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1. Die echte Kollektivbeleidigung
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Von der Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung im Schrifttum wird anerkannt, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Personengemeinschaften (Verbände, Körperschaften usw.) beleidigungsfähig sind, weil sie über eine eigene, transpersonale »kollektive Ehre« verfügen.[10] Für Behörden und politische Körperschaften wird dies aus § 194 III, IV StGB abgeleitet, der die Folgerung gestatte, dass die Ehre als sozialer Geltungswert nicht nur natürlichen Personen zukomme, sondern auch bestimmten Institutionen.[11]
Aber auch für andere Personengemeinschaften bestimmter Art müsse gelten, „dass ihr Wirken in der Gesellschaft nur möglich ist, wenn ihre Tätigkeit nicht diskreditiert wird, weshalb der soziale Geltungswert solcher Kollektivgebilde in gleicher Weise des Schutzes bedarf wie bei Einzelpersonen“.[12] Einschränkend vorausgesetzt wird dafür im Anschluss an BGHSt 6, 186, dass die jeweilige Personenmehrheit eine „rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllt“ und einen „einheitlichen Willen bilden kann“. Als weitere Einschränkung wird z.T. gefordert, dass keine Abhängigkeit vom Wechsel der Mitglieder besteht.[13] Dagegen sind rein gesellige Vereinigungen nicht beleidigungsfähig. Auch die »Familie« stellt als solche keine beleidigungsfähige Gemeinschaft dar. Als kollektiv beleidigungsfähig werden in diesem Zusammenhang z.B. genannt: politische Parteien und ihre Untergliederungen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Industrie- und Handelskammern, Fakultäten, Kapitalgesellschaften, das Deutsche Rote Kreuz. Nach der Rechtsprechung ist auch »die Bundeswehr« als Institution passiv beleidigungsfähig.[14]
Die Minderheitsauffassung bestreitet demgegenüber z.T. das kriminalpolitische Ehrschutzbedürfnis, weil die »Beleidigung unter Kollektivbezeichnung« (Rn. 127) für den Strafrechtsschutz ausreiche; z.T. und überwiegend argumentiert sie mit dem grundsätzlichen Gedanken, dass die »Ehre« ein personales Rechtsgut nur des Individuums sei. Auch in § 194 III, IV StGB habe lediglich ein aus der Individualehre »abgeleiteter« Ehrenschutz Ausdruck gefunden, der eben besonderer gesetzlicher Anordnung bedürfe.[15]