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Erläuterungen I. Die Beleidigung durch Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen

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Eine »Beleidigung« ist auf dreifache Weise möglich:

1. durch Äußerung eines beleidigenden »Werturteils« (im weitesten Sinn, einschließlich ehrenkränkender Behandlung, Zumutung oder Tätlichkeit) gegenüber dem Betroffenen;
2. durch Äußerung eines solchen Werturteils über den Betroffenen gegenüber Dritten;
3. durch eine Tatsachenbehauptung (nur) gegenüber dem Betroffenen.

Bei Letzterer ist umstritten, ob die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung zum objektiven Tatbestand gehört oder ob hinsichtlich der Wahrheitsfrage im Rahmen des § 185 StGB die für die üble Nachrede geltende Regelung des § 186 StGB entsprechend anzuwenden ist (»Nichterweislichkeit« als objektive Strafbarkeitsbedingung, s. dazu Rn. 511). Nach der Rechtsprechung und der im Schrifttum überwiegenden Auffassung ist die »Unwahrheit« – wie bei § 187 StGB – objektives Tatbestandsmerkmal des § 185 StGB. Dies hat die Konsequenz, dass sich der Vorsatz darauf beziehen muss und dass im Strafverfahren der Grundsatz »in dubio pro reo« gilt, wenn die Wahrheits- oder Vorsatzfrage nicht geklärt werden kann. Bei einer wahren oder nicht erweislich unwahren Tatsachenbehauptung – bzw. bei fehlendem/nicht bewiesenem Vorsatz – kann sich danach eine Beleidigung allenfalls noch aus der Form oder den Umständen der Äußerung ergeben (§ 192 StGB).[1]

Die verbreitete Gegenmeinung hält § 186 StGB für entsprechend anwendbar, weil diese Vorschrift ein »allgemeines Grundprinzip« des strafrechtlichen Ehrenschutzes enthalte: Der begründete Achtungsanspruch oder Geltungswert (Ehre), der durch eine wahre Behauptung an sich nicht verletzt werden könne, werde zugunsten des Betroffenen vermutet, bis die Wahrheit bewiesen sei (»Ehrvermutung«). Sonst werde das Opfer auch gegenüber unwahren Behauptungen weitgehend schutzlos gestellt, weil der Nachweis der Unwahrheit bzw. des entsprechenden Vorsatzes oft schwierig sei. Der in seiner Ehre Verletzte dürfe nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder die Verletzung hinzunehmen oder einen oft aussichtslosen Beleidigungsprozess anzustrengen. Außerdem werde die Behauptung – wie bei § 186 StGB – auch Dritten und der Öffentlichkeit zugänglich, sobald der Betroffene Rechtsschutz in Anspruch nehme.[2] Dass § 185 StGB nicht ausdrücklich die Beweisregel des § 186 StGB enthalte, habe lediglich historische Gründe: Der Gesetzgeber sei ursprünglich davon ausgegangen, dass bei der »Beleidigung« ein Wahrheitsbeweis überhaupt unzulässig sei. Insofern bedeute die Anwendung des § 186 StGB keine »Ausdehnung« eines in § 185 StGB nicht vorgesehenen Ehrenschutzes, sondern dessen sachgerechte »Begrenzung«.[3]

Die überwiegende Auffassung beruft sich dagegen zunächst auf das Analogieverbot, das mit der entsprechenden Anwendung des § 186 StGB verletzt werde.[4] Die dort vorgesehene Beweislastumkehr (»in dubio contra reum«) sei überdies dem Strafrecht prinzipiell fremd und bedürfe im Bereich der Beleidigung einer ausdrücklichen Regelung. Vor allem aber habe die Beschränkung des § 186 StGB auf Behauptungen gegenüber Dritten auch ihre innere Berechtigung: Die Äußerung der Wahrheit sei für sich allein noch keine Ehrverletzung (§§ 190, 192 StGB); § 186 StGB regele eine spezielle Situation der Ehrgefährdung, die sich gerade daraus ergebe, dass der Täter mit seiner Tatsachenbehauptung nicht nur die eigene Missachtung bekunde, sondern Dritten die tatsächlichen Grundlagen für deren Missachtung (negative Urteilsbildung) liefere. Hinzu komme die Gefahr eines »summierten Geltungsschadens« durch weitere Verbreitung der Behauptung. Allein wegen dieser besonderen Gefährlichkeit des Ehrangriffs durch Behauptungen gegenüber Dritten werde in § 186 StGB der ungeminderte Geltungswert des Betroffenen im Interesse eines wirksamen Ehrenschutzes »vermutet«, bis die Wahrheit der Tatsachenbehauptung bewiesen sei. Hingegen sei die »Behauptung unter vier Augen« nicht vergleichbar gefährlich, weil der Geltungswert bei Dritten nicht unmittelbar beeinträchtigt werde.[5] Der von einer unwahren Behauptung Betroffene könne erwidern, klarstellen, vor der Weitergabe warnen und auf § 186 StGB zurückgreifen, wenn seine Warnung unbeachtet bleibe; er habe es selbst in der Hand zu verhindern, dass die Behauptung weitere Kreise ziehe. Seinen Belangen werde hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass die Wahrheitsfrage im Prozess stets zu prüfen sei, auch bei einem Freispruch des Täters mangels Vorsatzes.[6]

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