Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 105
Tag 87
Оглавление20. Februar 2014
Manfred Götzl, Richter. Max-Florian B., 36, Steinmetz-Meister. Er hatte das untergetauchte Trio zeitweise bei sich am damaligen Wohnort in Chemnitz aufgenommen. Jörn P., 44, Kriminalbeamter aus Gotha. Christian V., 34, Kriminalbeamter beim BKA. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe.
(Der Zeuge Max-Florian B. hat zwar recht umfangreich bei der Polizei ausgesagt, beruft sich nun aber, da noch ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft, auf das Auskunftsverweigerungsrecht. Uwe Mundlos hat sich im Untergrund als Max-Florian B. ausgegeben und einen entsprechenden Pass benutzt, wobei das Lichtbild Mundlos zeigte.)
Götzl Sind dann noch Fragen an den Zeugen? (Niemand meldet sich). Auf Wiedersehen.
(Es folgt einer der Beamten, die B. nach Entdecken des NSU am 7.11.2011 vernom men haben. Er wird hilfsweise gehört, um die Erkenntnisse aus der Vernehmung in den Prozess einzuführen.)
Jörn P. Der Herr B. war sehr aufgeregt oder angespannt. Wir haben ihm Bilder vorgelegt. Es ging um eine Kopie eines Passes, die ihm vorgelegt worden ist – wo sein Name drinstand, wo er aber gleich sagte, dass weder Körpergröße noch Augenfarbe übereinstimmen würden. Ansonsten ist noch herausgearbeitet worden, dass er Ende der Neunziger mal vorübergehend eine Frau und einen Mann bei sich aufgenommen habe – wobei er die Frau auch auf einem Foto erkannt hat. Der Mann auf dem Bild in dem Pass sei der Freund der Beate, der damals auch bei ihm übernachtet habe.
Verteidiger Stahl Sie sagten, dass er sehr aufgeregt gewesen sei. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Jörn P. Die Kollegen haben ihn bei der Arbeitsstelle abgeholt. Da war er sehr aufgeregt, aber das ist für uns eine typische Situation bei Durchsuchungen. Er ist sichtlich in sich zusammengebrochen. Er hat dann in der Küche gesessen. Es ging um die rechte Szene, mit der er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Mein Gefühl war, dass ihn die Vergangenheit einholte.
(Auch der nächst Zeuge war bei der Vernehmung B.s dabei.)
Christian V. Er war sehr aufgewühlt, es hat viele Überlegungspausen gegeben, es hat sich lange hingezogen. Zu Beginn sind wir aufs Persönliche eingegangen. Er berichtete von einer Fahrt nach Ungarn, dort ist er mitgefahren. Seine damalige Freundin Mandy Struck habe in der Zeit drei Personen bei ihm übernachten lassen. Er hat diese Personen dann auch kennengelernt, die Frau, so hat er sich erinnert, habe Beate geheißen. Er habe damals bei seiner Freundin gewohnt, und die drei allein in seiner Wohnung. Nach einem Monat hat er sich von Mandy Struck getrennt und ist wieder in seine Wohnung gezogen, wo sie dann für etwa einen Monat zu viert gelebt hätten. Das war die Grundsituation. Dann kamen wir relativ zügig zur Beschaffung des Reisepasses. Der intellektuellere Uwe – es wurde dann klar, dass das Mundlos war – hat an ihn herangetragen die Bitte, dass B. seinen Personalausweis zur Verfügung stellt, damit Mundlos damit einen Reisepass beantragen kann.
Eine Flucht ins Ausland, so B., sei Thema gewesen. Er habe dann seinen Ausweis zur Verfügung gestellt. Er war froh, als es im April zum Auszug kam und die drei seine Wohnung verlassen haben, weil ihm das alles zu viel wurde. Zunächst sagte er uns, dass die drei umgezogen seien in eine Plattenbausiedlung. Er sagte, es wäre schon noch zu regelmäßigem Kontakt gekommen, etwa ein, zwei Mal im Jahr habe ihn Mundlos angerufen und ein allgemeines Gespräch geführt. Er konnte nur relativ genau noch den letzten Anruf benennen, das war wohl Frühjahr/Sommer 2011. Zuerst habe er die drei im Jahr 2003 in Zwickau besucht, er sei auf Einladung von Herrn Mundlos gekommen. Dort habe er einen normalen Besuch abgestattet. Da hätten sie auch über den Pass gesprochen. Mundlos soll wohl gesagt haben, der Pass ist weg, und dass die Taten verjährt wären, man sich in Gesprächen befände mit Anwälten, es den dreien aber zu peinlich sei, wieder zurückzugehen nach allem, was passiert sei. Auffällig war, dass man sich in der Straße getroffen hat und dann hingelaufen ist zur Wohnung. 2004/05 habe es ein weiteres Treffen in Radebeul gegeben, dort sind die beiden Uwes zu Besuch gekommen, man hat Kaffee getrunken, sie seien normal gekleidet gewesen. Auffällig war wohl, dass viele Fragen zu seiner, B.s, Situation gestellt wurden. 2009/10 war der letzte Besuch, in der Wohnung des B. in Dresden. Sie seien wieder normal gekleidet gekommen, ohne Gepäck, ihm war es wichtig, dass seine Lebensgefährtin und die Kinder nicht anwesend sind. Man habe sich in der Küche getroffen und Kaffee getrunken und sich unterhalten. Ich meine, es sollen auch Geschenke für die Kinder mitgebracht worden sein. Nach der Ausweisgeschichte haben wir bei der Vernehmung ein Asservat vorgelegt, seine in der Frühlingsstraße aufgefundene Geburtsurkunde. Dort war ein Kurzlebenslauf notiert, Daten der Kinder, ich meine sogar Führerscheinnummer und Ähnliches. B.s Reaktion war relativ geschockt, er könne das nicht erklären. Aber er meinte dann, dass bei den Gesprächen die Daten abgefragt worden sein könnten.
Götzl Ging es mal um die Thematik Konto?
Christian V. Ja, es ging darum, dass ihm bewusst war, dass es bei der Commerzbank ein Konto auf seinen Namen gab, das nicht von ihm eingerichtet worden war. Darüber sei wohl eine Wohnung angemietet worden. Er habe Mundlos aufgefordert, das Konto zu kündigen.
Götzl Hat auch das Thema Waffen eine Rolle gespielt?
Christian V. Ja, er hat das, meine ich, eigeninitiativ erzählt, dass er mal in den ersten beiden Monaten eine Waffe in der Tasche der beiden gesehen hat. Er beschrieb einen kleinen, halb gebogenen Griff, er habe aber aus Angst nicht weiter nachgefragt.
Ich weiß noch, dass er deutlich aufgeräumter wirkte am zweiten Tag der Vernehmung. Er hat ohne Nachfrage angegeben, dass ihm klar wurde, dass er eine Art Doppelleben geführt habe, dass er sich ein Konstrukt aufgebaut habe. Er sei bestürzt, was in seinem Namen für Taten begangen worden seien. Im weiteren Verlauf sind wir auf seine damalige Freundin Mandy Struck eingegangen. Sie sei in der rechten Szene gewesen. Eine Unterbringung der drei bei anderen, vermutete er, hätte zu auffällig sein können. Und dass er als Neuling deshalb ausgewählt worden sein könnte. Wir haben über André Eminger gesprochen, und er meinte, er habe ihn auf einem Konzert kennengelernt – und dass Herr Eminger auch wusste, dass die drei bei ihm in der Wohnung lebten. Er sagte, zu Herrn Eminger habe er früher freundschaftlichen Kontakt gehabt, das sei 2000/2001 eingeschlafen. Er konnte dann noch eine SMS hervorholen, das war, glaube ich, eine Weihnachts-SMS 2010. Die hat ihm von der Wortwahl her nicht gefallen, dass er gar nicht drauf geantwortet hat. Im Frühjahr/Sommer 2011 habe Eminger ihn angerufen und um ein Treffen gebeten. Das hat B. seinen Angaben zufolge abgeblockt, weil er das nicht wollte. Eminger habe wohl gefragt, ob er noch Kontakt habe zu Leuten von früher, das habe B. verneint. B. hat noch erklärt, dass er beschämt sei über das, was passiert sei, und alles erzählen wolle, was er wisse. Er hatte bei seinen Vernehmungen auch nie einen Anwalt dabei.