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Tag 88
Оглавление25. Februar 2014
Manfred Götzl, Richter. Ingeborg H., 60, betreibt in Chemnitz eine Wohnmobilvermietung. Karsten R., 45, Kriminalbeamter in Kassel. Steffen B., 49, Kriminalbeamter beim LKA Thüringen.
Götzl Es geht uns um Wohnmobilvermietungen an eine Person namens Gerlach. Was können Sie berichten?
Ingeborg H. Wir haben durch die Polizei erfahren, dass dieser Holger Gerlach bei uns jahrelang Reisemobile gemietet hat.
(Laut den Ermittlungen wurden die Wohnmobile von Uwe Böhnhardt unter Gerlachs Namen angemietet.)
Götzl Erzählen Sie einfach mal weiter.
Ingeborg H. Es war für uns ein völlig unauffälliger schüchterner Mann. Wir hätten nie vermutet, dass dieser Mann so einen Hintergrund hat. Die Fahrzeuge kamen immer ordentlich zurück. Nur einmal ist ein Wohnmobil unsauber und schmutzig zurückgekommen. (Es war am 27. April 2007, zwei Tage nach dem Mord an Michèle Kiesewetter. Das Wohnmobil ist am Tattag 20 Kilometer vom Tatort in Heilbronn entfernt bei einer Ringfahndung registriert worden, was aber erst viel später auffiel.) Wir hatten keinen Anlass, Misstrauen zu haben.
(Der nächste Zeuge ist ein Beamter, der über die Vernehmungen des Irakers Hamadi S. aussagen soll, der am 6.4.2006 während des Mordes an Halit Yozgat in dessen Internetcafé in Kassel telefonierte und von dem Mord nichts mitbekommen haben will. Das Gericht hat vergeblich versucht, S. selbst vorzuladen. Er soll wieder im Irak leben, die Adresse war nicht zu ermitteln. Der Beamte hatte S. im Jahr 2006 befragt.)
Karsten R. Ich habe Hamadi S. am Tattag gegen 21 Uhr vernommen. Er hat angegeben, dass er 2001 wegen eines Asylantrags nach Deutschland gekommen sei, im Irak hätte er Ökonomie und Verwaltung studiert und in einem Supermarkt gearbeitet. Er hat recht gut Deutsch gesprochen, nicht fließend, aber recht gut. Zu dem Sachverhalt hat er angegeben, dass er die Nacht bei seiner Cousine verbrachte, er hatte ein Probearbeitsverhältnis unweit des Tatorts in Aussicht. Mittags wollte er telefonieren, er hat den Arbeitgeber gefragt, ob er von dort telefonieren könnte. Der gab den Hinweis auf den Telefonladen. Dort sei er mittags hingegangen und hat die Cousine angerufen. Da war der Vater Yozgat im Geschäft, dann ging der Zeuge wieder zu der Arbeit. Nachmittags ging es mit einem Bekannten aus den Niederlanden um ein Fahrzeuggeschäft. Deshalb ging er noch mal in das Internetcafé. (Der Beamte zeigt an einer Skizze, wo sich S. in dem kleinen Internetcafé aufgehalten haben soll.) Er ist zunächst zu dem Tresen gegangen, das muss kurz vor 17 Uhr gewesen sein, Kabine 3 wurde freigeschaltet. Ein großformatiges Poster nahm ihm die Sicht nach draußen, er hat telefoniert und stand mit dem Rücken zu dem späteren Tatgeschehen. Er hat insgesamt vier Mal telefoniert. Er hat geschildert, dass er unheimlich beschäftigt war mit dem Code der Telefonkarte. Er hat dann von Knallgeräuschen, wie vom Platzen eines Luftballons, gesprochen. Ein dumpfes Geräusch auch. Er war darauf aufmerksam geworden, hat aus den Augenwinkeln eine Person gesehen und gemeint – sicher war er nicht –, dass diese aus dem Internetcafé rausging. Diese Person beschrieb er als circa 1,80 Meter groß, kräftig und mit heller Kleidung, eventuell langhaarig. Als er mit den Telefonaten fertig war, konnte er keine Person mehr feststellen. Er hat angegeben, circa einen bis 1,50 Meter vom Tresen weg gewesen zu sein, auf dem Tresen sei ihm auch nichts aufgefallen. Er sei dann in den hinteren Bereich des Ladens gegangen. Er hatte Stimmen dort vernommen. Er hat nach dem Inhaber gefragt, die andern Kunden wussten es nicht. Er sei dann nach vorne gegangen, dann sei Yozgat senior gekommen, den hat er gefragt, der sagte, der Sohn müsste da sein – und erst Yozgat senior hat den Sohn dann aufgefunden. Ob er denn da gar nichts gesehen hätte, fragten wir. Er sagte, er habe gar nichts gesehen. Den Verstorbenen habe er nicht gesehen.
Götzl Haben Sie gefragt, ob er Blut gesehen hat?
Karsten R. Er sagte, er hätte das nicht gesehen. Herr S. ist nicht sehr groß, Augenhöhe 162 cm. Von daher halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass er tatsächlich nichts gesehen hat hinter dem Tresen. Es kann tatsächlich so gewesen sein.
(Auch der nächste Zeuge ist ein Beamter, der eine Vernehmung bei der Polizei schildern soll; in diesem Fall die Vernehmung von Andreas Schultz, der als Kompagnon von Frank Liebau einen rechten Szeneladen in Jena betrieb und bei der Polizei gestanden hat, eine Waffe verkauft zu haben, mutmaßlich die Česká-Pistole. Schultz hatte an Tag 79 vor Gericht von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.)
Steffen B. Herr Schultz schilderte kurz seine Vita. Ihm wurde vorgehalten, dass er Ralf Wohlleben eine Waffe besorgt habe. Er äußerte sich, dass das nicht stimme. Allerdings habe Wohlleben ihn zusammen mit einem Begleiter nach einer scharfen Waffe gefragt, er habe sie an die Jugoslawen in der Spielothek verwiesen. Die könnten ihnen eine Waffe besorgen. Während der Vernehmung ist er ermahnt worden, bei der Wahrheit zu bleiben. Daraufhin sagte er nach Bedenkzeit: Ich hab dem die Scheißknarre besorgt. Ja, es sei richtig, Wohlleben sei im Laden gewesen. Als die Waffe dann da war, habe er sie dem Begleiter von Wohlleben für 2000 Mark übergeben, es sei eine Waffe osteuropäischer Herkunft gewesen, und eine Schachtel mit circa 50 Patronen sei dabei gewesen. Er habe sie dem Carsten Schultze, in ein Tuch eingewickelt, im Pkw übergeben, damit war das Geschäft für ihn erledigt. Dies sei 1999 oder 2000 gewesen.
Götzl Wie verhielt sich Andreas Schultz während der Vernehmung?
Steffen B. Ihm war die Sache sichtlich unangenehm, er verhielt sich kooperativ, das hat ihn aber nicht davon abgehalten, uns zunächst zu belügen.
Götzl Fiel der Name Frank Liebau?
Steffen B. Auf Nachfrage sagte er, Wohlleben sei erst bei Liebau gewesen, und der habe Wohlleben an ihn verwiesen.
Götzl Hat er den Carsten Schultze bei der Lichtbildvorlage erkannt?
Steffen B. Er hat ihn, ohne dass er den Namen wusste, erkannt. Damals wäre er rumgelaufen wie ein Hitlerjunge, mit Scheitel und kurzen Haaren und braunem Hemd.
Götzl Hat er die Waffe beschrieben?
Steffen B. Er konnte sich erinnern, dass da entweder ein tschechischer Aufdruck war oder etwas in kyrillischen Buchstaben.
Götzl Welchen Betrag haben Sie in Erinnerung? Sie sagten vorhin 2000 Mark.
Steffen B. 2500 D-Mark vom Abholer.
Götzl Was hat er jetzt an der Waffe verdient?
Steffen B. Ich denke, 500 Mark. 2000 D-Mark hat er bezahlt und für 2500 D-Mark hat er sie weitergegeben.
Götzl Ist denn nach den Angaben von Herrn Schultz über den Verwendungszweck der Waffe gesprochen worden?
Steffen B. Nach seinen Angaben nicht. Er habe auch nicht danach gefragt. Aber er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine scharfe Waffe besorgt werden sollte und keine Spielzeugwaffe. Die Frage, ob Frank Liebau Wohlleben an ihn vermittelt habe, hat er bejaht. Er sagte auch, dass Liebau nichts von dem Geschäft wusste und von ihm auch nichts über die Waffenbeschaffung erfahren habe. Und Schultz sagte, das es die einzige Waffe gewesen sei, die er jemals verkauft oder besorgt hat.