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„Tours Agency“! Das war ja ein richtig kreativer Name. Bount hatte das Schild sofort entdeckt.

Das Büro lag in einem Flachbau, in dem sich weitere Läden und Büros befanden. Der Bau lag an der Schmalseite des kleinen Hafens, dort wo immer einige Jachten vor Anker lagen. Jeder würde das Schild bemerken, der dort von Bord ging. Es handelte sich sozusagen um eine erstklassige Lage.

Direkt vor dem Büro lag eine schnittige weiße Jacht im Wasser. Ihr Name war „Diablo del Mar“.

An Bord des Meeresteufels war niemand zu sehen. Bount vermutete, dass es sich bei dem Schiff um Bensons Eigentum handelte. In der Nähe des Büros lag sonst kein weiteres Boot am Pier.

Die Jacht mochte eine Länge von etwa zehn Metern haben. Am Heck war der gepolsterte Sessel mit den Sicherheitsgurten für den Angler zu sehen. Geeignet für die Jagd auf Marlins, Schwertfische oder Haie.

Bount wandte seine Aufmerksamkeit dem Büro zu. Ein kleines Schild an der Tür teilte eventuellen Besuchern mit, dass geschlossen sei. Das war normal: Um diese Zeit gab es überhaupt keinen offenen Laden in dieser Stadt. Die Siesta war heilig.

Bount überlegte. Die Gelegenheit war günstig. Er warf einen Blick auf seine Uhr. In etwa einer halben Stunde würde der Betrieb langsam wieder beginnen. Aber dann wollten sie selbst auslaufen. Wer weiß, wann er die „Tours Agency“ noch einmal verlassen fand. Er meinte, dass man das Eisen schmieden musste, solange es heiß war. Benson würde sich zunächst versteckt halten, ehe er weitere Pläne machte.

Kurz entschlossen bog Bount um die Ecke des langgestreckten Gebäudes und überprüfte die Rückseite. Wie er vermutet hatte, gab es hier Lieferanteneingänge. Die „Tours Agency“ war mit einer leichten Holztür und einem unmodernem Schloss gesichert. Nun ja, ein Reisebüro hatte normalerweise keine wertvolle Einrichtung.

Bount rüttelte an der Klinke. Die Tür bewegte sich ein paar Millimeter. Er hatte nur ein kleines Taschenmesser bei sich. Vorsichtig drehte er die Klinge im Schloss.

Zwischendurch sah er sich um, aber auf dieser Seite war erst recht kein Mensch zu sehen. Hinter ihm lag ein Parkplatz, auf dem ein paar Autos abgestellt waren. Sie gaben ihm Deckung zur Straße, die hier in weitem Bogen vom Hafen wegführte.

Das Schloss sprang mit einem leisen Klicken auf. Bount atmete durch und zog die Tür auf.

Vor ihm lag ein halbdunkler Gang, der auf der anderen Seite in das Büro führte. Bount trat ein und schloss die Tür hinter sich. Von dem Gang führten zwei Türen in eine Toilette und in einen Abstellraum, in dem ein paar Stapel verstaubter Prospekte lagen. Auf dem Boden stand ein Elektrokocher mit einem verbeulten Topf.

Der größte Teil des Raumes war leer. Schleifspuren verrieten, dass er hin und wieder benutzt wurde. Jedenfalls gab es keinen Hinweis, worum es sich handelte.

Bount spähte in das eigentliche Büro. Es war mehr als sparsam eingerichtet. Ein Schreibtisch mit einem Telefon. Davor ein paar Stühle und eine vertrocknete Topfpflanze. Dahinter gab es noch ein kleines Regal, in dem weitere Prospekte lagen. Die Wände waren mit knallbunten Plakaten vollgekleistert. Einige empfahlen einen Besuch Kubas mit seinen Spielbanken und Nachtclubs. Das musste noch vor Castros Zeiten gewesen sein. „Tours Agency“ schien nicht ganz auf dem letzten Stand der Tourismusindustrie zu liegen.

Ein breites Schaufenster erlaubte den Blick zum Hafen. Es war allerdings so verdreckt, dass man kaum etwas erkennen konnte. Hier hätte Bount noch nicht mal eine Karte für eine Hafenrundfahrt gekauft!

Alles erinnerte ihn irgendwie an eine Tarnadresse. Und wenn man Bensons Vergangenheit berücksichtigte, war es das vermutlich auch. Bount fragte sich, wie ein Mann mit einem so miesen Büro sich eine solche Jacht leisten konnte. Selbst wenn er berücksichtigte, dass manche Leute auf Äußerlichkeiten wenig Wert legten, so konnte er sich doch kaum vorstellen, dass hier reger Geschäftsgang herrschte.

Er prüfte die Schreibtischschubladen. Sie waren abgeschlossen, aber die winzigen Schlösser waren für sein Messer kein Problem. In der obersten lag ein schwarzes Notizbuch. Es enthielt Telefonnummern, alphabetisch geordnet.

Bount blätterte es rasch durch. Die Namen der Teilnehmer waren fast alle abgekürzt. Die Städtenamen zeigten, dass Benson - oder Bolt, wie er sich hier nannte - Verbindungen zu verschiedenen mittel- und südamerikanischen Staaten besaß. Das war für ein Reisebüro nicht weiter verwunderlich, aber es ließ auch noch andere Deutungen zu.

Es gab auch New Yorker Nummern - ebenfalls nicht erstaunlich. Dort kannte Benson sicher eine Menge Leute. Bount konnte mit den Abkürzungen jedoch nichts anfangen.

Den letzten Namen des Buches fand er unter „V“. Bount hätte später nicht sagen können, warum er ausgerechnet auf diese Abkürzung eine Sekunde länger gestarrt hatte. Vielleicht, weil es eben der letzte Name war. „V. R.“ stand dort, und dahinter „Mi.“ und eine Telefonnummer.

Bount überlegte, was Mi. wohl heißen könnte. In der Verbindung mit der Nummer kam er darauf. Das war die übliche Abkürzung für Miami. Und dort kannte Benson einen gewissen V. R.

Bount zuckte die Schultern. Das Rätsel würde er nicht lösen können. Merkwürdig war vielleicht nur, dass es die einzige Nummer in Miami war. Er merkte sie sich vorsichtshalber und legte das Buch in die Schublade zurück. Benson brauchte nicht unbedingt zu wissen, dass jemand seine neugierige Nase hineingesteckt hatte.

Der Rest in den Schubladen war uninteressant. Ein paar Formulare, Rechnungs- und Quittungsblöcke, Schreibzeug und allerhand anderer Krempel, der sich im Laufe der Zeit in Schubladen ansammelt.

Bis auf den Gegenstand in der untersten Schublade. Ein gut geölter 38. Smith & Wesson. Er war geladen. Bount konnte die matt schimmernden Geschossspitzen in den Trommelkammern erkennen. Daneben lag eine Schachtel Remington-Patronen. Bount stieß einen leisen Pfiff aus. Das erwartete er nicht unbedingt bei der Standardausrüstung eines Reisebüros. Vielleicht wurden die Kunden auch mit vorgehaltenem Revolver gezwungen, die Charterverträge für das Boot zu unterschreiben, dachte Bount grinsend.

Er schob alles wieder zu und ließ die Schlösser mit seinem Messer einschnappen. Er sah sich um, aber es gab weiter nichts Bemerkenswertes. Er glaubte nicht, dass er Spuren hinterlassen hatte.

Bount verließ das Büro wieder durch den Hinterausgang und schloss die Tür ab. Er hoffte, dass Benson nicht misstrauisch werden würde. Dann ging er wieder zur Vorderseite.

Der Hafen war immer noch fast menschenleer. In seiner Nähe hielt sich niemand auf. Er musste es wagen.

Mit wenigen Schritten stand Bount bei der „Diablo del Mar“. Die Laufplanke war eingezogen, aber es war nur ein Schritt an Bord. Seine Füße klangen dumpf auf dem metallenen Deck. Das Schiff schaukelte leicht unter dem Aufprall.

Er umrundete den Angelsessel. Alles war sauber aufgeräumt. Das Sonnensegel war über das ganze Heck gezogen. Trotzdem stand die Luft wie in einer Sauna. Mittschiffs befand sich das zum Heck offene Steuerhaus. Es verfügte über hochmoderne Instrumentierung bis hin zum Radar und Echolot. Bount hatte keine Zeit, sich die Maschine anzusehen, aber er wusste auch so, dass sie leistungsfähig war. Das ließ sich aus den Instrumenten bereits erkennen.

Im Verein mit der schlanken Linienführung ließ das auf hohe Geschwindigkeiten schließen. Mehr, als man zum Hochseeangeln brauchte. Bount hatte bereits seine eigenen Vorstellungen über den Einsatz des Bootes. Immer mehr verdichtete sich der Gedanke, dass Bensons Reisebüro nur die Tarnung für etwas ganz anderes war.

Er verdrängte den Gedanken wieder, denn strenggenommen ging es ihn nichts an, was auf dieser kleinen Karibikinsel an ungesetzlichen Dingen geschah. Andererseits konnte er nun mal nicht über seinen Schatten springen. Und wenn Benson am Tod des Fischers Schuld hatte, dann musste er auf jeden Fall dafür bezahlen.

Umso besser, wenn bei dieser Gelegenheit vielleicht noch ein kleiner Schmuggelring hochging.

Bount drängte sich am Ruderhaus vorbei zum Vordeck. Hier war der Niedergang zur Kabine. Die Mahagonitür war verschlossen. Durch die Bullaugen konnte man ins Innere sehen. Es war eine ganz normale Kabine, wie man sie auf Booten dieser Größenordnung fand.

In der Mitte stand ein schmaler Tisch mit ein paar bequemen Stühlen. An der Schmalseite war eine winzige Bar untergebracht. Alles schien aufgeräumt und sauber.

Bount rüttelte an der Tür. Das Schloss bildete auch kein unüberwindliches Hindernis, und fünf Minuten später war er drinnen.

Das Boot schaukelte kaum merkbar. An der Decke waren Lichtreflexe vom Wasser zu sehen. Rasch durchsuchte Bount die winzige Kabine. Es gab nichts Verdächtiges - und doch sagte ihm sein Gefühl, dass es hier etwas geben musste. Frank Benson, der sich hier Bolt nannte, musste einen Haufen Dreck am Stecken haben, und dieses Boot war der Schlüssel zu seinem Geheimnis.

Sorgfältig prüfte Bount die Wände und den Boden. Er klopfte die kleine Schlafkabine ab, untersuchte den Maschinenraum und öffnete die Luke zur Bilge. Er fand nichts. Als er sicher war, dass es auf dem Boot keinen Hohlraum gab, den er übersehen hatte, dachte er nach. Wenn es so einfach wäre, hätte man Benson längst geschnappt. Auch Zöllner waren nicht unbedingt Dummköpfe. Es musste ein ganz sicheres Versteck sein, eines, das nicht als solches wirkte.

Er dachte an das Schlauchboot auf dem Dach des Ruderhauses, verwarf den Gedanken aber wieder. Irgendwo innerhalb der technischen Einrichtung musste das Versteck sein. Er hatte nicht die Zeit, sich den Maschinenraum genauer vorzunehmen.

Leicht frustriert verließ Bount Reiniger das Boot. Es würde einen anderen Weg geben, Frank Benson aus dem Verkehr zu ziehen. Er war sicher, dass sie sich bald wieder über den Weg laufen würden.

Krimi Paket 9 starke Thriller im August 2021

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