Читать книгу Ben - Alfred Broi - Страница 15

14. Kapitel

Оглавление

Ben war schon wach, als der Handywecker klingelte.

"Oh Mann!" stöhnte er und rieb sich mit den Händen einmal über sein zerknautschtes Gesicht. Was für eine beschissene Nacht!

Eigentlich wäre er am liebsten liegengeblieben, doch der Grund für seine schlaflose Nacht bzw. die Beendigung dieser unhaltbaren Situation trieb ihn jetzt an.

Er ging duschen, rasierte sich, Putze sich die Zähne und zog sich an.

Als er aus seinem Zimmer in den Flur trat, ging er davon aus, dass Derek, wenn er überhaupt schon auf den Beinen war, noch nicht soweit war, wie er selbst. Also nahm er sich vor, ihm einen Zettel zu schreiben, dass er schon weg sei und Foreman die Tür beim Verlassen der Wohnung einfach hinter sich zu ziehen sollte. Der Gedanke, dass hier ein Fremder - auch wenn es Derek war - allein in der Wohnung blieb, gefiel ihm nicht wirklich, doch er hatte wohl auch keine andere Wahl, wollte er zu dem Gespräch mit Sophia nicht zu spät kommen.

Dass all seine Gedanken unnötig waren, erkannte er, sobald er in die Küche ging. Schon im Wohnzimmer fiel ihm auf, dass der Tisch abgeräumt war, die beiden Sessel zurechtgerückt standen und die Kissen auf dem Sofa ordentlich drapiert waren.

In der Küche traf er dann auf Derek, der frisch geduscht und für die Arbeit gekleidet, bereits dabei war, Kaffee zu kochen und gerade am geöffneten Kühlschrank stand. Als er Riley sah, lächelte er. "Guten Morgen, Ben!"

Riley sah ihn zunächst nur überrascht an und nickte, bevor ihm doch noch ein leises "Morgen Derek!" entwich.

Foreman aber blieb fröhlich. "Kaffee läuft!" erklärte er. "Wie sieht es aus? Möchtest du wieder Rührei? Hast du Speck im Haus?"

"Ich…!" Ben hielt inne und blickte verwirrt. "Keine Ahnung!"

"Okay!" Foreman nickte lächelnd. "Ich werde schon alles finden!"

Riley nickte zurück. "Für mich aber heute nicht!" erklärte er.

"Oh!" Jetzt war Derek sichtlich überrascht. "Okay!" Er sah Ben direkt an.

Er will wissen, warum! erkannte Riley. "Ich…!" begann er und wollte schon sagen: …bin mit Sophia verabredet! als er plötzlich stutzte. Warte, Derek ist nicht dumm. Womöglich zählt er zwei und zwei zusammen und seiert mich voll, bevor ich hier wegkomme! "…habe vor der Arbeit noch etwas zu erledigen!" endete er daher eher salomonisch und lächelte unverbindlich.

Derek wirkte im ersten Moment nicht vollkommen zufrieden, doch erkannte er, dass das Thema für Riley damit erledigt war. "Ja gut, dann…!" Er überlegte kurz. "…hole ich mir auf dem Weg zur Arbeit einen Bagel!" Er schloss den Kühlschrank und ging zur Kaffeemaschine. "Kann ich dir wenigstens einen Kaffee anbieten?"

Doch Ben schüttelte den Kopf. "Keine Zeit! Ich muss dann auch los!" Er wandte sich in Richtung Tür. "Du kannst aber noch in Ruhe austrinken. Schließ einfach die Tür hinter dir, wenn du gehst, okay?"

Foreman nickte. "Alles klar!"

"Gut! Dann bis nachher!" Und damit verließ Riley die Wohnung.

*

Mit dem Motorrad kam er gut durch den dichten Verkehr und erreichte das Café fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit.

Gut so, dachte Ben. Dann kann ich mir meine Worte noch ein wenig zurechtlegen. Außerdem würde ihm ein schneller Kaffee sicher guttun. Der fehlende Schlaf machte sich schon bemerkbar. Riley fühlte sich ausgelaugt und träge.

Als er das Lokal jedoch betrat, wusste er, dass er keine Möglichkeit bekommen würde, es langsam angehen zu lassen, denn im hinteren Bereich konnte er Sophia bereits erkennen. Sie saß an einem kleinen Tisch, hatte die rechte Hand an einer Tasse Cappuccino - den trank sie immer - und hielt mit der linken die Tageszeitung.

Ben verharrte in seiner Bewegung und für einen Moment war seine Müdigkeit wie weggeblasen, während er den Anblick seiner Exfrau einfach nur…genoss.

Sophia war schon immer eine absolut atemberaubend schöne Frau gewesen, und auch heute hatte sich daran nichts geändert. Ben überlegte kurz, wie lange ihre letzte Begegnung her war und stellte fest, dass es fast acht Wochen waren. Tief im Inneren verspürte er Freude über das Wiedersehen, wenngleich ihm klar war, dass es kein freudiges Gespräch werden würde.

Deshalb beschloss er, ihren Anblick zunächst einmal einfach nur zu genießen, bevor er zu ihr trat. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, als würde die Welt um ihn herum verharren und er Sophia völlig frei und ohne Stress ungehindert ansehen können, da er auch das Glück hatte, dass sie selbst ihn noch nicht bemerkte.

Ihre schulterlangen, tiefschwarzen, lockigen Haare waren sauber frisiert und umrahmten ihr ebenmäßiges Gesicht mit den feinen Zügen, den hohen Wangenknochen, der kleinen, wohlgeformten Nase, den schmalen Lippen, die einen sinnlichen Mund umspielten, ganz besonders aber die mandelförmigen, stahlblauen Augen, die so intensiv leuchten konnten, wenn sie einen anblickten. Alles war dezent, aber absolut perfekt geschminkt. Das Bild einer wunderschönen Frau, wenngleich der ernste Ausdruck beim Lesen der Zeitung, sie hart und unnahbar erschienen ließ.

Sophia trug ein sandfarbenes, luftiges Sommerkleid, das ihr hervorragend stand. Es war aus weichfließendem Material und umspielte ihren schlanken Körper schon im Sitzen auf wunderbar elegante Weise.

Eine echte Traumfrau, erkannte er zum x-ten Mal und hätte fast gelächelt, doch als im selben Moment sein Gehirn ebenfalls zum x-ten Mal diese beschissene, idiotische und bittere Frage stellte: Wie nur hast du sie jemals gehen lassen können? verging ihm jegliche Freude und seine Lippen verzogen sich zu einem säuerlichen Ausdruck. Weil Sophia eben nicht nur die äußere Hülle ist und sich in ihrem Inneren eine Schlange verbirgt, die hinterhältig, egoistisch und manipulierend ist. Deshalb, du Arsch!

Diese Erkenntnis brachte ihn zurück in die Realität und die Welt um ihn herum lief wieder in normalem Tempo ab.

Ben atmete einmal tief durch und brummte dabei missmutig. Na dann, auf in die Schlangengrube!

*

Sophia blickte von der Zeitung auf, als Ben noch einige Schritte von ihr entfernt war. Als er sah, dass ihre Augen aufleuchteten und ihr sogar ein Lächeln auf die Lippen huschte, war er etwas irritiert. Wahrscheinlich schläft sie auch noch halb, dachte er. Als sie dann aber nicht nur die Zeitung sinken ließ, sich erhob, zwei Schritte auf ihn zumachte und ihn mit den Worten "Hallo Ben!" freundlich begrüßte, sondern dabei sogar ihre Arme um ihn schlang und ihre Wange sanft an seine drückte, war er beinahe so erstaunt, dass er sie nur mit offenem Mund angestarrt und fast eine Erwiderung vergessen hätte.

Alter, was ist denn mit Sophia los? Bin ich im falschen Film, verwechselt sie mich mit Jemandem oder hat sie am Ende gar etwas geraucht? Doch was immer es war, Ben konnte nicht drum hin es zu genießen. Den sinnlich-erotischen Duft ihres Parfums, die Wärme ihrer samtweichen Haut, den kurzen Druck ihrer Brüste gegen seinen Brustkorb, ebenso wie den erregenden Anblick ihres attraktiven Körpers in dem sie wundervoll umschmeichelnden Kleid.

"Hallo Sophia!" erwiderte er sanft, legte auch seine Arme um sie und schloss sogar seine Augen.

Vorsicht! hallte jedoch nur einen Augenblick später seine mahnende Stimme durch den Kopf. Das kann nie und nimmer echt sein! Sie manipuliert dich schon wieder! Ben versuchte ein Argument zu finden, um sich zu widersprechen, fand aber keins und musste zugeben, dass er wohl recht hatte. Also löste er sich von Sophia, obwohl er sich selbst dafür hätte ohrfeigen können. Wie lange war es her, dass Sophia ihn so innig umarmt hatte? Wie lange war es her, dass überhaupt eine Frau so etwas bei ihm gemacht hatte? Er wusste es nicht zu sagen. Jedoch ganz sicher niemand nach Sophia! stellte er verbittert fest.

Sophia sperrte sich nicht gegen den Druck seiner Arme und sie trennten sich. Obwohl Riley wusste, dass er nicht sonderlich fröhlich blickte, behielt seine Exfrau ihr Lächeln bei und ließ auch ihre Hände auf seinen Unterarmen liegen, während sie ihn direkt ansah, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief.

Doch damit nicht genug. Im nächsten Moment wanderte ihre linke Hand zu seiner rechten Wange und sie strich einmal sanft darüber, während sie stärker lächelte und ihre Augen wieder zu leuchten begannen. Gleichzeitig zog sie ihre rechte Hand zurück, umfasste damit seine linke Hand und drückte sie einmal kurz, aber deutlich. Und als wenn all das noch nicht ausreichte, um Ben vollends an seinem Geisteszustand zweifeln zu lassen, sagte sie mit überzeugend echter Freude in der Stimme. "Schön dich zu sehen!"

Das Ganze kam Riley derart surreal vor, dass er beinahe Ja, du mich auch! geraunt hätte, doch gerade als er dem unwirklichen Treiben ein Ende bereiten wollte, konnte er in Sophias Augen etwas erkennen, dass er in diesem Moment ganz und gar nicht erwartet hätte: Traurigkeit!

Doch wieder schalt ihn sein eigenes Ich einen gottverdammten Narren. Du irrst dich, das ist keine Trauer! Und falls doch, dann bilde dir bloß nicht ein, sie würde dir und eurer Beziehung nachtrauern. Im Gegenteil, dann ist das, weil sie erneut erkennt, was für ein Trottel du bist!

Irgendwie schaffte es sein Inneres, ihn selbst gegen sich aufzubringen und fast hätte er sich selbst angeschnauzt, endlich den Mund zu halten. Das aber konnte er gerade noch verhindern, doch er ermahnte sich mit aller Macht, jetzt endlich mit diesem Unsinn aufzuhören und sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Sophia mochte sich etwas anders verhalten, als es sonst der Fall war, doch hatte sich an ihrem Verhältnis nicht das Geringste verändert. Also war er noch immer ein Idiot und sie eine falsche Schlange. Wenn er dies nicht vergaß, würde er auch keine Überraschung erleben. Und die konnte er jetzt weiß Gott auch nicht gebrauchen, sondern nur Freiheit, Ruhe und Einsamkeit. Kurz: Er musste Derek loswerden! Und damit das gelang, musste er heute zur Abwechslung Sophia manipulieren.

Na dann, Alter, viel Glück! Ich beschäftige mich derweil mit der Zähmung eines weißen Hais - das ist sicher einfacher!

*

"Können wir uns setzen, bitte?" fragte Ben.

Sophias Lächeln hielt noch einen Augenblick an, dann verging es, während sie ihn forschend, aber auch leicht irritiert ansah, bevor sie nickte. "Natürlich!"

Sie trennten sich endgültig und setzten sich gegenüber. Während Ben sich seiner Jacke entledigte, gab Sophia einer Kellnerin ein Zeichen. Die junge Frau kam sofort zu ihr. "Einen Pott Kaffee bitte!" erklärte sie, die Kellnerin nickte und verschwand wieder. Dann blickte Sophia über den Tisch. "Ich hoffe, das ist noch richtig!?" Sie lächelte etwas unsicher.

Riley nickte. "Alles wie immer!"

Sophias Lächeln verschwand. "Wirklich? Das schien mir heute Nacht aber nicht so!"

Da! erkannte Ben. Damit ist das Vorgeplänkel vorbei. Eine Minute Märchenstunde, jetzt wieder knallharter Drill. Sie kommt noch immer schnell zur Sache! Fast hätte Ben gegrinst. Das hat dir in vielen Dingen immer sehr gut gefallen! Besonders in körperlichen Belangen! Doch dann riss er sich zusammen. "Ja, nun!" begann er. "Es geht um die Sache mit Derek und Leyla!"

"Ach?" Sophia schien augenblicklich sehr überrascht. "Okay!" Im nächsten Moment wirkte sie beinahe enttäuscht. Doch schon eine Sekunde später hatte sie sich wieder im Griff und nickte. "Das ist im Moment wahrlich ein sehr …!" Sie verzog die Mundwinkel. "…wichtiges Thema!"

Bevor Ben darauf reagierte, sah er seine Exfrau äußerlich ausdrucklos, innerlich aber ziemlich irritiert an.

Sie hat etwas Anderes erwartet! erkannte er. Hatte sie etwas Anderes erwartet? Er war sich nicht sicher. Doch irgendetwas war gewesen, sonst hätte sie auf seine Begründung für dieses Gespräch anders reagiert, zumindest aber nicht so. Doch was mochte das wohl gewesen sein? Was Anderes hätte sie wohl erwarten können? Sicherlich nicht, dass Ben in Selbstmitleid über sein tristes, dröges, ungerechtes und sinnloses Leben aufging. Denn das hatte er zu Beginn ihrer Trennung oft genug getan, bis sie ihm auf ihre beschissen-nette, aber auch eiskalt-unmissverständliche Art zu verstehen gegeben hatte, dass er endlich aufhören sollte, sich wie ein Kleinkind mit voll gepisster Windel zu benehmen und stattdessen wieder wie ein Mann mit Eiern in der Hose. Seither war Ben in ihrer Gegenwart keine noch so kleine Klage über die Lippen gekommen, obwohl sich an seiner himmelschreiend-aussichtslosen Existenz nicht das Geringste geändert hatte. Was also glaubte sie, dass Ben ihr jetzt wohl erzählen wollte? Riley wusste es nicht und das machte ihn für ein paar Augenblicke echt zu schaffen, bevor er sich wieder konzentrieren konnte.

"Ja!" bestätigte Ben schließlich. "Und weil wir beide ja mit ihnen…!" Er wartete, bis Sophia ihn ansah. "…befreundet sind, sollten wir darauf hinarbeiten, dass die Sache schnellstens geklärt wird!" …und wir alle wieder unserem normalen Leben nachgehen können! hätte er gern noch hinzugefügt, doch verkniff er sich das.

"Das klingt mir aber sehr danach, dass du das einfach nur ganz schnell hinter dich bringen willst!?" meinte Sophia mit ernster Miene.

Woher weiß sie das? Ich habe es mir doch verkniffen! Aber so schnell hatte er sein Pulver noch nicht verschossen. "Wenn du meinst!" erklärte er wenig erfreut. "Aber so ist es nicht! Ganz im Gegenteil!" Er sah zu seiner Zufriedenheit, dass Sophia etwas überrascht war. "Eigentlich ist das alles doch einfach nur sehr traurig, oder?" Er bekam keine Reaktion von seiner Exfrau, dennoch hörte sie ihm aufmerksam zu. "Die beiden lieben sich doch! Du weißt das, ich weiß das!" Er schüttelte den Kopf. "Und die beiden wissen das auch! Leider hat es einer von ihnen…!" Er sah Sophia mit einem Blick an, der ihr sagen sollte: Die dumme, schwache Leyla! Doch er erhielt erneut keine Reaktion. "…für einen Moment vergessen! Okay…!" Er wiegte seinen Kopf mehrmals hin und her. "…es war sicherlich ein denkbar schlechter Moment, aber…trotz allem doch nur ein einmaliger Augenblick der Schwäche!"

Sophia schien erneut nicht reagieren zu wollen, doch dann nickte sie mehrmals. "Das klingt…logisch!" meinte sie.

"Genau!" Ben fühlte sich in seinem Gedankengang bestätigt. Hey, stellte er fest, ich kann das auch! Ich manipuliere gerade meine Exfrau! Geil! Ben, der Psycho-Guru! "Allerdings hat Derek das noch nicht so ganz geschnallt und er ist daher - wie soll ich sagen? - noch ein wenig aufgebracht. Deshalb macht er Sachen, die er eigentlich nicht tun sollte! So, wie gestern Abend zum Beispiel!"

Sophias Augenbrauen sanken augenblicklich herab. "Wieso? Was war denn gestern Abend?"

Ich weiß tatsächlich etwas, dass sie nicht weiß! Fast hätte Ben gegrinst. "Derek war gestern Abend zuhause, um sich Klamotten für einen Hotelaufenthalt zu holen!" erklärte er mit ernster Miene. "Leyla war auch da und sie schien ihm sehr nachdenklich und weinerlich. Er wollte sie trösten und ist dabei ein wenig...!" Riley verzog die Mundwinkel. "…übers Ziel hinausgeschossen!"

"Was hat er getan?" fragte Sophia, offensichtlich Schlimmes ahnend.

"Er wollte sie länger in den Armen behalten und…!" Okay, das stimmt jetzt vielleicht nicht ganz! "…wohl auch küssen!"

"Oh Mann!" Sophia atmete hörbar ein und verdrehte ihre Augen.

Hey, verdammt, was soll es? Er liebt Leyla, da ist das doch wohl verständlich, oder? Ben spürte, dass er etwas die Geduld verlor und sich Ärger in ihm breitmachte. Schließlich hat er nicht versucht, sie zu irgendetwas zu zwingen! "Ja, aber glaub mir!" erwiderte er sofort. "Es war doch nur, weil er dachte, Leyla würde Hilfe brauchen!" Ben lächelte. "Er hat es nur gut gemeint!" Doch als Sophias Blick ernst blieb, lenkte er ein. "Na ja, zumindest hatte er nichts Böses im Sinn!"

Für einen Augenblick entstand Stille, die Ben nutzte, um einen ersten, großen Schluck aus dem Kaffeepott zu machen, den ihm die junge Bedienung vor einer Minute an den Tisch gebracht hatte.

Sophia saß in dieser Zeit eher unbeweglich da und schien tief in Gedanken versunken. Schließlich schob sie einmal kurz ihre Lippen nach vorn, bevor sie hörbar einatmete. "Also gut! Bist du fertig?" fragte sie und ihr Blick wurde zunehmend düsterer.

Ben nickte und überlegte, was jetzt von ihrer Seite wohl kommen mochte. Hatte sie womöglich so etwas wie ein Ass im Ärmel? Er spürte, wie Unbehagen in ihm aufkam.

"Dann will ich dir mal die Dinge aus meiner Sicht erklären!" Sie atmete nochmals tief durch. "Dass Derek gestern bei Leyla war, wusste ich bereits!"

Was? Aber…? Ben spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Oh verdammt, natürlich, Leyla…!

"Allerdings wollte ich erst hören, was er zu dir darüber gesagt hat!"

"Wieso?" raunte Riley mit säuerlich verzogenen Mundwinkeln. "Was hat Leyla denn erzählt?"

"Eigentlich genau das Gleiche!" Sophia lächelte kurz. "Derek kam, packte Sachen zusammen, sah sie in der Küche sitzen, und ja, sie hat geweint…!" Sophia nickte. "Daraufhin hat sie zugelassen, dass er sie in seine Arme schloss, doch als sie das nicht mehr wollte, hat er sich gesträubt, woraufhin sie Panik bekam und ihm eine Ohrfeige verpasst hat!"

Eine Ohrfeige? Schatz, du solltest mal seine Wange sehen! Deine Freundin hat einen echt knackigen Schwinger! Moment, was heißt hier Schatz? Ben war verwirrt. "Genau!" bestätigte Riley aber nur. "Aber Derek wollte ihr keine Angst einjagen. Und es tut ihm wahnsinnig leid, dass es dazu gekommen ist!"

"Das habe ich Leyla auch gesagt!" erwiderte Sophia. "Und sie sieht das genauso. Sie unterstellt ihm nichts, doch war es die falsche Reaktion zum falschen Zeitpunkt!"

Wann bitte schön, ist denn bei euch Weibern jemals der richtige Zeitpunkt? "Und was soll das jetzt heißen?"

"Eigentlich hatte ich vor, mich morgen mit Leyla zu treffen und mit ihr über alles zu reden! Aber bevor Derek gestern nachhause kam, hatte Leyla mich bereits angerufen und wir haben uns über eine Stunde am Telefon unterhalten!" Sophia verzog das Gesicht. "Ich sagte ihr zwar, dass mir ein persönliches Gespräch lieber wäre, aber ich konnte sie doch nicht so einfach abweisen!" Es schien, als würde sie bei Ben um Verständnis bitten. "Als wir wieder auflegten, schien sie mir noch trauriger, als zuvor. In diesem Zustand muss sie Derek vorgefunden haben. Als er dann wieder gegangen war, rief sie mich gleich nochmal an. Dieses Mal aber konnte ich sie davon überzeugen, zu ihr zu kommen. Wir haben den ganzen Abend geredet, bis kurz nach Elf. Dann bin ich nachhause und hatte mich gerade hingelegt, als du mich angerufen hast!"

"Sorry!" meinte Ben und er war ehrlich betroffen. "Das habe ich nicht gewusst!"

"Natürlich nicht!" Sophia lächelte milde. "War auch nicht schlimm. Ich war so kaputt, dass ich quasi schon eingeschlafen bin, noch bevor ich richtig aufgelegt hatte!" Sie lächelte erneut.

"Das freut mich!" erklärte Riley. Tut es gar nicht! Wieso konnte sie schlafen, aber ich nicht?

"Um auf das Gespräch mit Leyla zurück zu kommen!" hob Sophia wieder an. "Sie hat noch nie leichtfertig gehandelt!" Sie wartete, bis Ben sie ansah. "Auch in diesem Fall nicht!"

"Was…?" Seine Augenbrauen sanken herab und ein ungutes Gefühl beschlich ihn. "…soll das heißen?" Etwa die nächste Scheidung? Verdammt!

"Leyla ist kein dummes Ding, das sich von ein paar hübschen Augen, einem Lächeln oder einem durchtrainierten Körper den Kopf verdrehen lässt!" erklärte Sophia. "Es gab im Vorfeld einige Treffen zum Essen, sogar einen gemeinsamen Museumsbesuch und ein paar Spaziergänge. Dabei entstand erst Sympathie, dann Freundschaft und dann…mehr!" Sophia verzog die Mundwinkel. "Als Leyla es geschehen ließ, hatte sie nicht das Gefühl, das es falsch sei. Oh, sie liebt Derek! Keine Frage, aber die Beziehung zu ihm war einfach abgekühlt, in Routine verblasst. Und sie sich nicht mehr sicher, welchen Wert sie noch für sie hatte. Deshalb ist es geschehen!" Sie sah Ben direkt an.

"Okay!" Riley nickte bedächtig. "Das ist nachvollziehbar!" Er atmete tief durch. "Aber noch immer nicht richtig!" Er erwartete, dass Sophia ihm widersprach.

Doch zu seiner Überraschung stimmte sie ihm sofort zu. "Da hast du absolut Recht!" Sie nickte. "Und genau das habe ich Leyla auch gesagt!"

"Und?"

"Sie weiß, dass sie einen Fehler gemacht hat!"

Na also, dann ist ja…

"Allerdings nicht, welchen!" Sophia sah Ben wieder an.

Was? Rileys Augenbrauen sanken herab. "Was soll denn das heißen?"

"Leyla ist noch immer total durcheinander!" erklärte Sophia. "Ihre Gefühle für Derek sind noch da, aber irgendwie ist sie nicht sicher, ob es noch Liebe ist oder nur noch Freundschaft. Außerdem empfindet sie etwas für David…!"

Als Ben diesen Namen hörte, spürte er Zorn in sich aufkommen. David, der Hurensohn! Vielleicht sollte ich ihm mal nachts in einer dunklen Gasse auflauern und ihn ordentlich verdreschen, damit er seine verdammten Wichsgriffel von anderen Männer Frauen lässt und ich endlich mein Leben zurückbekommen kann.

"Doch ist sie auch nicht sicher, ob das nur Freundschaft ist oder am Ende doch…mehr!"

Himmel, was weiß diese Frau eigentlich überhaupt? "Verständlich!" Ben blickte säuerlich. "Aber für alle Beteiligten eher…suboptimal!" Geiles Wort!

Sophia zog die Augenbrauen hoch. "Da bist du aber überraschend nachsichtig!" Sie lächelte kurz, bevor sie wieder ernst wurde. "Das war ich nicht!"

Jetzt war Riley überrascht. Ist die kleine Sophia etwa ein wenig genervt und ungeduldig?

"Ich habe ihr klar zu verstehen gegeben, dass sie sich jetzt nicht in Selbstmitleid oder Selbstzweifeln ergehen darf, sondern sich eine Auszeit nimmt und die Sache gründlich durchdenkt!"

Ja, sie ist eindeutig not amused! stellte Ben nicht ohne eine gewisse Belustigung fest. "Das hast du gut gemacht!" meinte er, nickte und lächelte ihr zu. Sie denkt ja fast so, wie ich. Damit komme ich meinem Ziel einen großen Schritt näher.

"Danke!" Sophia blieb aber ernst. "Ich hoffe, sie tut auch, was ich gesagt habe und erspart uns allen damit eine quälend lange Warterei!"

Oh Mann, Sophia. So kenne ich dich ja gar nicht mehr. Das…Himmel, das macht mich echt an. Ich könnte dich glatt… Ben musste sich innerlich förmlich anbrüllen, wieder zu Sinnen zu kommen. Damit das gelang, ließ er seine Fantasie Sophia in eine Schlange verwandeln. Du kannst ihr nicht trauen! mahnte er sich. Wunderschön und begehrenswert, aber dennoch falsch! "Genau!" Ben nickte zufrieden. "Und solange das dauert, kann Derek gut in einem Hotel verweilen. Ich verspreche auch, ich werde mal mit ihm Essen gehen, ein Bier trinken, ins Kino oder ins Stadion!" Vielleicht, aber das musste er Sophia ja nicht auf die Nase binden.

Sophia sah ihn einen längeren Moment ausdrucklos an. Dabei leuchteten ihre Augen sehr intensiv, dass Ben eine Gänsehaut auf seinem Rücken verspürte. "Danke!" Als sie dann auch noch sanft lächelte, erhöhte sich sogar Rileys Pulsschlag. "Aber…!" Plötzlich wurde sie wieder ernst. "…ich wünschte mir, du würdest etwas mehr tun!"

Ja, was denn noch? Oh verdammt, Sophia, ich war fast so weit, mit dir und meinem serbischen Bullen heute Abend ein nettes Stündchen zu verbringen, aber jetzt willst du mich ja doch nur wieder manipulieren. Wie soll denn da Spaß aufkommen? "Was meinst du?"

"Könntest du Derek…?" Sophia hielt inne und wartete bis Ben sie ansah. Dabei war zu sehen, dass ihr wohl bewusst war, was sie jetzt von ihrem Exmann verlangte. "…nicht so lange…bei dir wohnen lassen?" Ihr Blick hätte in diesem Moment sogar Stahl schmelzen lassen.

Was? Du bist wohl übergeschnappt? Nein, du bist vollkommen verrückt geworden! Total irre! "Ich…?" Ben musste schlucken. Ihm wurde schlagartig übel. "…soll was?"

"Ich weiß, das ist viel verlangt, aber…!"

"Das…!" Riley schüttelte mit weit geöffneten Augen, sichtlich perplex, den Kopf. Das muss ein Alptraum sein.

"Du hast doch das Gästezimmer!" erklärte Sophia weiter. "Da könnte er doch auch weiterhin prima wohnen!"

"Ich…!" Ben schluckte hart. So kneif mich doch mal einer!

"Ich bin sicher, Derek wüsste das sehr zu schätzen. Und er wäre nicht so allein. In einem Hotelzimmer würde er ja doch nur grübeln und sich sonst was ausmalen!"

"Ich…!" Wieder brachte Ben kein weiteres Wort heraus. Warum nur hasst mich Sophia? Hat sie mich überhaupt jemals geliebt, wenn sie mir so etwas antun will?

"Bitte, Ben…!" Sophias Blick wurde mit einem Mal traurig und kraftlos und auch ein wenig flehentlich, während sie wartete, bis er sie ansah. "…tu es für mich!"

Ben spürte, wie ihre Augen ihn fixierten, ihr Blick förmlich in ihn eindrang. Dabei leuchteten sie wieder so unglaublich intensiv, dass er sich dem Feuer in ihnen nicht entziehen konnte. Auch nicht nach so langer Zeit.

Oh verdammt, wehre dich! brüllte sein Innerstes zwar, doch es war, als wäre es ein meilenweit entferntes Flüstern in einem rauschenden Orkansturm.

Er spürte eine Gänsehaut, die wohlig über seinen Rücken kroch, eine sanfte Wärme, die sein Herz erfasste, tiefer wanderte, intensiver wurde, seinen langsam schneller werdenden Puls, das Kribbeln in der Lendengegend und in seinem Bauch.

Oh Gott, tu es nicht! Denk nicht einmal daran!

Es war, als würde Sophias Blick ihn vollkommen durchdringen. Er war unfähig, sich zu bewegen, konnte seine Augen nicht von ihr lassen und auch an nichts Anderes mehr denken, als nur an sie.

Nein, nein, nein! Herrgott, Ben, sag es nicht. "Okay…!" stieß er hervor und wirkte fast wie in Trance. Sag es nicht! "…ich mach es!"

Sophias Freude über seine Zustimmung sah er nur noch wie durch einen dichten Nebel, ihre Worte klangen so dumpf, als habe er Kopfhörer auf.

Er hätte nicht sagen können, was sie zu ihm sagte.

Plötzlich stand er und sie umarmte ihn wieder. Sehr herzlich, vielleicht länger und inniger, als notwendig. Vielleicht aber auch nicht. Zumindest blieb ihm ihr Duft noch lange in der Nase hängen.

Auch dass sie danach das Café verließ, er sich wieder setzte, und lange Zeit mit leerem Blick reglos in die Gegend starrte, bekam er kaum mit.

Alles, was in seinem Kopf noch eine Rolle spielte, war diese bittere Erkenntnis:

Oh verdammt, du hast es gesagt!

Ben

Подняться наверх