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Bereicherung, Rechtswidrigkeit der (Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils) §§ 263 I, 253 I StGB
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Die beabsichtigte Bereicherung – der erstrebte Vermögensvorteil – ist »rechtswidrig«, wenn auf die Erlangung des Vorteils kein rechtlich begründeter – fälliger, einredefreier, unbedingter – Anspruch besteht (»Rechtswidrigkeit« als objektives Tatbestandsmerkmal mit normalem Vorsatzbezug). Maßgebend dafür ist das bürgerliche oder öffentliche Recht.
Wer lediglich die Erfüllung eines rechtlich begründeten Anspruchs erreichen oder die Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs abwehren will, erstrebt deshalb keine »rechtswidrige« Bereicherung. Dass dabei zur Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen rechtswidrige Mittel (Täuschung, Zwang) eingesetzt werden, macht den Vermögensvorteil selbst nicht »rechtswidrig«. |
Literatur:
LK-Vogel § 253 Rn. 30 f; MK-Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 799 ff. Einführend: Wittig JA 2013, 401 (403 ff). Monographisch: Kösch, Der Status des Merkmals »rechtswidrig« (usw.), 1999.
Rechtsprechung
Grundlegend: RGSt 55, 257 (260 f – dolus eventualis); BGHSt 4, 105 (106 f) und 42, 268 (272) – jew. zum Irrtum; 48, 322 (325 ff – sittenwidriger Anspruch) mit zust. Anm. Kühl NStZ 2004, 387 ff. Beispielhaft: BGH NStZ 2011, 519 (Eintreiben von Zechschulden); NJW 2017, 1487 (1488 – Ersatz von Abschleppkosten); OLG Bamberg NJW 1982, 778 (Abrechnung nicht verwendeter Kleinteile); OLG München NJW 2006, 3364 (3365 – Prozessbetrug in mittelbarer Täterschaft; Vorsatz) mit krit. Anm. Bosch JA 2007, 151 ff.
RGSt 5, 352 (353 f): „Rechtswidrig … bedeutet … nichts anderes, als daß auf die erstrebte Vermögenzuwendung ein Rechtsanspruch nicht besteht. Hat der zu Bereichernde einen rechtlich begründeten Anspruch auf den Vermögensvorteil, so kann sich der Täter so wenig eines Betruges als einer Erpressung schuldig machen.“
BGHSt 3, 160 (162): „Dafür, ob ein Vermögensvorteil rechtswidrig ist oder nicht, ist allein das sachliche Recht maßgebend. Ist danach ein vermögensrechtlicher Anspruch begründet, so wird er nicht deshalb rechtswidrig, weil sich der Berechtigte unerlaubter Mittel bedient, um etwaige Schwierigkeiten, die der Verwirklichung seines Anspruchs entgegenstehen, zu beseitigen.“
Erläuterungen
I. Funktion und systematische Einordnung der »Rechtswidrigkeit«
1. »Rechtswidrigkeit« als objektives Tatbestandsmerkmal
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Das Merkmal »Rechtswidrigkeit der Bereicherung« hat im Betrugs- bzw. Erpressungstatbestand[1] eine bestimmte Funktion: Es soll die Fälle aus dem Tatbestand ausschließen, in denen auf den Vermögensvorteil, der aus dem geschädigten Vermögen angestrebt wird, ein durchsetzbarer (fälliger/einredefreier, »liquider«) Anspruch besteht. Gegen die Verwirklichung dieses Anspruchs – der vor der Tathandlung schon bestehen muss! – wird das betroffene Vermögen strafrechtlich nicht geschützt, auch wenn der Täter dazu unlautere Mittel (Täuschung, Zwang) anwendet. Darin liegt der innere Grund dafür, dass die »Rechtswidrigkeit« hier objektives Tatbestandsmerkmal ist, obwohl es der Gesetzgeber in den subjektiven Tatbestand eingefügt hat.[2]
Fehlt aufgrund des Anspruchs die »Rechtswidrigkeit« der erstrebten Bereicherung, so lässt sich vom Standpunkt der juristisch-ökonomischen Vermögenstheorie aus bereits der »Vermögensschaden« verneinen, da das betroffene Vermögen ohnehin schon mit dem Anspruch auf Zahlung/Herausgabe etc. belastet war („Schadenswegfall aus Rechtsgründen“).[3] Aus dieser Sicht läuft das Merkmal der »Rechtswidrigkeit« des Vermögensvorteils praktisch weitgehend leer und erfüllt allenfalls eine deklaratorische Funktion.[4] Der innere Zusammenhang mit der Frage des Vermögensschadens bestätigt zumindest die systematische Stellung der auf den Vermögensvorteil bezogenen »Rechtswidrigkeit« als Merkmal des objektiven Tatbestandes. Diese Einordnung ist heute der Sache nach überwiegend anerkannt, obwohl sie nur selten ausdrücklich hervorgehoben wird.[5]
Sittenwidrige oder wegen Rechtsmissbrauchs nicht durchsetzbare Ansprüche (z.B. Anspruch auf Rückgewähr übergebener Drogen) schließen die Rechtswidrigkeit nicht aus.[6] Die Rechtsprechung will allerdings einen bloß »possessorischen« Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 I BGB) ausreichen lassen, um die »Rechtswidrigkeit« des Vermögensvorteils zu verneinen.[7]
2. Vorsatz, Irrtum und Versuch bei der »Rechtswidrigkeit«
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Für die »Rechtswidrigkeit« genügt subjektiv Vorsatz in jeder Form, auch bedingter Vorsatz, wobei im Hinblick auf den normativen Charakter dieses Merkmals erforderlich ist, dass der Täter nach laienhafter Bewertung einen Anspruch auf die Leistung zumindest für zweifelhaft hält.[8] Die irrige Annahme, dass auf den Vermögensvorteil ein begründeter Anspruch bestehe, stellt nach h.M. einen Tatbestandsirrtum i.S. des § 16 I StGB dar.[9] Im umgekehrten Fall – tatsächliches Bestehen eines Anspruchs ohne entsprechende Kenntnis des Täters – muss folgerichtig grundsätzlich ein untauglicher Versuch angenommen werden.[10]
Deutlich i.S. der h.M. zum Irrtum und Versuch insbesondere BGHSt 42, 268 (272 f): „Ist der Vermögensvorteil (objektiv) rechtmäßig und weiß der Täter dies auch, so ist sein Vorsatz auf Erlangung eines rechtmäßigen Vorteils gerichtet. Da er keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt, macht er sich trotz seines Willens zur Täuschung nicht [wegen Betrugs] strafbar. [Wenn] der erstrebte Vermögensvorteil tatsächlich objektiv rechtswidrig ist, der Täter ihn aber fälschlicherweise für rechtmäßig hält, ist ein Tatbestandsirrtum i.S. des § 16 I 1 StGB gegeben: Der Täter kennt dann ein objektiv vorhandenes Tatbestandsmerkmal, nämlich die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils, nicht und handelt somit nicht vorsätzlich… Ist dagegen der erstrebte Vermögensvorteil … tatsächlich rechtmäßig, hält der Täter ihn aber fälschlicherweise für rechtswidrig, so befindet er sich in einem sog. ›umgekehrten Tatbestandsirrtum‹… Diese Fallkonstellation erfüllt die Voraussetzungen des strafbaren untauglichen Versuchs. Das Bestehen eines geltend gemachten Anspruchs und damit die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein tatsächlicher Umstand. Eine Fehlvorstellung hierüber ist daher ein Irrtum, der ein objektives Tatbestandsmerkmal betrifft…“
Geht der Täter irrig von der »Rechtmäßigkeit« des Vermögensvorteils aus, obwohl die Rechtsordnung die vorgestellten Ansprüche nicht anerkennt, liegt nur in Ausnahmefällen ein Tatbestandsirrtum vor. Denn ein solcher Irrtum liegt „nicht schon dann vor, wenn sich der [Täter] nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, daß dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozeß durchsetzen könnte.“[11]
Meint der Täter, auch bei einem nicht fälligen oder einredebehafteten Anspruch den Vorteil erschleichen zu dürfen, so wird ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) angenommen, da sich der Irrtum des Täters in diesem Fall auf einen der Rechtsordnung unbekannten Erlaubnisgrund beziehe.[12]
II. Die Rechtswidrigkeit beim Anspruch aus »anderem Rechtsgrund«
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Problematisch ist die Bestimmung der »Rechtswidrigkeit« des beabsichtigten Vorteils, wenn der Täter einen anderen zu einer Leistung veranlasst, die dieser nicht aus dem vorgespiegelten, sondern aus einem anderen Rechtsgrund schuldet (»Inkongruenz« von Leistung und Schuld).[13]
Die Rechtsprechung und die überwiegende Auffassung im Schrifttum[14] stellen in diesen Fällen darauf ab, ob der Getäuschte infolge der Leistung von der aus anderem Rechtsgrund bestehenden Verbindlichkeit befreit wird (dann »Rechtmäßigkeit« des Vermögensvorteils), oder gerade keine Befreiung von der Verbindlichkeit eintritt (dann »Rechtswidrigkeit«). Damit orientiert man sich an den Grundsätzen, die nach der juristisch-ökonomischen Vermögenslehre für den »Schaden«[15] gelten:[16] So soll ein Geldbetrag, den der Gläubiger einer Geldforderung von seinem Schuldner durch Täuschung erlangt, dann ein »rechtmäßiger« Vermögensvorteil sein, „wenn der Schuldner in demselben Umfang von seiner Verbindlichkeit befreit wird“. „Gestaltet der Täuschende dagegen die Vermögensverschiebung so, daß er die Forderung [weiterhin] behält, so hat er sich einen ihm nicht zustehenden und damit rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft“:[17] Dem Empfänger wachse nicht zu, was ihm ohnehin rechtlich zusteht, sondern er erhalte ein »Mehr«, das rechtswidrig sei.[18]
An der »Rechtswidrigkeit« der Bereicherung ändert sich in diesen Fällen auch dann nichts, wenn der Täter sich (oder einem Dritten) eine nicht geschuldete Leistung verschafft, um sich daraus wegen des eigenen Anspruchs schadlos zu halten.[19] Denn die Rechtsordnung gestehe dem täuschenden Gläubiger diese Art der Befriedigung nicht zu.[20] Zu unterscheiden sind hiervon die Fälle, in denen der »Täter« eine Leistung erlangt, um sodann gegen den Gegenleistungsanspruch des »Getäuschten« mit einem Anspruch aus »anderem Rechtsgrund« zulässigerweise aufzurechnen (»Erschwindelung einer Aufrechnungslage«).[21] Hier erlangt der »Täter« i.d.R. einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Leistung (z.B. aus Kauf oder Darlehen), sodass der erlangte Vermögensvorteil rechtmäßig ist.[22]