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2. Die Individualbeleidigung mit »Kollektivbezeichnung«
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Die Beleidigung von Einzelpersonen »unter einer Kollektivbezeichnung« (sog. »Sammelbeleidigung«) ist in zwei verschiedenen Formen möglich. Die erste Form – die als Ehrangriff durch »kollektiv verdeckte Individualisierung« bezeichnet werden kann – besteht darin, dass der Täter mit der Kollektivbezeichnung eine bestimmte Personengruppe umgrenzt und sich herabsetzend über einen Angehörigen oder mehrere Mitglieder der Gruppe äußert, wobei offen bleibt, wer genau gemeint ist, so dass das Opfer lediglich durch seine Zugehörigkeit zur Gruppe individualisiert wird (vgl. z.B. BGHSt 19, 235 [236 f]: „Ein bayerischer Minister ist Kunde eines Callgirl-Ringes.“). Weil auf diese Weise jedes einzelne Mitglied gemeint sein kann, wird allgemein angenommen, dass alle Mitglieder in ihrer Ehre verletzt sind. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei der Gruppe um einen »überschaubaren Personenkreis« handelt, weil sich andernfalls die Beleidigung in der Unbestimmtheit verliert.[16]
Bei der zweiten, in ihren Voraussetzungen erheblich umstrittenen Form der Beleidigung unter einer »Kollektivbezeichnung« wird vom Täter überhaupt nur eine Personenmehrheit benannt, auf die sich seine Äußerung bezieht; der Täter verübt damit den Ehrangriff »kollektiv« gegen alle Mitglieder der bezeichneten Personengruppe (»summarische Ehrverletzung« sämtlicher Mitglieder ohne Individualisierung). Auch diese Form der Sammelbeleidigung bedarf aus Gründen der Bestimmtheit gewisser einschränkender Voraussetzungen, die freilich noch nicht definitiv geklärt sind. Anerkannt ist immerhin eine Grundforderung, die namentlich von der Rechtsprechung entwickelt worden ist: Die bezeichnete Personenmehrheit muss sich aufgrund bestimmter Merkmale aus der Allgemeinheit so deutlich herausheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt und damit die Zuordnung des einzelnen zu diesem Kreis nicht zweifelhaft ist.[17] Da dieses Kriterium gleichsam noch »flächendeckend« ist und Großkollektive wie z.B. »Katholiken« oder »Akademiker« mitumfasst, ist zusätzlich einschränkend zu verlangen, dass der fragliche Personenkreis »zahlenmäßig überschaubar« ist.[18] So fehlt es an einer ausreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe, wenn die Abkürzung ACAB („all cops are bastards“) z.B. auf einem Transparent oder als Kleidungsaufdruck in Bereichen verwendet wird, in denen beliebige Polizisten das Werturteil während ihres Einsatzes wahrnehmen könnten. Denn diese Polizisten sind nur eine Teilgruppe aller Polizisten, die ohne personalisierende Zuordnung betroffen werden kann.[19]