Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 119
Tag 101
Оглавление2. April 2014
Manfred Götzl, Richter. Thomas Müller, ehemals Starke, 46, Installateur, früher führender Rechtsextremist in Chemnitz und nach eigenen Angaben zeitweise liiert mit Beate Zschäpe. Ralf B., 40, Kriminalhauptkommissar beim BKA. Er trat auch an den Tagen 97 und 109 auf.
Götzl Es läuft ein Ermittlungsverfahren bei der Bundesanwaltschaft gegen Sie. Sie haben ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht.
Müller Ich nehme von meinen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. (Zeuge ab.)
(Nun soll der Zeuge Ralf B., der Thomas Starke 2012 beim BKA vernommen hat, Auskunft darüber geben, was Starke damals in der Vernehmung gesagt hat.)
Ralf B. Wir haben eine Durchsuchung bei Herrn Starke durchgeführt. Zuvor ist er von Observationskräften am S-Bahnhof in Dresden angesprochen worden. Er ist freiwillig mitgekommen. Bei der Durchsuchung wurden Computer sichergestellt, Handys, eine Urkunde der »Weissen Bruderschaft Erzgebirge« zur Teilnahme an einem 30-Kilometer-Marsch, ein Hausverbot für die KZ-Gedenkstätte Buchenwald aus dem Jahr 1996, eine Schreckschusspistole. Er wurde belehrt. Er hat zu allen Fragen Angaben gemacht, aber nicht vollständig. Im Laufe der Vernehmung wurden die Angaben deutlich ergänzt. Es war eine komplexe Vernehmung. Er war Kfz-Schlosser bei der Deutschen Reichsbahn, 1994 wurde er inhaftiert wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch, dann war er arbeitslos. Zuletzt war er in der Nähe von Dresden fest angestellt.
Er sollte das Kennenlernen des Trios schildern: 1991 oder 92 habe er sie erstmals auf einem Oithanasie-Konzert (Name einer Neonazi-Band) getroffen. Mit mehreren Wagen sei man von Chemnitz hingefahren. Es habe Kontakt über Stefan Apel, den Cousin von Zschäpe, bestanden. Dann sei ein Kontakt entstanden zu den Jenaern. In seiner Haftzeit sei der Kontakt intensiver geworden. Das Trio hatte ihn auch in der Haft besucht. Frau Zschäpe war auch dabei.
Er sagte, mit Beate Zschäpe habe er ein Techtelmechtel gehabt, Ende 1996 bis April 97 hätten sie ein Verhältnis gehabt. Keine feste Beziehung. Die beiden Uwes seien nicht eifersüchtig gewesen. Uwe Mundlos war mit Zschäpe zusammen, als er das Trio kennengelernt hat. Nach seiner Haftentlassung war sie mit Uwe Böhnhardt zusammen. Starke hätte sich mehr vorstellen können, das sei für Zschäpe nicht infrage gekommen, auch zusammenzuziehen kam für sie nicht infrage. Die hätte nur die Uwes im Kopf gehabt. Es habe ihn genervt, dass die beiden ständig dabei waren. Mundlos habe ihn angesprochen, ob er Sprengstoff beschaffen könne. Starke sagte, er wolle sich umhören. Jörg W. habe mal mit Sprengstoff experimentiert auf einem Truppenübungsplatz. Ein Giso T. brachte es dann vorbei, circa 500 Gramm im Schuhkarton. Mundlos hat es abgeholt. Später habe sich Mundlos gemeldet und gesagt, er wisse nicht, wie man das zünden sollte. Starke sagte in der Vernehmung, er habe ein mulmiges Gefühl gehabt, und als er mehr beschaffen sollte, habe er es nicht getan. Er erinnerte sich, dass Mundlos ihn auch nach einer Waffe gefragt habe. Starke hatte Angst vor seinen ehemaligen Kameraden. Er wollte von uns Vertraulichkeit zugesichert bekommen, die bekam er aber nicht. Er hat trotzdem mit uns gesprochen.
Zum Untertauchen: Das hat er uns erst mal in abgespeckter Version erzählt, sie seien bei ihm zu Hause aufgetaucht. Sie bräuchten einen Pennplatz, weil sie wegmüssten. Sie hätten keinen genauen Grund genannt. Er hätte früh rausgemusst, dann rumtelefoniert. Erfolg hatte er bei Thomas Rothe, der habe zugestimmt, dass die eine Nacht bei ihm schlafen. Starke hat dann ergänzt, er habe das Trio selbst zu Rothe gefahren, dort hätten sie länger gelebt. Nach vier Wochen seien sie raus und bei Max-Florian B. untergekommen. Starke besuchte drei Mal die drei. Mundlos war sauer, dass er ein Handy mitbrachte.
Jan Werner (ein anderer Rechtsextremist aus Chemnitz, der ebenfalls als Zeuge im NSU-Prozess befragt wurde) rief nach der Explosion im November 2011 in der Frühlingsstraße Thomas Starke an, er solle sich die Bild-Zeitung kaufen. Werner und Starke hätten sich in Dresden getroffen. Werner könne nicht glauben, dass sich die beiden Uwes selbst erschossen haben. Werner habe gesagt, die zwei Uwes seien ganz schön krass drauf. Hätten ihm eine Waffe an den Kopf gehalten. Und gesagt, er solle aufpassen, wem er was erzähle. Bei dem Besuch sei von Zschäpe nicht die Rede gewesen.
(Der Zeuge berichtet nun von einer weiteren Vernehmung Starkes im Februar 2012 und über die Angaben, die er zu Beate Zschäpes politischer Einstellung gemacht habe.)
Zschäpe wollte, dass er mehr Einfluss auf die Chemnitzer nimmt, damit die mehr Aktivitäten machen. Ruhig und verschlossen sei sie gewesen, Alkohol und Drogen waren ein rotes Tuch für sie, ihr Lebensinhalt war die Gruppe, die Kameradschaft, der Thüringer Heimatschutz. Ohne die Uwes war mit ihr nichts los, sagte er. Bei rechten Themen sei sie munter geworden.
(Die Verteidigung von Beate Zschäpe verlangt eine Unterbrechung der Verhandlung. Die Mandantin sei nicht verhandlungsfähig. Ein Arzt wird gerufen, um Zschäpe zu untersuchen. Dieser gibt an, Zschäpe habe ihm berichtet, dass sie unter Kopfschmerzen leide, dass sie müde und unkonzentriert sei. Sie sehe sich nicht in der Lage, dem Gang der Verhandlung zu folgen. Ihr Puls sei normal, sie habe eine ausgeprägte Blässe. Die Verhandlung wird an diesem Tag nicht fortgesetzt.)