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c) Die Teilung der Schrifttexte in zwei Klassen und deren ausschließliche Beziehung auf die eine oder andere Natur. Leugnung der Communicatio idiomatum161

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.Wie die ganze antiochenische Schule, so teilte auch Theodoret die Schrifttexte in zwei Klassen; er unterschied genau zwischen dem, was der göttlichen Natur, und dem, was der menschlichen Natur zuzuschreiben ist. Die Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?162” und „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber163!” und „Vater, errette mich aus dieser Stunde164!” die Erklärung: „Jene Stunde kennt niemand, nicht einmal der Menschensohn165”, solche und ähnliche Äußerungen, die von Christus selbst oder von den Aposteln über ihn gesagt und geschrieben worden sind, können (nach Theodorets Meinung) unmöglich vom Logos ausgesagt werden. Wem sollen wir ferner Hunger und Durst166, Ermüdung und Schlaf167, Unwissenheit und Furcht zusprechen? Wer bedurfte der Hilfe der Engel168? Alle diese Dinge und Ausdrücke, welche von der Selbsterniedrigung Christi handeln, sind von der Knechtsgestalt, nicht von der Gottesgestalt zu nehmen169. Wie sollte der Logos nicht gewußt haben, ob es möglich sei, daß der Kelch vorüber gehe, da er doch den Zweck seiner Menschwerdung genau kannte und zu diesem Zweck in die Welt gekommen war und die menschliche Natur angenommen und sich selbst erniedrigt hatte? So etwas zu behaupten, ist ja die reinste Gotteslästerung170. Sagt doch der Heiland zu seinen Aposteln: Sehet, wir steigen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird in die Hände der Heiden überliefert werden, auf daß sie ihn verspotten, geißeln und kreuzigen, aber am dritten Tage wird er wieder auferstehen171. Während Abraham lange Zeit vorher den Tag des Erlösers vorausgesehen und sich darauf gefreut, während Isaias dessen erlösendes Leiden vorherverkündigt hat und ebenso Jeremias, Daniel, Zacharias und die ganze Reihe der Propheten, soll allein der Logos es nicht gewußt, um Errettung gefleht und um Abwendung dessen gebeten haben, was zum Heile der Welt geschehen sollte? Ist das nicht absurd? Die angeführten Worte sind also nicht Worte des Gottes Logos, sondern solche der Knechtsgestalt, welche den Tod fürchtet und welcher der Logos gestattete, sich zu fürchten und solche Worte auszusprechen, damit der Sohn Abrahams und Davids nicht für ein Produkt der Phantasie gehalten werde172. Wir werden deshalb die gottgeziemenden Worte und Taten dem Gott Logos zuschreiben, jene Worte und Werke dagegen, welche sich auf die Erniedrigung beziehen, werden wir der Knechtsgestalt zueignen, damit wir nicht in dieselbe Krankheit und Gotteslästerung verfallen wie Arius und Eunomius173.

Theodoret weigert sich insbesondere, das Leiden vom Logos auszusagen. „Die Leiden sind Sache des leidensfähigen Wesens, denn der Leidensunfähige (Gott) ist über die Leiden erhaben.” Es litt also die Knechtsgestalt, während die Gottesgestalt ihr gestattete zu leiden wegen des aus dem Leiden sprossenden Heiles, wobei die Gottesgestalt die Leiden der Knechtsgestalt wegen der Vereinigung zu den ihrigen machte174. Es litt also nicht Christus, sondern der Mensch, der von Gott aus uns Menschen angenommen worden ist175.

Theodoret verweist für diese seine Meinung auf einzelne Stellen der Hl. Schrift, in denen ausdrücklich der Mensch als Subjekt des Leidens bezeichnet wird. So heißt es beim Propheten Isaias: Ein Mensch, der verwundet ist und Schwäche zu leiden versteht176. Und der Herr selbst spricht zu den Juden: „Warum wollt ihr mich töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit gesagt hat?”177 Es wird aber nicht der Logos, der das Leben selbst ist, getötet, sondern derjenige, der eine sterbliche Natur hatte. Dasselbe lehrt der Herr an einer anderen Stelle, wenn er zu den Juden spricht: Zerstöret diesen Tempel, und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten178. Aufgelöst wurde nun der Sprosse Davids, aufgerichtet aber hat ihn der eingeborne Logos Gottes, der παθς [apathōs] aus dem Vater vor allen Zeiten gezeugt worden ist179.

Durch diese scharfe Unterscheidung zwischen dem, was der göttlichen, und dem, was der menschlichen Natur zukommt, verriegelte sich Theodoret den Zugang zu einer dem kirchlichen Glauben entsprechenden wissenschaftlichen Erfassung und Erklärung des Geheimnisses der Inkarnation. Diese schroffe Trennung schloß die Leugnung der communicatio idiomatum in sich, machte die menschliche Natur Christi zum selbständigen Subjekt oder principium quod der menschlichen Tätigkeit und damit zu einer eigenen menschlichen Person neben der göttlichen Person des Logos und ließ eine wirkliche, innere, persönliche oder hypostatische Union nicht aufkommen. Sehr schön und richtig entgegnete daher Cyrill dem Theodoret: Wenn nach deiner Ansicht derartige Äußerungen nicht dem göttlichen Logos, sondern ausschließlich der Knechtsgestalt zugeschrieben werden dürfen, trennst du da nicht den einen Sohn in zwei Söhne180? Und an einer anderen Stelle sagt er: Wir leugnen nicht die Verschiedenheit der Ausdrücke; die einen beziehen sich auf Gott, die anderen mehr auf die menschliche Natur; aber sie dürfen nicht auf zwei gesonderte Personen verteilt werden, sondern es ist nur ein Christus, und da derselbe Gott und Mensch zugleich ist, so kann er auf gottgeziemende und auf menschliche Weise reden. Alles aber ist Sache des einen Christus, sowohl das Gottgeziemende wie auch das Menschliche181.

Die ausschließliche Beziehung der Schriftstellen auf die eine oder andere Natur stand auch im Widerspruch mit der überlieferten Glaubenslehre, daß Gott für uns gestorben sei und durch seinen Tod uns erlöst habe. Damit war auch die Erlösung des Menschengeschlechtes in Frage gestellt, da nach Theodoret nur ein Mensch für uns gelitten hat, nicht aber Gott, und ein bloßer Mensch uns nicht erlösen konnte182. Für Theodoret besteht jedoch diese Schwierigkeit nicht. Denn nach ihm hat die Gottesgestalt infolge der Vereinigung die Leiden der Knechtsgestalt zu den ihrigen gemacht183. Nun könnte ja der Logos die Leiden des von ihm angenommenen und mit ihm aufs innigste und freundschaftlichste vereinigten Menschen in gewisser Beziehung als seine eigenen betrachten, aber innerlich begründet ist eine solche Aneignung nicht; sie könnte nur als ein aus dem freien Wohlgefallen des Logos hervorgehender Akt zu denken sein. Dagegen ergibt sich eine solche Beziehung des erlösenden Leidens und Sterbens auf den Logos mit innerer, logischer und ontologischer Konsequenz, wenn die menschliche Natur Christi keine eigene Persönlichkeit ist, nicht sich selbst, sondern dem Logos angehört, wenn also der Logos zwei Naturen besitzt und durch beide wirkt, durch die göttliche das Göttliche und durch die menschliche das Menschliche, und wenn er mit seiner menschlichen Natur auch leidet und stirbt. Dann hat das Leiden Christi wegen der unendlichen Würde der leidenden göttlichen Person unendlichen Wert und ist hinreichend zur Erlösung der ganzen Welt. Aber an einer solchen innerlich begründeten Erlösungstheorie hinderte unseren Theodoret die genannte schroffe Scheidung der von Christus handelnden Schriftstellen in zwei Klassen und deren ausschließliche Beziehung auf die eine oder andere Natur, oder was dasselbe ist, die Leugnung der communicatio idiomatum, das πρτον ψεδος [prōton pseudos] der antiochenischen Christologie.

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