Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 120
Tag 102
Оглавление3. April 2014
Manfred Götzl, Richter. Ilona Mundlos, 63, Rentnerin, Mutter von Uwe Mundlos.
Götzl Erzählen Sie doch bitte ein wenig von der Entwicklung Ihres Sohnes Uwe.
Mundlos Der Uwe war im Kindergarten, dann in der Schule bis zur 10. Klasse, danach hat er EDV-Kaufmann gelernt und war in der Armee. Da hatte er auch seine eigene Wohnung.
Götzl Wie war denn das Verhältnis zu Ihnen und Ihrem Mann?
Mundlos Ich bin verheiratet seit 44 Jahren. Wir sind eigentlich … oder: Wir waren eine glückliche Familie. Uwe war hilfsbereit und offen. Ich müsste schwindeln, um zu sagen, er war ein böses Kind. Er hat bis 1997 in Jena-Winzerla gewohnt, zusammen mit seinem Bruder im Zimmer. Unser zweiter Sohn, Robert, ist schwerstbehindert, Rollstuhlfahrer.
Götzl Wie war das Verhältnis der Brüder?
Mundlos Sehr liebevoll, sie haben die Hände gehalten beim Einschlafen.
Götzl Wie war das Verhältnis Ihres Mannes zu seinem Sohn Uwe?
Mundlos Mein Mann hat sich mehr um den Uwe gekümmert, ich mehr um unseren zweiten Sohn. Und ich habe dreißig Jahre in der Kaufhalle gearbeitet, immer Spätschicht von 14 bis 22 Uhr. Zwischendurch hab ich Essen gekocht, den Robert abgeholt und bin dann zur Arbeit.
Götzl Wie war das Verhältnis zu Beate Zschäpe?
Mundlos Sie war ein liebes, nettes Mädchen. Ich hatte nichts gegen sie. Sie war freundlich zu mir, sie hat zugehört. Und mit Uwe hat sie sich auch gut verstanden. Nie gestritten, außer bei den Springerstiefeln – das hat der Beate nicht gefallen. Sie sagte: Uwe, zieh dich um, so können wir nicht gehen. Sie wollte in die Disco. Auf sie hat er gehört. Uwe hat sie vergöttert, es war seine erste Freundin.
Götzl Wie lang hat die Beziehung gedauert?
Mundlos 1992/93 ging es los und so 1995 war Schluss. Da hat Beate mit ihm Schluss gemacht. Uwe hat gesagt, sie hat einen anderen. Den Uwe Böhnhardt.
Götzl Kannten Sie Uwe Böhnhardt?
Mundlos Ich glaube, vom Sehen. Aber ich habe mich nicht mit ihm unterhalten. Höchstens Hallo gesagt.
Götzl Welche Kleidung trug Ihr Sohn?
Mundlos Er hatte Fliegerjacken, die hab ich ihm 1989 gekauft, später eine schwarze Jacke. Ich fand das schick. Die gab es nicht in der DDR, ich kannte die Bedeutung nicht, fand sie praktisch, man konnte die waschen und musste nicht bügeln. Heute weiß ich, was es ist.
Götzl Haben Sie Ihren Sohn noch mal gesehen, bevor er untergetaucht ist?
Mundlos Uwe kam am Montag in die Kaufhalle: »Mutti, es ist was Schlimmes passiert, ich muss fort.« Er brauche Geld. Ich gab ihm meine EC-Karte und sagte: Bring sie mir aber wieder. Am Dienstag kam eine Juliane und fragte, ob sie die behalten kann. Am Mittwoch kam er wieder in die Kaufhalle. Er sagte, er will sich verabschieden, er verschwinde jetzt. Er war sehr, sehr aufgeregt. Die haben eine Garage entdeckt, und darauf würden sieben Jahre Gefängnis stehen. Mit den Waffen hab ich nichts zu tun, sagte er. Er habe mehr Schreibzeug drin gehabt. Das dauere zehn Jahre, dann sei das verjährt, dann könne er wiederkommen. Das waren seine letzten Worte. Ich habe jeden gefragt: Wisst ihr, wo Uwe ist? Wisst ihr, wo Uwe ist? Habt ihr was gehört? Habt ihr was gehört. Ich habe auch Frau Zschäpe (Zschäpes Mutter) gefragt: Hast du was gehört? Nein. Wenn jemand von uns was weiß, sagen wir uns Bescheid, das haben wir ausgemacht. Ich habe auch die Böhnhardts gefragt, ich hatte das Gefühl, die haben Kontakt zu ihnen. Irgendwann hat die Mutter gesagt, dass sie telefonisch Kontakt haben, dass ihr Uwe in einer Telefonzelle angerufen hat. Das habe ich mir gemerkt, weil ich das so außergewöhnlich fand. Ich wusste gar nicht, dass man eine Telefonzelle anrufen kann. Aber die Böhnhardts haben auch sehr, sehr wenig erzählt.
Götzl Konnten Sie einordnen, was er mit der Garage meinte?
Mundlos Ich dachte, es ist Unsinn, dass er geht. Ich dachte, das kann man klären. Ich hatte meine Arbeit in der Kaufhalle, war im Kittel. Ich hab nicht geglaubt, dass es das allerletzte Mal sein sollte, dass wir uns sehen. Ich war allein, ich hatte Kunden an der Theke.
Götzl Mit wem ist er geflüchtet?
Mundlos Ich glaube, er hat mir gesagt, dass Beate und Uwe Böhnhardt mitgehen. Ich musste das Fleisch abdecken, hatte noch zu tun. Ich wollte kein Gespräch von zwei, drei Stunden führen.
Götzl Wussten Sie denn, dass die Polizei gegen Ihren Sohn ermittelt?
Mundlos Erst durch die Zeitung. Uwe sagte mir, dass der Uwe Böhnhardt nie wieder ins Gefängnis will. Er sei dort misshandelt worden, mit einem Besenstiel im Po.
Götzl Welche Erinnerung haben Sie an den 5. November 2011?
Mundlos Gegen acht Uhr morgens klingelte das Telefon: Hier ist die Beate. Welche Beate? Na, die Beate vom Uwe. Ich habe ihre Stimme nicht erkannt. Es ist was Schlimmes passiert, sagte sie. Uwe ist tot. Der Uwe ist nicht mehr, der Uwe lebt nicht mehr. Was ist denn passiert, fragte ich. Das mit Eisenach. Machen Sie mal den Fernseher an und gucken die Nachrichten. Wir sind sofort zur Polizei gegangen.
Götzl Was hat sie gesagt, wie Ihr Sohn und Uwe Böhnhardt zu Tode gekommen sein sollen?
Mundlos Sie sagte: Die haben sich in die Luft gesprengt.
Götzl Was hat sie noch gesagt?
Mundlos Dass Uwe uns lieb hat und blabla. Ich. Ich fragte noch, Beate, rufst du uns noch mal an? Nein sagte sie. Nein, ich rufe nie wieder an und komme auch nie wieder zurück.