Читать книгу Der 31. September oder die List des Teufels - Werner Kogelnig - Страница 22
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Zum Zeitpunkt, als Massimo der Anruf Paolos erreichte, war er um seine Gesundheit äußerst besorgt. Soeben hatte ihn der Agent vom Misserfolg der Beschattung Karls informiert. Der Kerl war wie vom Erdboden verschwunden. Und, noch dazu, was hatte dieser Paolo nun mit ihm vor? Einen Polizeikommissar so einfach zu liquidieren, dachte er, war doch nicht so einfach. Die gesamte italienische Polizei würde nicht nur der Pflicht wegen, sondern auch aus persönlichen Gründen alles daransetzen, die Mörder zu finden. Der Mord an einem Polizisten war gleichzeitig ein Mord an jedem Einzelnen von ihnen. Und dass nun dieser Paolo persönlich zu ihm kam, war eher beruhigend. Der wollte etwas von ihm. Noch war seine Hoffnung an die versprochene Summe nicht verloren, seine Träume nicht begraben. So stapfte er die Treppe hinunter und eilte hinaus zur Anlegestelle.
Am Kanal bog soeben das Boot Paolos um die Ecke und legte an. Massimo stieg schwerfällig ein und tastete sich in die schmale Kabine. Paolo nickte ihm zu und winkte dem Fahrer. Der lenkte das Boot dann wieder hinaus, über den Kanale Grande, in die Lagune hinein, dorthin, wo sie vor Kurzem waren.
Massimo begann in der engen Kabine wieder zu schwitzen und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß vom Kopf und vom Gesicht. Er schwieg, sah dabei aber Paolo unsicher an.
„Da ist wohl etwas schief gelaufen.“ Paolo lächelte.
„Ja“, sagte Massimo, verunsichert über den sanften Ton Paolos. „Aber ich habe nichts anderes getan, als das, was Sie verlangten. Der Mann war clever. Die Schuld trifft ihre beiden Männer. Nicht mich.“
„Ich weiß, es war nicht Ihre Schuld. Und doch…“
„Und doch?“ In Massimo regte sich wieder Angst.
„Beruhigen Sie sich. Es war nicht Ihre Schuld. Und doch. Sie schulden mir noch einen Dienst.“
„Ich schulde Ihnen einen Dienst?“ Was war das? War die Belohnung in Gefahr? Auch Paolo schien seine Gedanken zu erraten.
„Nein, nein! Die versprochene Summe liegt für Sie bereit. Nur, sie ist eben noch an eine Gefälligkeit geknüpft.“
„An eine Gefälligkeit?“
„Ja. Sie müssen nach Rom“.
Massimo blickte Paolo erstaunt und gleichzeitig verärgert an. „Nach Rom? Was soll ich in Rom? Ich müsste Urlaub nehmen. Gerade jetzt, wo mir der Präsident im Nacken sitzt. Das wäre höchst verdächtig.“
Paolo lächelte. „Der Präsident weiß Bescheid. Er ist mehr Mann.“
„Wie? Was? Der Präsident weiß Bescheid? Ihr Mann?“ Massimo war erschüttert. Er war nicht naiv. Er wusste, was möglich war. Aber, dachte er, wenn ein Präsident in die Sache eingebunden ist, was muss das dann für ein Ding sein?
„Ja. Unser Mann. Aber das braucht Sie nicht weiter zu beschäftigen. Sie erweisen mir noch einen kleinen Dienst, und dann…“
„Und dann?“
„Dann kassieren Sie.“
„Was muss ich tun?“
„Fürs erste nichts. Sie bleiben in Venedig, machen Ihre Arbeit wie gewöhnlich. Die kurze Episode der vergangenen Tage ist vergessen. Der Mann in Punta Sabbione ist eines natürlichen Todes gestorben. Ertrunken. Ein Unglück. Sie können den Fall zu den Akten legen.“
„Und meine Assistentin? Eine lästige Frau. Sie wird Fragen stellen.“
Paolo lächelte. „Sie ist schon auf dem Weg nach Rom.“
„Sie ist schon…“ Massimo blieb die Sprache weg.
„Sie ist auf dem Weg nach Rom. Ja.“
Massimo schüttelte den Kopf. „Und ich, was werde ich in Rom zu tun haben, wenn es soweit ist?“
Paolo beugte sich zu ihm hinüber, fuhr aber angewidert zurück, als er den ungepflegten schwitzenden Körper roch. „Nachdem uns die Liste hier in Venedig entging, werden wir sie in Rom erhalten. Im Vatikan. Sie selbst werden dorthin fahren. Sie werden der Bote sein, der sie entgegennimmt und sie mir dann übergibt.“
„Warum ich?“
„Wie ich schon sagte. Sie schulden mir noch eine Gefälligkeit. Und außerdem. Sie sind mit der Sache schon vertraut. Sollte es noch mehr Beteiligte geben?“
„Natürlich nicht.“ Das verstand Massimo. „Aber was soll das mit Maria in Rom. Was hat die damit zu tun? Und was mit mir?“
„Das überlassen Sie mir. Das geht Sie jetzt nichts an. Sie werden es erfahren. Ich melde mich bei Ihnen, wenn es soweit ist. dann erhalten Sie genaue Anweisungen.“
Paolo klopfte an die Kabinentür und das Boot tuckerte zurück. Die beiden Männer schwiegen. Als dann Massimo das Boot verließ, war aus dem Gesicht Paolos das Lächeln verschwunden. Das Gesicht hatte jenen Ausdruck der bleichen Masken, die im Karneval durch die Gassen Venedigs schweben.