Читать книгу Niedersächsisches Kommunalwahlrecht - Werner Schiefel - Страница 14
3.Wahlsystem
ОглавлениеDie seit 1946 bei den Kommunalwahlen geltende Verbindung von Verhältniswahl und Personenwahl wurde – in unterschiedlichen Varianten – bis heute beibehalten. Von 1956 bis 1961 galt das Prinzip der Verhältniswahl mit freien Listen und drei Stimmen mit der Möglichkeit des Panaschierens, von 1961 bis 1967 das Prinzip der Verhältniswahl mit lose gebundenen Listen und einer Stimme, von 1967 bis 1977 das Prinzip der Verhältniswahl mit einer Stimme in einer Verbindung von lose gebundenen und starren Listen, seit 1977 das Prinzip der Verhältniswahl mit freien, erstmalig bei der Kommunalwahl 1996 zusätzlich auch wieder mit starren Listen und drei Stimmen mit den Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens.
1961 wurde das Dreistimmen-Wahlrecht zugunsten eines Einstimmen-Wahlrechts beseitigt (G 5). Dahinter stand das Ziel, eine größere Chancengleichheit zwischen Parteien und Einzelbewerbern herzustellen. Bislang hatte der Wahlvorschlag eines Einzelbewerbers nie alle Stimmen eines Wählers auf sich vereinigen können, da ein derartiges „Kumulieren“ nicht vorgesehen war. Um insoweit eine Gleichstellung des Einzelbewerbers mit den Parteien zu erreichen, bekam der Wähler fortan nur noch eine Stimme, so dass sowohl der Parteibewerber als auch der Einzelbewerber das volle Stimmengewicht des einzelnen Wählers auf sich ziehen konnte.22
Durch eine erneute Umgestaltung des Wahlsystems wurde 1967 eine Kombination aus Personenwahl und Listenwahl eingeführt (G 7). Der Wähler konnte sich entweder für einen einzelnen Bewerber (Personenwahl) oder für einen Wahlvorschlag in seiner Gesamtheit (Listenwahl) entscheiden. Bei der Gesamtsitzverteilung wurden die für den Wahlvorschlag als Gesamtliste und die für seine einzelnen Bewerber abgegebenen Stimmen zusammengefasst. Die einer Partei oder Wählergruppe im Wahlgebiet insgesamt zugefallenen Sitze wurden nach dem jeweiligen Stimmenverhältnis auf die in den einzelnen Wahlbezirken aufgestellten Wahlvorschläge verteilt. Die auf einen Wahlvorschlag entfallenden Sitze standen der Gesamtliste und den einzelnen Bewerbern im Verhältnis der Stimmen zu, die für die Gesamtliste einerseits und für die Gesamtheit der einzelnen Bewerber andererseits abgegeben worden waren. Die sich danach für die Gesamtheit der einzelnen Bewerber ergebenden Sitze erhielten die Bewerber mit den höchsten Stimmenzahlen, die der Gesamtliste zustehenden Sitze wurden nach der Reihenfolge der Liste besetzt.
Als wesentliches Motiv für die Einführung dieses Systems wurde angeführt, dass sich bei dem bisher geltenden und bei den Kommunalwahlen 1961 und 1964 praktizierten Verfahren eine starke Konzentration der Stimmen zugunsten der Bewerber auf den ersten Listenplätzen und eine außerordentlich geringe Berücksichtigung von weiblichen Kandidaten gezeigt habe.23
Zehn Jahre später kam es zu einer erneuten Änderung des Wahlsystems (G 18). Die Möglichkeit, die Stimme einer Gesamtliste zu geben, entfiel. Die Stimmabgabe – jetzt wieder mit drei Stimmen – galt einzelnen Bewerbern, wobei die Stimmen auf mehrere Bewerber desselben oder verschiedener Wahlvorschläge verteilt werden und mehrere Stimmen auf einen Bewerber „gehäuft“ werden konnten. Maßgeblich für die Gesamtverteilung der Sitze war das Stimmenverhältnis der Wahlvorschläge im Wahlgebiet. Dieses System einer Verhältniswahl mit freien Listen in Form eines Dreistimmen-Wahlrechts mit den Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens stimmte weitgehend mit einem im April 1966 abgelehnten FDP-Entwurf überein.24 Jetzt wurde ein entsprechender Gesetzentwurf gemeinsam von den Koalitionsfraktionen CDU und FDP vorgelegt und gegen die Stimmen der SPD beschlossen. Durch die Gesetzesänderung sollte das Element der Personenwahl verstärkt werden, um die Verbindung zwischen Wählern und Gewählten zu intensivieren und die Auswirkung der Stimmabgabe auf die Sitzverteilung durchsichtiger zu machen.25
Die Enquete-Kommission zur Überprüfung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts26 sah in der fehlenden Möglichkeit der Wähler, ihre Stimmen statt einzelnen Kandidaten auch einem Wahlvorschlag in seiner Gesamtheit zu geben, einen Nachteil für Personen mit geringem Bekanntheitsgrad. Ihrer Empfehlung, diese zusätzliche Möglichkeit zu eröffnen, ist der Landtag 1995 mit dem sechsten Änderungsgesetz (G 27), das erstmals auf die Wahlen 1996 anzuwenden war, gefolgt.