreingenommen ist. Ein Mitglied des Senats darf angesichts des Gebots der Unparteilichkeit das Bestehen einer terroristischen Vereinigung namens NSU nicht als erwiesen erachten. Sonst macht er sich die massive Vorverurteilung unserer Mandantin in der Öffentlichkeit und durch staatliche Stellen zu eigen.

(Der Antrag wird an einem der folgenden Tage zurückgewiesen, da mit der Aufschrift »HV NSU« – gemeint ist »Hauptverhandlung NSU« – keine Vorverurteilung verbunden sei. Vielmehr handle es sich um eine stichwortartige Angabe des Prozessgegenstands. Die Befragung des Zeugen Kapke wird fortgesetzt.)

Götzl Gab es beim »Thüringer Heimatschutz« eine Diskussion über Gewaltanwendung?

Kapke Ja, das gab es ständig, was ja legitim ist. Man musste ständig damit rechnen, dass man angegriffen wurde von linker Seite. Aber zumindest ich persönlich kann mich an keine Diskussion in Richtung bewaffneter Kampf erinnern. Mag sein, dass da was gestreift wurde, aber das kam für mich sowieso nicht infrage.

Götzl Wer hat denn welche Position vertreten?

Kapke Sicherlich gab es Leute, die offensiver vorgehen wollten. Eine direkte Diskussion oder Planung, also nee, daran kann ich mich nicht erinnern. Es gab natürlich immer mal Leute, die sagten, man müsste Zellen bilden und blabla.

Oberstaatsanwalt Weingarten Das »Pogromly«-Spiel ist Ihnen ja bekannt. Haben Sie das mal gespielt?

Kapke Ja, aber das ist schon ewig her.

Oberstaatsanwalt Weingarten Geht es in dem Spiel um die paraindustrielle Vernichtung von Juden?

Kapke Was mir noch in Erinnerung ist: Die Bahnhöfe wurden durch KZs ersetzt.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wer hat das Spiel produziert?

Kapke Vom kreativen Faktor nehme ich an, der Mundlos.

Oberstaatsanwalt Weingarten Sagt Ihnen der Name Schultze etwas?

Kapke Schultze gibt’s ja nun wie Sand am Meer.

Oberstaatsanwalt Weingarten Carsten Schultze.

Kapke Ja. Den hab ich öfters mal gesehen. Er hat damals angefangen, ich will’s mal so nennen, sich politisch zu engagieren.

Oberstaatsanwalt Weingarten Und konkret: Unterstützung der Untergetauchten?

Kapke Da kann ich nichts zu sagen.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wissen Sie, ob er Aktivitäten entfaltet hat, den Untergetauchten zu dienen?

Kapke Es hat mir der Tino Brandt mal mitgeteilt, dass der Schultze mal auf ihn zugegangen sei. Und ich glaube, dass ich gesagt habe, dass mir das zu viele Leute sind, die involviert sind.

Oberstaatsanwalt Weingarten Der Angeklagte Carsten Schultze sagt, er sei von Wohlleben und Kapke angesprochen worden, den drei Untergetauchten zu helfen. Da fällt jetzt Ihr Name, Herr Kapke!

Kapke Ich kann mich nicht daran erinnern.

Oberstaatsanwalt Weingarten Ich würde Ihnen mal den Rat geben, sich einen Ruck zu geben.

Kapke Noch mal: Ich kann mich an dieses Gespräch nicht erinnern. Punkt. Aber es wird schon so sein, dass ich mit dem Ralf über verschiedene Dinge gesprochen habe. Ich will es nicht ausschließen.

Oberstaatsanwalt Weingarten Da haben wir doch schon was. Ich bitte jetzt, Ihre Erinnerung zu schärfen: Haben Sie mit Wohlleben über die Einbindung Dritter gesprochen?

Kapke Wir drehen uns im Kreis. Ich habe daran keine Erinnerung mehr. Gut möglich.

Oberstaatsanwalt Weingarten Weil die Hilfe für Untergetauchte so etwas ist wie jeden Morgen frühstücken? Ich glaub Ihnen das nicht! (Atmet tief durch.) Hat eigentlich Herr Wohlleben schlecht über Sie gesprochen in Verbindung mit der Veruntreuung von Geldern?

Kapke Nein, das war nicht so. Es gab Höhen und Tiefen wie in jeder Freundschaft.

Oberstaatsanwalt Weingarten Ist ein Tief gewesen der Vorwurf, dass Sie Geld, das für die Untergetauchten bestimmt war, 1998 in die eigene Tasche gewirtschaftet haben?

Kapke Da kann ich mich nicht erinnern.

Oberstaatsanwalt Weingarten Das hätte mich auch gewundert.

Der NSU Prozess

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