Читать книгу Krimi Paket 9 starke Thriller im August 2021 - Alfred Bekker - Страница 45
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Оглавление„Meinst du wirklich, wir können ihn jetzt noch fragen?“ Larry Kent verzog unbehaglich sein Gesicht.
„Es ist eine alte Erfahrung aus meiner langjährigen Praxis, dass man Spuren verfolgen muss, solange sie noch frisch sind“, sagte Bount Reiniger.
Der Keeper hatte ihnen gegen ein gutes Trinkgeld verraten, wie man zu Alfredo kam. Der alte Fischer wohnte ganz in der Nähe, und sie hatten beschlossen, ihn gleich aufzusuchen. Don Wilson war direkt zum Schiff gegangen, denn die Nacht war ziemlich fortgeschritten, und die Mädchen würden sich vielleicht Sorgen machen.
„Hier, diese Gasse muss es sein“, sagte Bount leise. Eine Straßenbeleuchtung war bis hierher noch nicht vorgedrungen. Irgendwo kläffte ein Hund. Glücklicherweise war die Nacht klar und der Mond hell, sodass sich die beiden Männer einigermaßen orientieren konnten.
„Das einzeln stehende kleine Häuschen, hat der Barkeeper gesagt.“ Bount deutete auf die Bruchbude.
„Er schläft schon“, flüsterte Larry Kent. „Nicht der kleinste Lichtschimmer ist zu sehen.“
„Alle anständigen Leute sollten jetzt schlafen“, entgegnete Bount. „Der Knabe hat ziemlich getankt. Wahrscheinlich ist er gleich ins Bett gesunken. Vielleicht bekommen wir ihn noch wach.“
Sie traten an die Tür, und Bount klopfte heftig dagegen. Erstaunlicherweise gab die Tür nach und schwang ein Stück auf. Sie war nicht verschlossen. Die beiden Männer sahen sich an, und auf Bounts Stirn bildete sich eine tiefe Falte.
Er drückte die Tür ganz auf, und sie sahen beide sofort den Körper, der knapp dahinter lag.
„Verdammter Mist!“, murmelte Bount. „Hast du eine Lampe?“
„Sicher. So etwas muss man in dieser Gegend immer bei sich tragen. Nicht überall ist die Elektrizität vorgedrungen.“
„Für Kommentare bin ich später dankbar. Leuchte bitte hierher!“
Larry Kent registrierte die veränderte Stimme seines Freundes. „Das muss wohl an deinem Beruf liegen, dass du selbst auf dieser verdammten Insel eine Leiche entdeckst.“
Bount beugte sich zu der Gestalt hinunter.
Alfredo lag verkrümmt auf der Seite. Aus seinem Rücken ragte der hölzerne Griff eines Messers, das tief in den Körper eingedrungen war. Die Kleidung war um die Stelle herum voller Blut. Rasch prüfte Bount, ob der Fischer bereits tot war. Dann schüttelte er den Kopf und erhob sich wieder. „Da ist nichts mehr zu machen. Alfredo hat nicht viel von seinem Gold gehabt.“
Larry wollte nach dem Messer greifen.
„Finger weg!“, herrschte Bount ihn an. „Du darfst nichts anfassen. Wenn man uns hier sieht, verschwinden wir wahrscheinlich für die nächsten Jahre in einem finsteren Verlies voller Kakerlaken. Ich bin nicht sicher, wie leistungsfähig die Polizei auf dieser Insel ist.“
„Lass uns wenigstens nachsehen, ob wir noch eine Spur von den Münzen finden!“, drängte Larry.
Bount gab ihm den Weg frei. „Okay, geh hinein, ich warte solange an der Tür.“
Larry verschwand in der Hütte, und der Lichtstrahl seiner Lampe wanderte durch den einzigen Raum. „Hier steht eine Kassette, die bestimmt aus dem Meer geborgen wurde. Ich nehme sie mit. Wir können sie an Bord genau untersuchen.“
„Was ist drin?“
„Nichts. Sie ist leer. Lass uns verschwinden.“
Bount warf einen Blick auf den Toten. „Es ist nicht meine Art, aber ich möchte in diesem Fall die Polizei lieber nicht rufen. Hier kennt mich niemand, und der Ruf eines Privatdetektivs aus New York dürfte hier verdammt wenig Eindruck machen. Vermutlich fällt den Kerlen nichts anderes ein, als uns alle zu verhaften, damit sie sich wieder in die wohlverdiente Siesta begeben können.“
Larry nickte. „Du hast sicher recht. Meine Erfahrungen mit den Behörden in diesen Breiten sind nicht alle angenehm.“
Ein paar Minuten später hatte die Nacht sie verschlungen, und die Gasse lag ruhig da, als hätte es nie einen Mord gegeben. Aber in wenigen Stunden würde es Tag sein ...
„Das war also das Geheimnis von Alfredo“, sagte Ron Wilson und starrte auf die Kassette, die im hellen Licht der Messe auf dem Tisch stand.
„Sein Geheimnis hat er mit ins Grab genommen“, meinte Larry Kent. „Irgend jemand hat verdammt schnell reagiert.“
Bount nickte. „Entweder jemand aus der Kneipe, oder Alfredo hat sein Geheimnis schon vorher jemand verraten. Wir können keine der beiden Möglichkeiten ausschließen. Aber zuerst sollten wir uns diese Kassette näher an sehen. Gegenstände verraten oft viel.“
Kent drehte den hölzernen Kasten auf dem Tisch. „Eines ist ganz sicher: Das Ding hat eine lange Zeit im Wasser gelegen. Das Holz ist hart wie Stein geworden. Die Beschläge sind völlig verrostet. Ein kräftiger Hammerschlag würde sie brechen wie Streichhölzer. Rein äußerlich gleicht sie Kassetten, wie man sie im 16. und 17. Jahrhundert benutzte, um wertvolle Gegenstände aufzubewahren. Seht ihr, sie hat zwei Schlösser, wahrscheinlich für verschiedene Schlüssel.“
Er klappte den Deckel auf, der sichtlich gewaltsam geöffnet worden war. „Das hat vermutlich Alfredo getan.“ Sie beugten sich über die Kassette. „Sie ist doch nicht ganz leer“, sagte Bount.
Kent nickte. „Da hat tatsächlich jemand was übersehen.“ Er griff in den Kasten und holte aus einer Ecke einen kleinen schwärzlichen Klumpen heraus, nachdem er ihn mit einem heftigen Ruck vom Boden gelöst hatte. Er hielt das Ding ins Licht und drehte es vor den Augen der anderen hin und her.
„Was mag das sein?“, fragte Bount erstaunt.
Ron Wilson lachte leise. „Man sieht, dass du noch nie versucht hast, spanische Schatzschiffe zu bergen. So sehen Gold oder Silbermünzen aus, wenn sie ein paar hundert Jahre im Wasser gelegen haben. Wir müssen sie erst reinigen.“
Kent nickte. „Ich mache es auf chemischem Wege, das geht am schnellsten. Die notwendigen Materialien habe ich an Bord. Schließlich habe ich auf eine solche Chance seit ein paar Jahren gewartet.“
Er schlug Wilson voller Begeisterung auf die Schulter. „So nahe daran waren wir noch nie. Ich rieche das Gold förmlich, das irgendwo dort draußen auf uns wartet.“
Bount hatte noch nie so eine rechte Begeisterung für Schatzsucher entwickeln können, aber er ließ sich gern von der Freude anstecken. Er wusste, dass es Larry Kent nicht auf das Gold ankam. Er besaß genügend Dollars, um sich alles zu leisten, was er wollte. Ihm kam es vielmehr auf die sportliche Note an. Er wollte die größten Fische jagen und als Krönung eines Tages eine spanische Karavelle der Silberflotte finden. Bount war sicher, dass er eventuell gefundene Schätze am nächsten Tag einem Museum zur Verfügung stellen würde.
Wilson war genauso. Ihn reizte das Tauchen. Ein versunkenes Schatzschiff zu entdecken, wäre für ihn das Größte. Auch ihn interessierte der Materialwert solcher Dinge nicht, aber sicherlich würde er einen Farbbericht in „Time“ nicht ablehnen.
Larry verschwand in seinem Labor, das sich ein Deck tiefer befand. Ron lehnte sich zurück und starrte auf die Kassette. „Es wäre zu schön, wenn wir Erfolg hätten.“ Bount nickte, aber er dachte in diesem Augenblick an den toten Fischer in seiner Hütte. Das erste Opfer wegen einer Handvoll alter Münzen. Er ahnte, dass es nicht allein um ein versunkenes Schiff gehen würde. Die eiskalte Hand des Todes hatte ihre Finger bereits nach den spanischen Dublonen ausgestreckt.
„Ich wünsche euch von ganzem Herzen Erfolg“, sagte Bount leise. „Aber ich fürchte, dass es bereits weitere Interessenten für die Goldmünzen gibt. Schließlich ist Alfredo ermordet worden, und sein Mörder ist im Besitz des Inhaltes dieser Kassette. Wenn wir annehmen, dass weitere Münzen darin waren, wird auch der Mörder neugierig nach weiteren Schätzen suchen. Wir wissen nicht, was Alfredo vor seinem Tod ausgeplaudert hat. Vielleicht kennt der Mörder die Stelle bereits, an der Alfredo die Kassette gefunden hat.“
„Die Stelle zu kennen und den Schatz zu heben, sind zwei ganz verschiedene Dinge“, sagte Wilson. „Wir haben die notwendige Ausrüstung an Bord. Mit einem einfachen Taucheranzug ist das nicht zu schaffen.“
„Aber wir können nicht die ganze See im Umkreis der Insel absuchen. Außerdem ist noch lange nicht gesagt, dass am Fundort der Kassette das Schiff liegt, aus dem sie möglicherweise stammt. Selbst ich als Laie weiß, dass es verdammt schwer ist, ein Schiff zu finden, dass seit Jahrhunderten im Wasser liegt - selbst wenn man die Stelle ziemlich genau kennt. Strömungen und die lange Zeit haben ihr Werk getan.“
„Das ist richtig.“ Larry Kent stand wieder in der Tür. Auf seinem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck. Er kam zum Tisch und ließ aus seiner Hand drei blitzende Münzen rollen.
Hell klingend drehten sie sich und blieben schließlich liegen. „Es sind spanische Goldmünzen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Sie haben ihren Bestimmungsort nie erreicht. Ich bin ganz sicher, dass sie aus der Ladung eines Schatzschiffes stammen, das vermutlich in einem Sturm gesunken ist.“
„Wie groß sind die Chancen, es zu finden?“, fragte Wilson.
Kent zuckte mit den Schultern. „Nicht sehr groß, fürchte ich, wenn wir nicht ein paar weitere Hinweise bekommen. Was hältst du von der Angelegenheit, Bount?“
„Meine Erfahrungen mit Expeditionen unter Wasser sind gleich null. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es einen Toten gibt. Wir sind nicht die Einzigen, die von dem Schatz wissen. Machen wir uns doch erst einmal Gedanken darüber, wer noch davon weiß.“ Wilson nickte nachdenklich. „Der Barkeeper natürlich. Aber er hat seine Kneipe nicht verlassen und auch mit niemandem geredet, bevor wir das Lokal verlassen haben. Den können wir also ausschalten.“
„Gut beobachtet“, sagte Bount. „Und weiter.“
„Den Zwischenfall mitbekommen haben eigentlich nur wir. Unser Tisch stand der Theke am nächsten. Am Tresen selber standen noch zwei oder drei Männer. Ich habe nicht darauf geachtet, ob sie vor uns gegangen sind. Jedenfalls könnten sie die Münze gesehen haben.“
„Ich habe darauf geachtet“, sagte Bount. „Du bist dicht dran. Einer dieser Männer hat tatsächlich kurz nach Alfredo den Laden verlassen. Ich weiß natürlich nicht, wer er ist, aber ich würde ihn auf jeden Fall wiedererkennen. Das ist schließlich mein Job. Konzentrieren wir uns also zunächst auf diesen Mann als unseren Hauptverdächtigen.“
„Moment mal!“ Larry hob die Hand. „Wir sind nicht hier, um einen Mord aufzuklären. Darum soll sich die hiesige Polizei kümmern.“
„Wir müssen uns sogar in deinem Interesse darum kümmern“, entgegnete Bount. „Der Mörder kann weitere Informationen von Alfredo bekommen haben. Wir müssen ihn finden. Außerdem muss ich mich aus ganz persönlichen Gründen darum kümmern. Ich habe nun mal was gegen Mord wo und an wem auch immer er begangen wurde.“
„Bount hat recht“, sagte Wilson. „Ich schlage vor, dass wir jetzt erst mal schlafen und morgen früh mit den Mädchen über den Fall reden. Sie müssen ihr Einverständnis geben, das finde ich fair. Außerdem können wir ausgeschlafen besser nachdenken, was wir als nächstes tun. Ich jedenfalls bin jetzt verdammt müde.“
„Das ist eine ausgezeichnete Idee“, stimmte Bount zu. „Es bleiben nur ein paar Stunden bis Sonnenaufgang.“
Larry Kent grinste. „Zwei gegen einen. Na schön, ich bin einverstanden. Heute Nacht passiert ohnehin nichts mehr. Und morgen können wir auch überlegen, ob wir der Polizei einen Tipp geben oder nicht. Ich denke, wir sollten es lassen. Sie wird den Mord vermutlich rasch zu den Akten legen.“
Hoffentlich hast du recht, dachte Bount und ging mit diesem Gedanken in seine Koje.