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Tag 103
Оглавление8. April 2014
Manfred Götzl, Richter. Anja S., 32, Studentin, lebt in England
Götzl Es geht uns um Ihre frühere Beziehung zu André Eminger. Erzählen Sie bitte von sich aus.
Anja S. Ich war fünfzehn, ich hab den André in Breitenbrunn kennengelernt, 1997, ich denke, es war im Spätsommer, da war Kirmes, Hexenfeuer. Wir saßen alle ums Feuer, dann hat man angefangen, sich zu unterhalten. Ein paar meiner Freundinnen kannten ihn. Und dann waren wir zusammen, als Paar oder wie man das so bezeichnet. Mein Vater hat das mitbekommen, fand es nicht so toll und hat mir das verboten, dass ich den André sehe. Mit fünfzehn dachte ich mir: Jetzt erst recht.
Götzl Vielleicht versuchen Sie, uns André Eminger zu beschreiben.
Anja S. Unheimlich lieb und nett. Es gab nichts, was der André nicht gemacht hätte für mich. Sehr loyal. (Eminger grinst.) Wir haben uns fast nie gestritten. Allerdings: Wie er sein Leben geführt hat … also, eine Familie hätte ich mit dem André nicht gründen können.
Götzl Vielleicht versuchen Sie, es zu beschreiben.
Anja S. Er war extrem in den Ansichten, was okay war und nicht okay war. Da kann man sein Leben nicht leben, wenn das alles so beschränkt ist. Da hatte ich keine Lust mehr.
Götzl Wie waren denn die Ansichten?
Anja S. Es ist so schwer, das in Worte zu fassen. Er war natürlich schon im rechten Spektrum – um ehrlich zu sein, oben im Erzgebirge finden Sie mal jemanden, der das nicht ist! Es wurde immer viel geschimpft, viel Ausländerfeindlichkeit, viel Politik, es wurde in der Vergangenheit rumgegraben. Ja, ich hab das nie für voll genommen, ich habe gedacht, dass das viel Gerede ist und die da rauswachsen. Aber als ich mich von ihm trennte, habe ich gedacht: Wenn ich in die Disco gehen will und tanzen will, mach ich das. Ich muss mir nicht die Freunde danach aussuchen, dass sie die richtige Hautfarbe haben. Mit André: Viele tolle Sachen haben wir nicht unternommen. Er hatte im Prinzip zu allem eine Meinung, es war halt alles relativ festgefahren.
Götzl War relativ festgefahren – vielleicht, dass wir daran anknüpfen: welche Themen, welches Verhalten Sie damit beschreiben?
Anja S. (kratzt sich am Kopf) Hm. Also, im Prinzip, es war ja alles schlecht, was nicht total deutsch war. Er hatte dann ja mehr und mehr Kontakt mit Leuten in Chemnitz. Dann sind wir auch zusammen zur Mandy (Gemeint ist Mandy Struck. Sie sagte an den Tagen 89, 90 und 105 aus.) nach Hause gefahren, haben Filme geguckt. Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir viele politische Unterhaltungen geführt haben. Ich habe die drei ja auch kennengelernt, die Frau Zschäpe, den Herrn Böhnhardt und den … fällt mir jetzt nicht ein. Ich weiß nur, dass wir in die Wohnung gefahren sind, André war dabei. Wie wir uns vorgestellt wurden, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ob mir die Frau Zschäpe als Beate vorgestellt wurde, weiß ich nicht mehr. Aber auf der BKA-Webseite habe ich sie dann wiedererkannt. Was mir wohl klar war, dass sie sich verstecken und den Ball flachhalten mussten für eine Weile.
Götzl Wie oft waren Sie in der Wohnung, wo die drei waren?
Anja S. Ein paar Mal war ich da, es kann drei Mal gewesen sein oder fünf bis sechs Mal.
Götzl Und zu welchem Zweck?
Anja S. Besuchen, wirklich besuchen. Hinfahren und mit denen ein bisschen Zeit verbringen. Ich glaube, manchmal hat er auch den Einkauf mit vorbeigebracht. So praktische Sachen. Das muss passiert sein Mitte 1998, vielleicht sogar ein bisschen später schon, ich weiß, dass ich schon gearbeitet habe, und ich habe im September 98 meine Lehre angefangen. Ich war sechzehn, ich war fast noch ein Kind, da frage ich die auch nicht: He, was habt denn ihr verzapft?