Читать книгу Niedersächsisches Kommunalwahlrecht - Werner Schiefel - Страница 27
1.Allgemeine Wahlgrundsätze
Оглавление1Abs. 1 wiederholt deklaratorisch die bereits in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 57 Abs. 2 Satz 1 NV genannten Wahlgrundsätze. Sie gelten als allgemeine Rechtsprinzipien für Wahlen zu allen Volksvertretungen im staatlichen und kommunalen Bereich (BVerfG, Beschl. v. 15.2.1978, BVerfGE 47, S. 253).
21.1 Allgemeine Wahl. Der Grundsatz der allgemeinen Wahl besagt, dass das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, grundsätzlich allen Staatsbürgern zusteht und jeder sein Wahlrecht in formal gleicher Weise ausüben können soll (BVerfG, Beschl. v. 23.3.1982, BVerfGE 60 S. 162). Differenzierungen, für die ein besonderer rechtfertigender Grund gegeben sein muss (BVerfG, Beschl. v. 23.10.1973, BVerfGE 36, S. 141 ff.), sind zwar zulässig (z. B. Mindestaufenthalt des Wählers oder des Bewerbers im Wahlgebiet), dürfen aber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Sie müssen von jedem Staatsbürger im wahlfähigen Alter ohne weiteres erfüllt werden können. So darf das Wahlrecht nicht von bestimmten Voraussetzungen des Vermögens, der Steuersumme, des Bildungsstandes, des Glaubens usw. abhängig gemacht werden.
31.2 Unmittelbare Wahl. Nach dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl müssen die Volksvertreter ohne Zwischenschaltung einer anderen Instanz (z. B. Wahlmänner) bestimmt werden. Das Wahlverfahren muss so gestaltet sein, dass jede abgegebene Stimme einem bestimmten oder eindeutig bestimmbaren Wahlbewerber zugerechnet wird, ohne dass nach der Stimmabgabe noch eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen Einfluss auf die Zurechnung der Stimmen und damit auf die Bestimmung der erfolgreichen Wahlbewerber nehmen kann (Nds. StGH, Urt. v. 5.6.1985, NJW S. 2319). Der rechtlich zulässige Einfluss der Parteien und Wählergruppen auf die Wahl ihrer Vertreter endet mit der Kandidatenaufstellung (vgl. § 21 Rn 1 sowie § 24 Rn 1 und 16 ff).
41.3 Freie Wahl. Die Freiheit der Wahl als grundlegendes demokratisches Prinzip bedeutet, dass jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht frei, d. h. ohne Zwang oder Druck oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann. Dabei ist es gleichgültig, ob der Zwang oder Druck von der öffentlichen Gewalt oder von privater Seite (NdsOVG, Beschl. v. 29.1.2009, R&R 2/2009 S. 1) ausgeht. Der Grundsatz der freien Wahl wird vor allem durch die geheime Stimmabgabe gewährleistet. Er gilt aber auch für das gesamte Wahlvorbereitungsverfahren und für die Kandidatenaufstellung (zur Freiheit der Kandidatenaufstellung s. BVerfG, Beschl. v. 20.10.1993, BVerfGE 89 S. 243 und Erl. zu § 24).
Dem Schutz der Freiheit der Wahl dienen die Straftatbestände im Vierten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB, insbesondere die §§ 107 (Wahlbehinderung), 108 (Wählernötigung), 108a (Wählertäuschung) und 108b (Wählerbestechung). Auch unterhalb dieser Ebene der Strafbarkeit kann eine die Freiheit der Wahl beeinträchtigende Wahlbeeinflussung vorliegen. Ob das der Fall ist, wenn die Wahlwerbung den Rahmen des üblichen Wahlkampfes sprengt, indem der Wähler in bösartiger Weise durch objektiv unrichtige Behauptungen über die für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse getäuscht werden soll (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.11.1957, OVGE 12 S. 399; s. auch BVerwG, Urt. v. 17.1.1964, BVerwGE 18 S. 14 – sog. Hirtenbriefurteil –), erscheint als zweifelhaft, weil davon auszugehen ist, dass sich heutzutage der Wähler durch eine einseitige und polemische Wahlwerbung durch Private, auch eine engagierte Äußerung der Kirchen, denen wie Privaten das Grundrecht der freien Meinungsäußerung zusteht (s. BVerwG, Urt. v. 17.1.1964 a. a. O.), die Freiheit der Wahl nicht nehmen lässt (s. auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.8.1999, VwRR N 2000 S. 26). Etwas anderes ist anzunehmen, wenn der Bewerber um das Amt des Bürgermeisters unrichtige Angaben zu seiner Person macht (VGH Kassel, Beschl. v. 11.1.2000, NVwZ-RR 2001 S. 49).
5Anders liegt der Fall, wenn Amtspersonen unter Verletzung des ihnen obliegenden Gebots der strikten staatlichen Neutralität in den Wahlkampf eingreifen. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl gebietet, dass alle staatlichen und kommunalen Amtsträger und Organe strikte Neutralität im Wahlkampf wahren (grundlegend und für die Staatsorgane: BVerfG, Urt. v. 2.3.1977, BVerfGE 44 S. 125; für den kommunalen Bereich: BVerwG, Urt. v. 18.4.1997, NVwZ S. 1220; NdsOVG, Urt. v. 26.3.2008, R&R 2/2008 S. 1 = NdsVBl. 2008 S. 207; BaWüVGH, Beschl. v. 30.1.1997, NVwZ-RR 1998 S. 126; HessVGH, Urt. v. 25.2.1999, NVwZ S. 1365; VG Osnabrück, Urt. v. 4.5.1999, VwRR N S. 82, und v. 23.4.2002, R&R 2/2003 S. 5; HessVGH, Urt. v. 10.7.2003, HSGZ 2003 S. 345; s. die zusammenfassende Darstellung R&R 3/2016 S. 1), und zwar im Wahlkampf sowohl für Dritte als auch für sich bei eigener Kandidatur (so ausdrücklich VG Osnabrück, Urt. v. 23.4.2002 a. a. O.; HessVGH, Urt. v. 10.7.2003 a. a. O.). Amtsträger und Organe haben in nicht amtlicher Funktion wie jede Privatperson das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) auch im Wahlkampf. Problematisch ist deshalb in der Praxis die Feststellung, wann der Amtsträger in dieser Funktion und wann als Privatperson auftritt. Die Rechtsprechung beurteilt das nicht nur nach äußeren Merkmalen, sondern auch nach dem Inhalt der Meinungsäußerung. Verboten ist danach den Betroffenen Wahlwerbung auf amtlichem Kopfbogen oder unter Verwendung des amtlichen Wappens (HessVGH, Urt. v. 10.10.1991, NVwZ 1992 S. 284) und dem Bürgermeister nach Anlegung der Amtskette. Offenbar genügt schon der Hinweis auf die Funktion als Amtsträger (HessVGH, Urt. v. 25.2.1999 a. a. O.: ein Briefkopf mit dem Namen des Bürgermeisters; s. auch VG Kassel, Urt. v. 19.6.2002, R&R 2/2003 S. 8, in dem das Gericht für die Unschädlichkeit darauf abstellt, dass der Bürgermeister auf einem Wahlplakat des Spitzenkandidaten seiner Partei ohne Hinweis auf seine Funktion abgebildet sei), obwohl der Beamte seine Amtsbezeichnung auch außerhalb des Dienstes führen darf (§ 57 Abs. 2 Satz 2 NBG), so dass allein die Verwendung der Amtsbezeichnung im Wahlkampf nicht zu beanstanden ist (so HessVGH, Urt. v. 22.9.2005, NVwZ 2006 S. 610; NdsOVG, Beschl. v. 29.1.2009, R&R 2/2009 S. 1 = NdsVBl. 2009 S. 137). Etwas anderes mag gelten, wenn die Amtsbezeichnung augenfällig vorangestellt (BVerwG, Urt. v. 18.4.1997 a. a. O.) oder die Eigenschaft als Amtsperson hervorgehoben wird (VG Chemnitz, Beschl. v. 10.6.1999 – 3 K 107/99 –). Die Veröffentlichung einer Bilanz der Leistungen der Kommune und nicht nur der seiner persönlichen Verdienste wird einem Bürgermeister auch dann seiner amtlichen Funktion und nicht der Privatperson zugerechnet, wenn sie nicht unter amtlichem Kopfbogen erfolgt (HessVGH, Urt. v. 25.2.1999 a. a. O.). Der Amtsträger darf aber außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in privater Wahlwerbung seine Tüchtigkeit und Qualifikation für das Amt herausstellen und dabei auch auf sein bisheriges berufliches Wirken, auch in der Kommune, in der er sich um ein Amt bewirbt, hinweisen (VG Osnabrück, Urt. v. 23.4.2002 a. a. O.). Dem Amtsträger wird auch seine als Privatperson abgegebene Wahlempfehlung zugerechnet, wenn ihr Inhalt einen Hinweis auf die amtlich erworbene Kompetenz enthält (NdsOVG, Urt. v. 26.3.2008 a. a. O., gegen VG Oldenburg, Urt. v. 3.7.2007, R&R 6/2007, zu einem als Anzeige der Partei veröffentlichten Interview eines Landrats über die Qualifikation von Bewerbern um das Amt des Bürgermeisters; VG Osnabrück, Urt. v. 4.5.1999 a. a. O. bei der als Privatperson getätigten Anzeige des amtierenden Hauptverwaltungsbeamten, er wisse, worauf es beim Bürgermeisteramt ankomme und wähle deshalb einen bestimmten Bewerber). Zur Unzulässigkeit der Verwendung von Melderegisterauskünften gem. § 34 Abs. 1 NMG im Wahlkampf durch den Bürgermeister s. VG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.6.1997, NVwZ 1997 S. 1240. Als besonders problematisch wird die Wahlwerbung in einem Amtsblatt angesehen (s. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2001, DVBl. S. 1278; BaWüVGH, Beschl. v. 30.1.1997, NVwZ-RR 1998 S. 126, Urt. v. 17.2.1992, NVwZ S. 504, zu einem missverständlichen Aufruf zur Wahl des Bürgermeisters), die allerdings nach den niedersächsischen Regelungen über kommunale amtliche Verkündungsblätter nicht in Betracht kommen dürfte (§ 11 Abs. 2 NKomVG). Bei Wahlwerbung einer Partei mit dem ihr angehörenden Amtsträger ist darauf abzustellen, ob dieser sich diese als eigene zurechnen lassen muss, was insbesondere der Fall sein wird, wenn er dabei zu Wort kommt.
6Die Neutralitätspflicht trifft alle staatlichen und kommunalen Organe, d. h. im Bund die Bundesregierung und den Bundestag, im Land die Landesregierung und den Landtag und in den Kommunen die Hauptverwaltungsbeamten und die Kollegialorgane, aber auch diejenigen, die für sie zu sprechen und sie zu repräsentieren beauftragt und befugt sind. Deshalb ist es Bundes- und Landesministern nicht gestattet, in dieser Funktion in den Kommunalwahlkampf einzugreifen. Für einzelne Mitglieder der Vertretung oder eines anderen Kollegialorgans gilt das dagegen regelmäßig nicht (OVG Münster, Beschl. v. 30.9.2005, NVwZ 2006 S. 363, für Fraktionen; BaWüVGH, Beschl. v. 30.1.1997 a. a. O., in dem offen gelassen ist, ob Ausschüsse zu den Organen zählen, aber Amtsleiter, die nicht Organe sind, bei Äußerungen in amtlicher Eigenschaft in einem Verkündungsorgan der Gemeinde demselben Neutralitätsgebot unterworfen worden sind wie die Organwalter). Als Organe sind auch die Stadtbezirks- und die Ortsräte anzusehen (NdsOVG, Urt. v. 16.3.2005, R&R 4/2005 S. 7) und die deren Repräsentationsaufgaben (§ 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 NKomVG) wahrnehmenden Bezirks- und Ortsbürgermeister. Dem Ortsbürgermeister und dem Ortsvorsteher obliegt die Wahrnehmung von Hilfsfunktionen für die Gemeinde (§§ 95 Abs. 2, 96 Abs. 1 Satz 4 NKomVG), sie sind deshalb als Amtsträger anzusehen, die die wahlrechtliche Neutralitätspflicht trifft. Nach dem Ausscheiden aus ihrer Organstellung besteht die Neutralitätspflicht nicht fort. Die Neutralitätspflicht gilt gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 NKWO auch für Wahlhelfer, die in der Konsequenz jegliche Wahlwerbung und Wahlbeeinflussung durch amtliche Äußerungen in ihrer Funktion als Mitglied des Wahlvorstandes zu unterlassen haben (VG Osnabrück, Urt. v. 30.10.2019 – 1 A 172/19 –, DVBl. 2020, 1291).
7Auch in Wahlkampfzeiten ist den Kommunen Öffentlichkeitsarbeit (§§ 85 Abs. 5 und 6, 9 Abs. 6 NKomVG) nicht verwehrt, wenn sie sich in dem bisherigen Rahmen hält. Weder unterliegen die Wahrnehmung der Repräsentationsaufgaben des Hauptverwaltungsbeamten (§ 86 Abs. 1 NKomVG) noch die Publikation von Presseerklärungen (OVG NW, Urt. v. 19.8.1988, NVwZ-RR 1989 S. 149; HessVGH, Urt. v. 22.9.2005, NVwZ 2006 S. 610). Einschränkungen. Siehe zur Zulässigkeit der amtlichen Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers im politischen Meinungskampf ausschließlich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs allgemein BVerwG, Urt. v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 –, www.bverwg.de. Als unzulässig werden aber in der heißen Phase des Wahlkampfes Veröffentlichungen, insbesondere Arbeits-, Leistungs- und Erfolgsberichte, angesehen, deren Inhalt und Aufmachung zwar nicht als Wahlwerbung anzusehen sind, für die es aber keinen sachbezogenen Anlass gibt und die in erheblicher Menge verbreitet werden, weil sie dadurch für den Hauptverwaltungsbeamten oder die politische Mehrheit werbenden Charakter entfalten können (BVerfG, Urt. v. 2.3.1977 a. a. O. für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung; OVG NW, Urt. v. 19.8.1988 a. a. O.; ähnlich HessVGH, Urt. v. 10.10.1991 a. a. O.; VGH München, Urt. v. 27.11.1991, NVwZ 1992 S. 287). Nach denselben Grundsätzen sind andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit zu beurteilen, wie z. B. Informationstage, Tage der offenen Tür oder ähnliche für die Bürger organisierte Veranstaltungen, soweit sie nicht traditionell in dieser Zeit stattfinden. Als heiße Phase des Wahlkampfes sind die Zeit seit Festlegung des Wahltermins (BVerfG, Urt. v. 2.3.1977 a. a. O. für die Bundestagswahl), jedenfalls die letzten sechs Wochen vor der Wahl angesehen worden (OVG NW, Urt. v. 19.8.1988, a. a. O.). Zur allgemeinen Dauer des Wahlkampfes s. unten Rn 17.
Die sog. Scheinkandidatur, die dann vorliegt, wenn ein sog. Zugpferd kandidiert ohne die Absicht, die Wahl auch anzunehmen, stellt keine Verletzung der Freiheit der Wahl dar (OVG Koblenz, Urt. v. 17.12.1991, NVwZ-RR 1992 S. 255).
Zur Neutralitätspflicht der Wahlleitung s. § 9 Rn 12. Zu den Folgen des Verstoßes gegen die Freiheit der Wahl, insbesondere gegen die Neutralitätspflicht s. § 46 Rn 8.
81.4 Gleiche Wahl. Der Grundsatz der gleichen Wahl, der in engem Zusammenhang mit der Allgemeinheit der Wahl steht (BVerfG, Beschl. v. 16.7.1998, BVerfGE 99 S. 1), ist ein spezieller Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Er besagt, dass jedermann sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben kann und dass Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerbern eine chancengleiche Teilnahme an der Wahl ermöglicht wird. Differenzierungen bedürfen stets besonderer und zwingender Rechtfertigungsgründe (BVerfG, Beschl. v. 7.4.1981, BVerfGE 57 S. 43 zum niedersächsischen Kommunalrecht; Urt. v. 10.7.1997, BVerfGE 95 S. 408).
9Dem Grundsatz der Wahlgleichheit ist bei der Verhältniswahl nur dann genügt, wenn den abgegebenen Stimmen sowohl Zählwert- als auch Erfolgswertgleichheit zukommt. Zählwertgleichheit ist gegeben, wenn jeder Wahlberechtigte die gleiche Stimmenzahl besitzt und er seine Stimmen wie jeder andere abgeben kann. Erfolgswertgleichheit besagt, dass jede gültig abgegebene Stimme ebenso bewertet wird wie alle anderen und – soweit das Wahlsystem es zulässt – die gleiche Erfolgsaussicht hat (vgl. Nds. StGH, Urt. v. 20.9.1977, OVGE 32, S. 488 f., 496 = MBl. 1977, S. 1340 f., 1343). Differenzierungen hinsichtlich des Erfolgswerts der Stimmen (z. B. durch eine Sperrklausel) sind nur zulässig, soweit dies zur Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorganges bei der politischen Willensbildung unbedingt erforderlich ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 23.1.1957, BVerfGE 6, S. 84 ff.; Beschl. v. 22.5.1979, BVerfGE 51, S. 222, 236 f.).
10Der Wahlgrundsatz der gleichen Wahl gilt auch bei der Zulassung öffentlicher Wahlwerbung durch die Gemeinden, bei der Überlassung von gemeindlichen Räumen und Anschlagtafeln und bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Wahlwerbung auf öffentlichen Straßen und Plätzen.
11Für Parteien, auch nicht ortsansässige (OVG Magdeburg, Beschl. v. 5.11.2010, NVwZ-RR 2011 S. 150), normiert § 5 PartG die Gleichbehandlung, wenn Träger öffentlicher Gewalt Einrichtungen zur Verfügung stellen oder andere öffentliche Leistungen gewähren, wobei für die Gewährung öffentlicher Leistungen im Zusammenhang mit einer Wahl während der Dauer des Wahlkampfes das nur für Parteien gilt, die Wahlvorschläge eingereicht haben. Der Umfang der Gewährung kann dabei nach der Bedeutung der Parteien gestuft werden, wobei ein Sockelanteil allen gewährt werden muss, der völlige Ausschluss einzelner also nicht zulässig ist (BVerwG, Urt. v. 13.12.1974, DÖV 1975 S. 200 für Wahlsichtwerbung; Beschl. v. 27.8.1991, NVwZ 1992 S. 263 für die Überlassung einer Halle). Für Wählergruppen und Einzelbewerber gilt das auf der Grundlage des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ebenso. Der Anspruch auf Gewährung der Leistungen wird nicht durch ein Wahlkampfabkommen über Dauer und Umfang des Wahlkampfes zwischen anderen Parteien und Vereinigungen begrenzt (BVerwG, Urt. v. 13.12.1974, DÖV 1975 S. 204). Für Parteien gilt das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG, wonach über ihre Verfassungswidrigkeit ausschließlich das BVerfG entscheidet (BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989, DVBl. 1990 S. 154).
12Gesetzlich ist durch § 5 PartG und § 30 NKomVG ein Anspruch auf gleichmäßigen Zugang aller an der Wahl beteiligten Parteien und Bewerber zu vorhandenen Einrichtungen normiert, nicht dagegen auf Schaffung geeigneter Einrichtungen. Die Parteien haben auch kein Vorrecht gegenüber anderen Bewerbern. Voraussetzung ist, dass der Widmungszweck auch die Nutzung für parteipolitische Zwecke umfasst. Die Nutzung für solche Zwecke kann ausgeschlossen werden (BaWüVGH, Beschl. v. 11.5.1995, NVwZ-RR 1996 S. 681), z. B. für das Rathaus oder Kreishaus oder die Schulen, um von ihnen parteipolitische Auseinandersetzungen fernzuhalten (NdsOVG, Beschl. v. 27.1.1994 – 10 M 457/94 –; VG Lüneburg, Urt. v. 27.4.1999, NdsVBl. S. 269; s. auch VG Hannover, Beschl. v. 11.6.1999, VwRR N S. 6; zur Zulässigkeit der Änderung des Nutzungszwecks: Nds. OVG, Beschl. v. 14.4.2011, R&R 4/2011 S. 1). Es macht keinen Unterschied, ob die Kommune die Einrichtung selbst betreibt oder durch einen Dritten betreiben lässt, weil sie sich zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 5 PartG und § 30 NKomVG die notwendigen Rechte gegenüber dem Dritten vorbehalten muss (BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989 a. a. O.), beim Betrieb einer Einrichtung in privatrechtlicher Form gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 5 NKomVG (zum Privatrechtsweg einer Klage gegen den privaten Betreiber s. NdsOVG, Beschl. v. 24.10.207, R&R 6/2007 S. 3 und zur Frage dessen Kontrahierungszwangs LG Oldenburg, Beschl. v. 25.10.2007, R&R 6/2007 S. 5). Der Begriff der Einrichtung i. S. von § 5 PartG ist identisch mit dem Begriff der öffentlichen Einrichtung i. S. des § 30 NKomVG (BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989 a. a. O.), so dass auch ein kommunalrechtlicher Anspruch auf die Benutzung öffentlicher Einrichtungen besteht, als juristischen Personen und Personenvereinigungen auch der Parteiorganisationen auf der Ebene der Gemeinden, der Landkreise oder der Region (maßgeblich ist deren Sitz: NdsOVG, Beschl. v. 28.2.2007, R&R 2/2007 S. 1), und zwar auch dann, wenn als Redner Personen auftreten, die nicht Einheimische sind, oder wenn eine gemeindliche Parteiorganisation im Wahlkampf zur Kreistagswahl eine gemeindliche Einrichtung benutzen will, weil diese Veranstaltung sich zumindest auch an die örtliche Gemeinschaft wendet (a. A. BaWüVGH, Beschl. v. 16.5.1988, DÖV 1998 S. 30). Bei der Bewerbung mehrerer Parteien können diese entsprechend ihrer Bedeutung berücksichtigt werden (§ 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 PartG).