Читать книгу Der 31. September oder die List des Teufels - Werner Kogelnig - Страница 17
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Als Assistentin wählte der Kommissar die junge Maria, die ihm als Praktikantin zugeteilt worden war. Er konnte sie vom ersten Augenblick an nicht ausstehen. Maria gehörte dieser neuen Generation von Frauen an, die ihn mit überheblicher Selbstsicherheit, ihrer spürbaren Intelligenz und ihrer Attraktivität seine eigene Unzulänglichkeit spüren ließen. Auch Maria konnte ihre Abneigung gegen diesen unförmigen, ungepflegten und schwitzenden Mann nicht verbergen. Vielleicht, so dachte Massimo, könnte ich ihr dann die Schuld am Misserfolg an diesem Unternehmen in die Schuhe schieben. Er ließ sie zu sich rufen und machte sie mit der Rolle vertraut, die sie zu spielen hatte.
„Ist alles klar?“ fragte er, nachdem er sie instruiert hatte.
„Nein!“ war ihre überraschende Antwort. „Ich habe da eine Aufgabe zu erfüllen, ohne Kenntnisse der Zusammenhänge. Das behagt mir nicht. Sagen Sie mir doch, worum es wirklich geht. Ich bin doch keine Marionette!“
„Doch. Das sind Sie!“ Massimo blickte sie mit einem hässlichen Lächeln an, schlug dann mit der flachen Hand auf den Tisch und polterte böse: „Sie haben genau das zu tun, was ich Ihnen sage. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist ein Befehl!“
Einen Moment schien es, als würde Maria etwas erwidern, dann sagte sie nur: „Jawohl, Kommissar.“ Aber ihre grünen Augen blitzten gefährlich, als sie ihn dabei anblickte, sich dann erhob und das Büro verließ.
Kurz vor 18 Uhr an jenem Abend waren sie beide vor der Bank. Massimo ließ Maria draußen warten und nahm so, wie es vereinbart war, den Geldkoffer entgegen. Dann setzten sich beide in eine Bar gegenüber der Bootsanlegestelle Academia und warteten gespannt auf die Ankunft des Rabbi, so wie er vom Präsidenten beschrieben wurde. Der leicht exotische Duft des Parfüms Marias, der in seine Nase drang und ihr attraktives Erscheinungsbild, das er widerwillig wahrnahm, ließen ihn ein Gefühl der Verunsicherung empfinden. Seine Abneigung gegen diese Frau entsprang gewiss ihrer Unerreichbarkeit. Nie in seinem Leben war es ihm möglich gewesen, eine Frau ihrer Art zu besitzen. Es war ihm überhaupt nie möglich gewesen, eine engere Beziehung mit einem Menschen, vor allen mit Frauen einzugehen. Aus dieser Unfähigkeit, Liebe oder Freundschaft zu erleben, wuchs der Hass gegen all das, was ihn an Schönem, an Wahrheit und Gutem umgab. Aber nun, auf diesem Boot mit Paolo war wie durch einen herabgestürzten Kometen ein Krater in seiner Hülle entstanden, und der ließ seine innere gefangene Welt entweichen.
Ein leichter Tritt unter dem Tisch, den ihm Maria versetzte, ließ ihn aus seinen Gedanken auffahren, und er blickte in die Richtung die sie ihm mit einer Kopfbewegung andeutete. Ein Rabbi mit einer schwarzen Mappe unter dem Arm verbeugte sich kaum merklich vor ihnen und wandte sich dann in die Calle della Carola. Massimo und Maria standen auf. Und während Massimo stehen blieb, dort, wo er die Gasse übersehen konnte, nahm Maria den Koffer und ging zur Boutique Jelena, dorthin, wo der Rabbi stehen geblieben war und scheinbar interessiert die Herrenmode bestaunte.
Hinter ihm schob sich der Touristenstrom vorbei, ohne ihm die geringste Beachtung zu schenken. Maria erreichte ihn und hielt ihm den Koffer vor die Augen. Der Blick der beiden traf sich. Maria nickte kurz. Der Rabbi hielt ihr die Mappe hin und griff zum Koffer. In diesem Augenblick schrie Massimo mit sich überschlagender Stimme, in der sich Wut über sich selbst, aber auch gleichzeitig ein befreiender Triumph mengten, die Worte „Vorsicht, das ist eine Falle!“.
Für einen Augenblick schien die Welt innezuhalten. Kaum war der Schrei verklungen, blieben die Touristen stehen und blickten erschrocken um sich. Der Rabbi hielt den Griff der Tasche, die Maria losgelassen hatte fest, doch sein Ann mit der schwarzen Mappe hing noch in der Luft, als sich die sekundenlange Erstarrung löste, und sich der Mann blitzartig von Maria wegdrehte und samt Koffer und Mappe in der Touristenmenge, die sich wieder weiterbewegte als wäre nichts geschehen, verschwand. Er lief die Mauer entlang und wollte gerade in einen schmalen Durchgang am Ende der Gasse entfliehen, als ihn zwei Männer, die ihn dort erwarteten, zu fassen versuchten. Der Rabbi erkannte die Gefahr, drehte sich wie ein Kreisel um sich selbst und drosch den Koffer mit solcher Wucht gegen die Wand, dass er zerbarst und Geldscheine wie Konfetti durch die Gassen schwebten.
Während die beiden Angreifer, die durch dieses Schauspiel irritiert innehielten, und die Touristen nach kurzem Erstaunen wie verrückt nach den Geldscheinen grabschten, lief der Rabbi in den Durchlass hinein. Als er zum Ausgang lief, in dem sich ein Bootssteg befand, entnahm er der Mappe ein Papier, steckte es in seine Rocktasche und sprang, als er den Atem seiner Verfolger schon im Nacken spürte, todesmutig hinüber auf einen Lastkahn, der in einem Abstand von zwei Metern am Steg vorbeifuhr. Gerade noch konnten die Verfolger sehen, wie er mit einem Bein das Boot erreichte, dabei vergeblich nach der Reling griff, ins Wasser plumpste und unterging. Sie sahen seinen Körper noch einmal wild um sich schlagend auftauchen, dann aber wurde er von einem Tau, das vom Boot herabhing mitgezogen, um schließlich endgültig in den Wellen zu verschwinden..
Maria war der Schrei durch Mark und Bein gedrungen. Sie wusste, dass es Massimo war, der da geschrien hatte, aber so wie es passiert war, so hässlich unwirklich, das machte sie bewegungslos, und so war sie im Moment unfähig, die Situation richtig zu erfassen. Sie hätte nach der Mappe schnappen und die Entwendung des Koffers verhindern müssen. In dem Augenblick, in dem der Rabbi sich abwandte und entschwand, kam auch Massimo zu Maria und riss sie brutal zu sich herum.
„Was zum Teufel haben Sie getan?“ brüllte er und starrte sie böse an.
„Warum haben Sie geschrien“, kreischte Maria und riss sich los. „Sind Sie wahnsinnig geworden?“
Aus der Grimasse Massimos wurde gespieltes Erstaunen und Maria erkannte das sehr wohl.
„Ich? Ich geschrien? Sind Sie noch zu retten? Was weiß ich wer da so gebrüllt hat! Doch nicht ich. Wie kommen Sie darauf? Sind Sie krank?“
„Ach!“ Wütend wandte sich Maria ab und rannte in die Richtung, in der sie aufbrausenden Lärm hörte. Massimo folgte ihr, von Unruhe erfasst, weil er ahnte, dass etwas schief gelaufen war. Als er sah, wie die Touristen hastig die herumliegenden Geldscheine aufhoben und lachend in ihre Taschen stopften, wusste er im Moment nicht, ob er eingreifen sollte. Aber weder der Präsident, noch Paolo waren, wie er wusste, an einem Skandal interessiert. Und als sich Maria anschickte einzugreifen, hielt er sie energisch zurück.
„Nicht!“ zischte er ihr zu.
„Wieso nicht?“ Verwirrt und ärgerlich sah sie ihn an.
„Das braucht Sie nicht zu interessieren. Das ist ein Befehl!“
„Sie mit Ihren Befehlen! Da stimmt doch etwas nicht. Erklären Sie mir das doch!“ Maria blickt noch einmal zu den Touristen, die sich nun entfernten und hob den leeren Koffer auf, der zerfetzt am Boden lag. Sie warf ihn verärgert von sich und folgte dem Kommissar in den Durchlass. Dort sah sie zwei Männer stehen, die einem Frachtkahn nachblickten, der ein sackähnliches Bündel nach sich zog. Das bäumte sich in den Wellen wie lebendig auf, hüpfte noch eine ganze Welle fröhlich hinten nach, bis es dann verschwand.