Читать книгу Dein innerer Ernährungsberater - Thomas Frankenbach - Страница 7
ОглавлениеDIE SOMATISCHE-INTELLIGENZ-METHODE – WAS IST DAS?
Sophie hatte schon viele Methoden ausprobiert, um ihr Körpergewicht in den Griff zu bekommen. Seit Ewigkeiten wollte sie ihre Ernährung verbessern und die immer wiederkehrenden Essattacken besiegen. Wie oft hatte sie schon diesen Vorsatz gefasst!
Mehrere Ernährungsberater und Therapeuten hatte sie aufgesucht und zahlreiche Diäten in Angriff genommen. Ihr war viel versprochen worden, aber wenig hatte geholfen.
Letztlich hatte ihr kein einziger dieser Versuche eine dauerhafte Erleichterung gebracht. Und weil sie schon so oft gescheitert war, wurde sie hart gegen sich selbst und begann schließlich, an ihrem Durchhaltevermögen zu zweifeln. Sie überzog sich selbst immer öfter mit Diagnosen wie »Selbstsaboteurin«, »undiszipliniert«, »völlig unfähig«, »Versagerin« – und mit dem Klassiker »selbst schuld«.
In den Phasen, in denen sie besonders viel und unkontrolliert aß und trank, traten zusätzliche Probleme auf den Plan, als wenn die Unzufriedenheit mit sich selbst nicht schon genug gewesen wäre. Sie bekam unreine Haut, Magenschmerzen und es machten ihr oft Infekte zu schaffen. Sie litt immer öfter an Erschöpfung. Schon frühmorgens hatte sie das Gefühl, vor lauter Abgeschlagenheit nicht in den Tag starten zu können.
Hinzu kam, dass sie zunehmend ein Gefühl der Unsicherheit verspürte in einem mittlerweile für sie völlig undurchsichtig gewordenen Dschungel aus Diät- und Ernährungsempfehlungen.
Gab es – trotz aller Frustration – da draußen vielleicht doch noch eine Ernährungsvariante, die ihr helfen konnte? Und wenn ja, welche Diät war es, die sie noch nicht probiert hatte? Oder war sie doch einfach nur unfähig? War sie selbst schuld? Sie war – wie so viele andere auch – ratlos.
DIE SI-METHODE: EINE NEUE SICHT AUF DIE ERNÄHRUNG
Dann hörte Sophie von der Somatischen Intelligenz. Sie erfuhr, dass unsere Intelligenz sich nicht allein auf die Leistungen des Gehirns beschränkt und dass alles unterhalb unseres Denkzentrums ständig – vor allem beim Essen und Trinken – mitdenkt. Sophie fand heraus, dass die Somatische-Intelligenz-Methode (SI) eine besondere Art des Achtens auf die eigenen Körpersignale beim Essen ist – basierend auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und kombiniert mit einer Haltung des Wohlwollens und der Wertschätzung sich selbst und den eigenen Bedürfnissen gegenüber. Ganz ohne Diätregeln. Mit einer erhöhten Achtsamkeit für die Signale des eigenen Körpers.
Sophie hatte Zweifel, aber sie ließ sich darauf ein.
Die SI-Methode ist die Kunst, die Ernährungsbedürfnisse des Körpers so deutlich zu erkennen, dass es zu einem tief gefühlten Bedürfnis wird, nur noch so zu essen, dass es dem Körper auch wirklich passt. Wer sich diese erhöhte Achtsamkeit für seinen Körper aneignet, isst nur so viel, wie der Körper wirklich braucht. Zu dem Zeitpunkt, der am besten ist.
ALLES, WAS DU BRAUCHST, BIST DU SELBST
Wir können sagen, dass die SI-Methode eine Art Zwiesprache mit dem eigenen Körper ist. Obgleich immer mehr Therapeuten und Ernährungsberater die SI-Methode in ihre Arbeit integrieren, kann man die in diesem Buch beschriebenen Techniken auch ohne einen Therapeuten oder Coach für sich nutzen.
Als Sophie zu ihrer ersten SI-Sitzung zu mir kam und mir von ihrer Situation berichtete, hatte ich das starke Gefühl, dass die Methode ihr helfen könnte. Über die Jahre durfte ich die Übungen der SI-Methode nicht nur entwickeln, sondern sie zugleich auch mehreren Hundert Menschen beibringen.
Sophies Umstände waren klassisch: Ihr Körper gab ihr in Sachen Essen und Trinken bereits ganz klare Signale. Sie brauchte nur noch zu lernen, die Botschaft des Körpers zu verstehen.
Ich fragte sie, ob wir eine kleine Meditation machen könnten, die sich mit ihrer letzten Mahlzeit vor unserer Sitzung beschäftige.Sie willigte ein, und wir machten zusammen eine der grundlegenden SI-Übungen. Ich nenne diese Übung Gerade gegessen.
In den nächsten fünf Minuten begann Sophie, sich bewusst zu machen, auf welche Art sie ihr Mittagessen, das etwa eine Stunde zurücklag, gegessen hatte. Und wie in verschiedenen Bereichen ihres Körpers ihre Reaktionen darauf gewesen waren. Dabei fielen ihr einige scheinbare Kleinigkeiten auf, die ihre Art zu essen ab sofort vollkommen verändern sollten.
Sie nahm plötzlich deutliche Reize und Reaktionen im Mund, in der Nase, im Magen wahr. Sie wurde sich sogar einiger Auffälligkeiten in ihrem Verhalten und ihrer Stimmung bewusst, die definitiv mit ihrem Mittagessen in Zusammenhang standen. Körpersignale, die sie nun wahrnehmen konnte, die immer schon da gewesen waren, obwohl sie vorher nie auf sie geachtet hatte.
In dieser Sitzung bekam sie keine Diätvorschriften, keinen Ernährungsplan. Nur eine kurze Meditation, die sie dazu einlud, sich achtsam dem Moment zuzuwenden, in dem sie die letzte Mahlzeit zu sich genommen hatte.
Sich so mit Essen zu beschäftigen war eine völlig neue Herangehensweise für Sophie. »Ich habe nie zuvor versucht«, sagte sie mir, »den Moment des Essens so wahrzunehmen.«
Ich gab Sophie mit auf den Weg, dass sie von nun an ganz anders vorgehen muss. Dass es nun um das Sichzuwenden geht. Dass sie sich ihre körperlichen Reaktionen und auch die Gefühle beim Essen von nun an genau wahrnehmen muss. Dass sie zulassen muss, was da ist. Diese Haltung brachte sie weiter.
DER KÖRPER WEISS, WAS ER BRAUCHT
Es brauchte ein bisschen Zeit, bis Sophie die für sie neue Übung für sich selbst durchführen konnte. Doch recht bald trat eine deutliche Veränderung in ihrem Essverhalten ein: Sie begann, immer klarer wahrzunehmen, dass bestimmte Nahrungsmittel, die sie regelmäßig aß, für sie überhaupt nicht gut rochen. Bei anderen spürte sie, dass sie, obgleich sie sie regelmäßig aß, überhaupt keine Lust auf sie hatte. Auch gewann sie ein tief gefühltes Verständnis dafür, dass etliche Nahrungsmittel, die sie früher ständig gegessen hatte, ihr überhaupt nicht gut bekamen.
Je klarer bei ihr dieses tief gefühlte Verständnis dafür wurde, desto öfter ließ sie mit der Zeit genau diese Nahrungsmittel und Gerichte weg. Hingegen konnte sie bei anderen Nahrungsmitteln immer besser spüren, wie gut sie ihr taten, wie sie sie tief befriedigten und wie viel mehr Energie sie hatte, wenn sie von ihnen aß. Ganz ohne sich dazu zu zwingen, sondern weil es ihr einfach nur selbstverständlich erschien.
Immer häufiger konnte sie nun spüren, wenn sie satt war, und hörte dann auch auf zu essen – statt wie früher einfach weiterzuessen oder sich noch einen Nachschlag zu holen. Immer klarer wurde ihr außerdem ihr sehr hastiges Esstempo, das nicht nur dazu geführt hatte, dass sie viel größere Mengen aß als bei langsamem Essen, sondern auch dazu, dass sie ihr Essen oft nur ungenügend einspeichelte, was dazu führte, dass bei ihr Magen, Darm und Nerven dadurch chronisch überlastet waren.
»Wow!«, sagte Sophie zu mir während einer Sitzung. »Ich hätte mir niemals auch nur erträumt, dass es so einfach ist, im Einklang mit meinem Körper zu essen und zu trinken.«
In den kommenden Wochen veränderte sich Sophies Essverhalten so grundlegend wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Je mehr sie im Einklang mit ihren wirklichen Bedürfnissen zu essen lernte, desto mehr veränderte sie sich auch körperlich: Wie von selbst wurde sie das ein oder andere Kilo Fett los, ihre Figur empfand sie als harmonischer. Sie nahm ab und erreichte ihr Wohlfühlgewicht. Die Haut war jetzt klarer, das Immunsystem stärker, sie wirkte entspannt, selbstsicher und fühlte sich wohl.
GEGEN DIE ÜBERFORDERUNG: »MEINE KÖRPERSIGNALE PASSEN AUF MICH AUF«
Je genauer Sophie nun auf ihre wahren Bedürfnisse beim Essen achtete, desto besser und leichter kam sie auch in anderen Lebensbereichen zurecht: im Akzeptieren ihres Körpers, in der Partnerschaft, in der Familie und auf der Arbeit.
Wann immer wir auf Dauer zu viel essen, zu viel arbeiten, uns zu viel zumuten, wenn wir mehr essen, als gut für uns wäre, ist das dahinterliegende Verhaltensmuster die Überforderung. Wir überfordern unseren Körper, indem wir ihm zu viel oder die falsche Nahrung zuführen.
Sophies Augen glänzten, als sie mir sagte: »Ich achte nicht mehr so viel darauf, ob das, was ich esse, laut Experten gut oder schlecht ist. Dafür achte ich umso mehr darauf, was das Nahrungsmittel mit mir macht. Und das ist die Lösung für mich. Und wenn ich etwas esse, das gut zu mir passt, dann merke ich, wie sich ein gutes, warmes, zufriedenes Gefühl in meinem Körper ausbreitet. Wie ich mich dadurch gestärkt fühle und nicht schlechter. Das ist wirklich erstaunlich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich so positiv verändern würde.«