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20. Kapitel
ОглавлениеBen war gegen Mitternacht noch einmal aufgewacht. Er hatte erneut Durst und holte sich aus dem Vorratsraum eine Flasche Mineralwasser. In der Wohnung war alles still.
Als er am Kühlschrank vorbeikam, verspürte er Hunger. Allerdings hatte er keine Lust, sich jetzt noch etwas zuzubereiten, so dachte er eher an eine Scheibe Käse oder ein Stück Wurst, das er einfach in die Hand nehmen konnte. Doch als er die Tür öffnete, wehte ihm ein herrlicher Duft entgegen. Im nächsten Moment erblickte er ein großes Stück Hackbraten in einer Schüssel, abgedeckt mit Frischhaltefolie. Den muss Derek gekocht haben! Ben stellte fest, dass er erneut beeindruckt war. Aber egal! Der Braten ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, also holte er ihn heraus, schnitt sich kurzerhand eine ziemlich dicke Scheibe davon ab, die er auf einen Teller legte, dann stellte er ihn zurück. Auf der Anrichte sah er noch etwas Weißbrot, das er ebenfalls an sich nahm. Mit dem Mineralwasser und dem Hackbraten ging er zurück in sein Zimmer. Er setzte sich aufs Bett und musste nur einmal in den Braten beißen, um zu wissen, dass er ausgesprochen lecker war. Mit lustvollem Stöhnen schlang er ihn mit ziemlichem Heißhunger in sich hinein. Obwohl er danach noch nicht satt war und ernsthaft überlegte, sich auch den Rest zu holen, blieb er im Bett, denn sein Magen rumorte ordentlich und er verspürte auch schon wieder leichten Kopfschmerz. Verdammter Alkohol! dachte er verbittert und beschloss, es damit gut sein zu lassen. Nachdem er auch die Wasserflasche geleert hatte, schloss er die Augen und konnte überraschenderweise sehr schnell wieder einschlafen.
Erst am Morgen, als der Wecker klingelte, erwachte er.
*
Als er aus dem Schlafzimmer trat, war es erneut sehr still in der Wohnung. Riley ging in die Küche und erwartete dort Derek zu sehen, doch dem war nicht so.
Stattdessen fand er einen gedeckten Frühstückstisch vor. Es gab frische Bagels und Brötchen, dazu Rührei, Honig, Marmelade, Tomaten, Käse, Schinken, Wurst, Kaffee und sogar Orangensaft.
Wow! Riley war sichtlich beeindruckt und verspürte sogleich auch wieder großen Hunger. Er setzte sich und genoss das Essen in vollen Zügen. Während er sich ein Brötchen mit Wurst belegte und dazu jede Menge Rührei in sich hinein schaufelte, las er den Zettel, den Foreman für ihn geschrieben hatte:
Morgen Ben! Ich bin schon früh raus. Ich will zum Lake Liberty und dort eine Radtour machen! Bin zum Abend wieder zurück. Ich hoffe, das Frühstück entspricht deinem Geschmack!? Guten Appetit und angenehmen Arbeitstag! Gruß Derek
Ben musste lächeln, verzog aber gleich darauf die Mundwinkel. Das ist ja wie bei einem Ehepaar! Hier, Schatzi! Bitte, Schatzi! Bis nachher, Schatzi! Bah, widerlich! Das gefiel Ben überhaupt nicht!
Dafür aber das Frühstück umso mehr, zumal es ganz hervorragend schmeckte und Riley sich reichlich daran bediente, bis er rundum satt war.
Also daran könnte ich mich gewöhnen!
Ziemlich zufrieden machte er sich auf den Weg zur Arbeit.
*
Der Tag im Büro verlief überraschend angenehm.
Ben arbeitete sich in das CAPCO-Projekt ein und konnte schnell feststellen, dass er es hier mit sehr professionellen Auftraggebern zu tun hatte. Sämtliche erforderlichen Genehmigungen für den Bau dieser nicht gerade kleinen Lagerhalle waren bereits beschafft worden.
Damit konnte Riley sich darauf konzentrieren, die in dem ersten Gespräch geäußerten Wünsche und Erfordernisse in entsprechende Entwürfe einzuarbeiten. Ben entschloss sich dazu, es so zu tun, wie er es immer tat: Der erste Entwurf war der Funktionellste - alle Baumaterialien hatten den erforderlichen Standard, die Optik war schlicht, aber eben funktionell. Dann entwarf er eine preiswerte Lagerhalle, ohne hierbei jedoch an den Baumaterialien zu sparen, denn in diesem Punkt gab es einfach keinen Spielraum für Diskussionen. Letztlich folgte noch die Luxusvariante - die besten Baumaterialien, eine ausgefallene Optik, eben ein echter Eyecatcher, selbst, wenn es sich hierbei nur um eine Lagerhalle handelte.
Als Riley am frühen Nachmittag damit fertig war, war er sehr zufrieden damit. Aus Erfahrung wusste er, dass der Auftraggeber sich für eine Mischung aus allen drei Entwürfen entschloss, was natürlich hieß, dass Ben noch einen vierten und letzten Entwurf tätigen musste. Doch das war es ihm wert, denn da der Investor über alle Möglichkeiten Bescheid wusste, konnte er für sich die beste Wahl treffen, sodass dieser vierte Entwurf in den allermeisten Fällen dann auch der letzte war und alle in allen Belangen zufriedenstellte. Natürlich gab es im Zuge der Baumaßnahme immer noch die eine oder andere Änderung, doch die waren stets klein und unbedeutend und damit konnte jeder, auch Ben, sehr gut leben. Außerdem konnte Riley so das einmal abgesteckte Budget für die Baukosten in der Regel sehr gut einhalten und Erhöhungen durch die in Auftrag gegebenen Änderungen prima erklären.
Es sei denn natürlich man hieß Sorensen und hatte von einer großen, extravaganten Villa nicht viel mehr als den Hauch einer Vorstellung im Kopf, die sich täglich auch noch nebulös veränderte. Dann war die Arbeit des Architekten ein einziger Spießroutenlauf am Rande des Wahnsinns.
Riley war ja so froh, dass er dieses Projekt losgeworden war. Danke Allyson! Er musste lächeln, weil er sicher war, dass sie ihm damit sicher keinen Gefallen hatte tun wollen. Wenn sie wüsste…
Im Verlauf des Vormittags rief Desmond Parker ihn zweimal an und kam auch einmal bei ihm vorbei. Jedes Mal tat Rileys Herz einen kurzen Satz, weil er befürchtete, Sorensen hatte seinen Nachfolger schon nach so kurzer Zeit vollkommen verbrannt und Parker das Handtuch geworfen, sodass er, Ben, wieder zurückkehren musste, doch seine Sorge war vollkommen unbegründet. Desmond hatte nur ein paar einfache Verständnisfragen, die Ben ihm gern beantwortete und stets das Gefühl hatte, Parker hatte alles ziemlich gut im Griff, was ihn natürlich zusätzlich beruhigte.
Damit war Bens Glück am heutigen Tage aber noch nicht erschöpft, denn nachdem Allyson schon sehr früh im Büro war und Riley förmlich darauf wartete, dass sie kam und ihn nervte, war sie urplötzlich verschwunden. Eine Nachfrage in der Zentrale ergab, dass sie einen Geschäftstermin in der Stadt hatte und heute auch nicht mehr zurückkehren würde.
Zwar fragte sich Ben schon, was dies wohl für ein Termin sein mochte, der den ganzen Tag andauerte, doch nutzte er die Gunst der Stunde und genoss die Ruhe bei der Arbeit.
Als er gegen siebzehn Uhr auf die Uhr schaute war er fast erstaunt, dass es schon so spät war. Eigentlich zog sich der Arbeitstag meist wie ein Kaugummi, doch heute war ihm die Arbeit beinahe flott von der Hand gegangen. Da ja auch Derek nicht anwesend war, wurde er auch nicht ständig an diese Sache erinnert und musste auch nicht mehr über Sophia nachdenken.
Alles in Allem war heute der wohl beste Arbeitstag seit mehr als zwei Jahren gewesen und als er gegen halb Sechs das Büro verließ, war er entspannt, zufrieden und gut gelaunt.
*
Auf dem Parkplatz überlegte er kurz, ob er Derek anrufen und fragen sollte, ob er etwas zum Abendessen mitbringen sollte.
Verdammt, da war es wieder, dachte er. Das alte Ehepaar.
Er verwarf diesen Gedanken jedoch. Aber nicht etwa deshalb, weil er nicht wollte, dass sie wirkten, wie ein homosexuelles Pärchen, sondern weil er irgendwie hoffte und sich insgeheim auch darauf freute, dass Foreman für sie ein wohlschmeckendes Abendessen zubereitet hatte.
Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen! stellte er erneut fest.
Natürlich konnte er etwas Derartiges von Derek nicht verlangen, doch wäre es schon eine sehr nette Geste gewesen, als Dank dafür, dass er bei Riley wohnen durfte.
Und wenn nicht, würde Ben ihn heute zum Essen einladen. Der Mexikaner in der Bodega wäre prima!
Ja, Riley fühlte sich wirklich gut. Ein schöner Tag, dachte er versonnen, stieg auf seine Maschine und fuhr nachhause.
*
Als er sein Motorrad vor dem Haus abstellte, fiel ihm ein alter, dunkelblauer Toyota Corolla auf, der am Straßenrand parkte. Irgendwie kam er ihm bekannt vor, doch wusste er ihn im Moment nicht zuzuordnen.
Außerdem sah er Dereks Audi auf der anderen Straßenseite.
Prima! dachte er. Dann besteht ja die Möglichkeit, dass er etwas gekocht hat!
Er ging ins Haus, öffnete die Wohnungstür, trat ein und stutzte sofort, denn er hörte aus der Küche Stimmen von mehr als einer Person. Lachende Stimmen. Die eine war eindeutig von Derek, bei der anderen war er zunächst ratlos.
Ist Leyla früher zurückgekommen? Nein, das war nicht ihre helle, hohe Stimme. Allyson? Sophia? Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Aber nein! Diese etwas tiefere, dunkle Stimme gehörte nicht zu ihnen. Wer aber war es dann? Blondie oder hatte Derek schon wieder Jemand neues aufgetan? So ganz zufällig am Ufer aufgegabelt! Mr. Unwiderstehlich! Doch, nein, auch das konnte nicht sein, denn er kannte diese Stimme. Er wusste nur noch nicht, wem er sie zuordnen sollte.
Das aber änderte sich schlagartig, als er die Küche betrat und Derek zusammen mit seiner Haushälterin Rosalie am Tisch sitzen und sich angeregt unterhalten sah, während sie Kaffee schlürften und offensichtlich Kuchen gegessen hatten.
Ben blieb im Türrahmen stehen und schaute etwas verblüfft auf die beiden. Im ersten Moment war er zufrieden, dass er die weibliche Stimme endlich erkannt hatte. Obwohl sie schon seit fast zwei Jahren - nach der Trennung von Sophia eben - seine Haushälterin war, bekam er sie fast nie zu Gesicht, da sie meist schon weg war, wenn er von der Arbeit nachhause kam und er ansonsten nur telefonisch mit ihr kommunizierte und die menschliche Stimme dabei nach wie vor noch immer, auch trotz immer besser werdender Medien, mechanisch verzerrt wurde, sodass es kein Wunder war, dass er sie nicht gleich erkannt hatte.
Im nächsten Moment fragte er sich, warum sie noch hier war und erkannte sofort, dass wohl kaum noch unerledigte Arbeit der Grund sein konnte, denn hier wurde doch eindeutig ein entspannter Kaffeeklatsch abgehalten.
Apropos abgehalten! Ben hoffte sehr, dass Derek Rosalie nicht von ihrer Arbeit abgehalten hatte, nur um ihr eine Kante ans Bein zu labern. Er überlegte kurz, ob das Wohnzimmer sauber gewesen war, als er es gerade durchquert hatte. Sogar sehr sauber! stellte er fest. Viel sauberer, als sonst!
Dann endlich fand er seine Stimme. "Rosalie!" rief er in einer Mischung aus Überraschung und Tadel. Sie ist zum Arbeiten hier, nicht zum Tratschen.
Es dauerte einen Augenblick, bis die beiden, die so sehr in ihr Gespräch vertieft waren und sich dabei direkt ansahen, dass sie Riley noch gar nicht wahrgenommen hatten, auf seine Stimme reagierten und fast gleichzeitig ihre Köpfe zu ihm umwandten.
Doch während Derek ihn mit einem breiten Lächeln vollkommen tiefenentspannt mit einem "Ben!" begrüßte, war Rosalie sichtlich erschrocken und schien sich irgendwie ertappt zu fühlen. Ihr "Mr. Riley!" klang dann auch eher nervös und unsicher, während sie sich augenblicklich aus dem Sitz erhob.
Bevor Ben etwas erwidern konnte, sah Foreman sie irritiert und scheinbar amüsiert an. "Du nennst ihn Mr. Riley?"
"Wieso?" brummte Ben und trat zu ihnen. "Wie nennt sie dich denn?" Seine Stimme klang irgendwie gereizt. Vor seinem inneren Auge sah er seine gute Laune gerade vom Pier ablegen und davon segeln.
Jetzt blickte Foreman ihn belustigt an. "Derek!" erwiderte er mit großen Augen.
Na klar, was denn auch sonst? dachte Riley verbittert. Derek, der Charmeur und Frauenversteher! "Was ist denn an Mr. Riley auszusetzen?"
"Ist schon gut, Derek!" meinte Rosalie und warf Ben einen nervösen Blick zu, während sie sich daranmachte, den Tisch aufzuräumen. "Mr. Riley ist vollkommen in Ordnung!"
Doch Foreman beachtete sie gar nicht. "Nichts!" Er sah Riley direkt an. "Ich finde es nur ein wenig diskriminierend!"
"Diskriminierend?" rief Ben überrascht. Spinnst du? "Wieso das denn?"
"Weil ich denke, dass du Rosalie nur beim Vornamen nennst, weil sie deine Bedienstete ist!"
Ist sie ja auch!
"Und sie dich Mr. Riley nennen muss, weil du ihr Boss bist!"
Verdammt genau, so ist es! Probleme damit? "Ja, und?"
Jetzt lachte Derek heiser auf. "Du nutzt ihre Abhängigkeit zu dir aus!"
"Ich…?" Rileys Augenbrauen sanken herab. Vor seinem inneren Auge konnte er seine gute Laune noch am Horizont erkennen, wie sie mitten in ein Orkantief schipperte. "Aber, das ist doch Quatsch!" Etwas in Ben wehrte sich dagegen, seine gute Laune ziehen zu lassen, klammerte sich an sie, wie eine Bisamratte und trieb sie immer weiter vom dem Wirbelsturm weg. "Sie kann mich doch nennen, wie sie will!" Wenn es denn wirklich sein muss?
"Hör bitte auf, Derek!" hob Rosalie plötzlich an und sah Foreman mit ernster Miene an. "Es macht mir nichts aus, dass Mr. Riley mich Rosalie nennt!" Sie sah Riley an und lächelte. "Ich mag das sogar!" Sie wandte ihren Blick wieder zu Foreman. "Aber für mich ist und bleibt er Mr. Riley!" Sie wartete, bis Derek sie ansah. "Das mag ich nämlich auch!" Ein kurzes Lächeln, dann ein leicht verschämter Blick.
Der entging Ben nicht und er war sichtlich erstaunt, wenngleich er sich äußerlich nichts anmerken ließ. Rosalie ist ein schüchternes, devotes, folgsames Mädchen, stellte er zufrieden fest. Und hat bestimmt eine total schmutzige Fantasie! Sie erinnerte ihn sofort an Sophia. Zumindest was die Fantasie anging, nicht etwa die devote Haltung. Natürlich nicht! Allerdings war Sophia die deutlich hübschere und attraktivere Person, wenngleich das nicht hieß, dass Rosalie nicht auch ihre Vorzüge hatte. Doch Ben war stets ein Mann gewesen, bei dem das Auge immer eine große Rolle spielte. Rosalie war auch hübsch und ihr Körper, Ben erinnerte sich, dass sie wohl Mitte Dreißig war, war wohlgeformt und scheinbar noch recht fest, doch steckte er in abgewetzten, teilweise fleckigen Allerweltsklamotten - graues T-Shirt, Jeanshose - und wirkte daher auf ihn nicht sonderlich begehrenswert. Vielleicht, wenn sie in ein hübsches Kleid gehüllt und ordentlich frisiert und geschminkt wäre…?
"Da siehst du es!" meinte Ben zufrieden und grinste Derek an. "Rosalie hat nichts dagegen! Also pup hier nicht rum und sei friedlich!"
Foreman sah man seine Gedanken im ersten Moment nicht an, dann aber lächelte er breit. "Na gut, wenn das so ist!" Er nickte. "Dann macht, was ihr wollt!" Er lachte leise auf.
"Apropos: Macht, was ich wollt!" Ben sah Rosalie an. "Bist du mit deiner Arbeit schon fertig?"
Ihre Reaktion hatte Riley dann jedoch nicht erwartet. "Ich...!" Sie wurde augenblicklich wieder nervös. "…ähm…!" Sie blickte hilfesuchend zu Derek.
Wusste ich es doch! Derek hat sie abgelenkt und jetzt schafft sie ihre Arbeit nicht mehr! Na Bravo! Danke Derek!
"Es ist alles erledigt!" rief Foreman jedoch mit einem breiten Grinsen. "Die Wohnung glänzt und strahlt wie ein Diamant!"
"Okay!" Riley nickte. "Und warum kann mir Rosalie das nicht selber sagen?" Er sah sie fragend an.
"Weil…!" Rosalie war weiterhin nervös und verunsichert. Ihr Lächeln wirkte gequält. "…ich das nicht gemacht habe, sondern…!"
"Ach was!" rief Derek jedoch mit einem Lacher dazwischen. "Wir haben das zusammen gemacht!"
Ben legte die Stirn in Falten. "Was gemacht?"
"Die Wohnung sauber!" erklärte Derek. "Als ich zurückkam, war Rosalie gerade dabei, hier mächtig zu wirbeln…!" Er lächelte die Haushälterin an und zwinkerte ihr zu. "Also hätte ich mich nur in mein Zimmer verkriechen können…!" Er verzog die Mundwinkel. "…oder gehen! Beides wollte ich nicht, also habe ich kurzerhand mitgeholfen. Die Wohnung ist echt groß!" Er wirkte beeindruckt. "Nicht wahr, Rosalie?"
Die Haushälterin lächelte verhalten. "Ja, das ist sie!"
"Und dann habt ihr beide sie auf Vordermann gebracht!?" Er sah Derek, dann Rosalie fragend an.
Derek nickte, Rosalie wirkte zunächst unsicher, doch als Foreman sie aufmunternd anlächelte, nickte auch sie. "Ja, so war es!" sagte sie und atmete tief durch.
"Und am Ende habt ihr dann noch Zeit für ein Schwätzchen gehabt?"
Beide nickten und kicherten leise.
"Na, dann sind ja wohl alle glücklich, was?" Außer mir natürlich! Wie immer!
"Klar!" bestätigte Derek. "Aber das ist noch nicht alles!"
Was denn noch? "Was denn noch?"
"Wir haben uns nebenbei auch noch ums Essen gekümmert!" Er deutete auf die Anrichte auf der anderen Seite der Küche, wo Ben jetzt etliche Schüsseln erkennen konnte.
Er hatte große Mühe, seine innere Freude zu verbergen. "Okay!" sagte er mit ausdrucksloser Miene und einem Nicken.
"Was hältst du davon, wenn du dich in Ruhe frischmachen gehst und wir in der Zwischenzeit das Abendessen zubereiten?"
Ben zögerte etwas. "Klingt gut!"
"Na dann!" Derek legte eine Hand auf seine Schulter und schob ihn förmlich aus dem Raum. "Bis später!"
Als Riley sicher war, dass Rosalie sie nicht mehr hören konnte, meinte er leise. "Du sagst immer wir!" Er sah Foreman direkt an. "Soll das etwas heißen, dass…?"
Derek nickte. "Ja!" bestätigte er. "Ich habe sie eingeladen! Ich finde sie sehr sympathisch und sie hat mir bei den Vorbereitungen echt prima geholfen!" Er sah, dass Ben offensichtlich nicht ganz überzeugt war. "Na los!" Er stupste ihn an. "Gib dir einen Ruck. Das wird bestimmt spaßig!"
Ben überlegte kurz. Die Aussicht auf ein leckeres Essen wog schwerer, als die Tatsache, dass mit Rosalie jetzt fast Massenandrang am Esstisch herrschen würde. "Alles klar! Ich geh mich umziehen!" Er wandte sich ab. Plötzlich fiel ihm etwas ein. "Ach übrigens: Was gibt es denn?"
Foreman lächelte erst, dann grinste er geheimnisvoll. "Kein Spoiler!" Er schüttelte den Kopf. "Lass dich einfach überraschen!"
*
Also gut, von mir aus!
Ben wusste, dass es wohl dauern würde, bis das Abendessen fertig war, daher ließ er sich viel Zeit beim Umziehen und Frischmachen. Er hatte den Fernseher eingeschaltet und ihn nebenbei laufen lassen. Zunächst gab es Nachrichten, die er einigermaßen aufmerksam verfolgte, dann lief eine neue Sitcom über einen muffeligen, zynischen, narzisstischen Kerl, der sich plötzlich um die pubertierende Tochter seines verstorbenen Bruders kümmern musste. Ben gefiel sie überhaupt nicht und er widmete sich einem ausgiebigen Toilettengang.
Als er zurückkehrte, lief gerade Suits. Es war zwar eine ältere Folge, doch Ben mochte diese Anwaltsserie sehr und so setzte er sich aufs Bett und sah zu.
Mann, dachte er schon nach wenigen Minuten zum wiederholten Male, dieser Harvey Specter ist echt ein Mann nach meinem Geschmack! Dem konnte keiner so schnell etwas vormachen. Mit Mike Ross jedoch konnte er sich nicht so recht identifizieren. Der Junge war ihm irgendwie zu sehr bemüht, der Gute zu sein. Dafür aber fand er seine Freundin Rachel umso interessanter, in allen Belangen. Wie wäre es, stellte er sich vor, wenn Harvey und Rachel etwas zusammen anfingen? Donna war sicherlich eine Wahnsinnsfrau, aber nicht unbedingt Bens Typ, zumindest nicht so sehr wie Rachel.
Harvey und Rachel? Interessante Kombination. Aber konnte das wirklich gut gehen? Nein, wusste er sogleich. Aber Rachel und Ben in Harveys Körper, dass wäre wohl perfekt!
Ach, wie gern wäre er doch Harvey Specter!
*
Es klopfte und einen Augenblick später lugte Derek ins Zimmer. "Wir sind fertig!"
Das ging schnell, dachte Ben, doch hatte er mittlerweile ziemlichen Hunger und so folgte er Foreman bereitwillig ins Wohnzimmer. Tschüss Rachel!
Dort hatten die beiden den Esstisch gedeckt.
Gott, wie lange ist das her, dass hier gegessen wurde? Natürlich wusste er es und plötzlich erinnerte er sich schmerzvoll an die wundervollen, langen Abende mit Sophia bei Kerzenschein und einer Flasche Wein dort an diesem Tisch.
"Setz dich!" meinte Derek und verschwand in der Küche.
Von dort wehte Ben bereits ein überaus köstlicher Duft entgegen. Es roch nach irgendetwas mit Fisch, aber er konnte auch Tomatenaroma identifizieren. Da er beides mochte, lief ihm allmählich das Wasser im Mund zusammen.
Um nicht nutzlos zu erscheinen, öffnete Riley eine der beiden Weißweinflaschen, die auf dem kleinen Tisch neben dem Esstisch in einem Sektkühler standen. Ben kostete zunächst und fand, dass er ganz vorzüglich schmeckte.
Er war gerade dabei, alle Gläser zu füllen, als die Küchentür aufgestoßen wurde und Ben und Rosalie ins Zimmer traten.
Seine Haushälterin hatte zwei Schalen in der Hand. Aus der rechten dampfte es und als sie sie auf den Tisch stellte, konnte Ben Bandnudeln darin entdecken. Die andere Schale enthielt einen einfachen, gemischten Salat.
Foreman hatte beide Hände am Griff einer großen Pfanne, in der es dampfend brutzelte. Als er sie behutsam auf den Tisch stellte, konnte Ben mehrere Stücken Lachs erkennen, die in einer blubbernden, hellen Tomatensoße schwammen, die jetzt erst recht köstlich duftete.
Ben konnte dann auch nicht an sich halten und stöhnte genussvoll. "Alter, das riecht ja richtig lecker!"
Derek grinste breit. "Und es schmeckt noch viel besser! Das garantiere ich!"
"Ich kann es aber nicht essen!" meinte Riley kurzum, verlor sein Lächeln und schaute die beiden rundheraus an. Rosalie und Foreman entglitten die Gesichtszüge.
"Aber, warum denn nicht?" rief Derek beinahe bestürzt.
Plötzlich grinste Ben breit. "Weil ich nicht weiß, was es ist!"
Augenblicklich machte sich Erleichterung in ihren Gesichtern breit.
"Das sind Pappardelle…!" meinte Rosalie mit einem Lächeln und deutete auf die Nudeln.
"…mit Lachsfilet in einer süßscharfen Tomatensoße!" fügte Foreman an und zeigte auf den Inhalt der Pfanne.
"Dazu gibt es noch Salat mit Kürbiskernen und gebratenen Speckwürfeln!" endete Rosalie die Menüliste.
"Wow!" Ben war sichtlich beeindruckt, schüttelte aber den Kopf und sah Foreman an. "Wo zum Teufel hast du das gelernt?"
"Na ja…!" Er lächelte geschmeichelt. "Zum einen habe ich das nicht allein gekocht, sondern zusammen mit Rosalie!" Er warf der Haushälterin einen Blick zu und sie lächelte freudig zurück. "Zum anderen habe ich schon immer gern gekocht!" Er begann, zunächst je zwei Stücken Lachs auf die Teller und dann etwas Soße darüber zu geben, während Rosalie entsprechend Nudeln hinzufügte. Dabei erzählte er weiter. "Ich war früher ziemlich eigen, was Nahrungsaufnahme anging. Als es meiner Mutter gereicht hat, sagte sie, ich solle mir das Essen doch selber kochen, wenn es mir nicht schmeckt!" Er lachte leise auf. "Das habe ich dann auch getan!" Er grinste. "Anfangs grenzte es, denke ich, schon an ein Wunder, dass ich es überlebt habe, aber mit der Zeit habe ich nicht nur gelernt, etwas Essbares zu kochen, sondern auch immer mehr Spaß daran gefunden. Ich glaube…!" Er nickte. "…wenn ich nicht Architekt geworden wäre, würde ich heute eine Kochmütze tragen!" Er blickte etwas melancholisch drein.
"Na…!" meinte Ben, als die anderen beiden saßen und erhob sein Glas. "Dann wollen wir doch darauf einfach mal anstoßen!"
Nachdem alle einen Schluck getrunken hatten und sich für eine Minute stumm mit dem Essen beschäftigten, meinte Derek. "Wusstest du, dass Rosalie einen kleinen Jungen hat?"
Ben war innerlich total überrascht. Wusste ich das? Er nickte jedoch. "Klar! Sie hat das bei der Einstellung erwähnt!" Er blickte etwas verlegen. "Sein Name ist…!"
"…Manuel!" half Rosalie ihm und lächelte. "Er ist jetzt sieben Jahre alt!" Bei dem Gedanken an ihn, begannen ihre Augen zu leuchten.
"Okay!" Riley nickte. "Müsstest du dann nicht schon längst…zuhause sein?" Er sah sie mit großen Augen an.
"Was? Nein!" Sie schüttelte den Kopf. "Montags ist er immer bei meinen Eltern. Damit ich hier bei ihnen arbeiten kann! Er bleibt dann auch über Nacht dort. Meine Eltern lieben ihn sehr und er seine Großeltern sowieso!" Sie lächelte wieder. "Und ich habe dann einen Abend in der Woche für mich!" Ihr Blick wurde ernst. "Na ja, eigentlich wartet auf mich auch zuhause eine Wohnung, die geputzt werden müsste und von dem Berg Wäsche will ich gar nicht reden, aber…!" Jetzt wurde ihr Blick sogar traurig. "…es ist lange her, dass ich eine Einladung zum Essen bekommen habe!" Sie blickte zu Derek und begann wieder zu lächeln. "Und eine derart nette noch dazu!"
Foreman lächelte zurück. "Gern Geschehen!"
Für einen Augenblick herrschte wieder Ruhe.
"Wusstest du, dass Rosalie einen Collegeabschluss…?"
Was zum Teufel soll ich denn noch alles wissen?
"…und eine abgeschlossene Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin hat?"
"Nein!" Ben war überrascht. Das ist mir echt neu!
Derek nickte und fixierte Rileys Blick. "Aber ihren alten Job hat sie mit Manuels Geburt verloren und bisher auch keinen neuen mehr gefunden. Seither arbeitet sie in einem Supermarkt!"
"Das ist schon okay!" meinte Rosalie mit einem Blick, aus dem bittere Hoffnungslosigkeit sprach. "Wir kommen zurecht. Nur das ist doch wichtig!"
"Klar!" Derek nickte, blickte aber weiterhin Riley an. "Daran ist nichts auszusetzen!"
Ben wusste, warum Foreman ihn fixierte. Sophia arbeitete in einer Kanzlei. Womöglich gäbe es dort eine Anstellung für Rosalie. Zumindest konnte er das ja mal in Erfahrung bringen. Hätte es ja vielleicht auch schon längst getan, wenn er denn gewusst hätte, dass sie eine Rechtsanwaltsgehilfin war. Jetzt, wo er es wusste, würde er mal mit seiner Exfrau reden. Aber natürlich, weil er das so wollte und nicht etwa, weil er sich durch Dereks Blicke dazu genötigt fühlte. "Man soll die Hoffnung aber auch nie aufgeben!" meinte er daher und gab Foreman mit einem ernsten Blick zu verstehen, dass er verstanden hatte, das Thema jetzt aber beendet haben wollte.
"Stimmt!" Rosalie nickte und widmete sich weiter dem Essen.
"Okay!" hob Derek dann wieder an. "Kommen wir zu einem ernsten Thema!"
Ben zog die Augenbrauen herab. Was kommt jetzt?
Forman sah Rosalie an. "Was zahlt dir Mr. Riley eigentlich die Stunde?"
Wie bitte? Derek, bist du jetzt vollkommen übergeschnappt? In Gedanken kramte Ben die Sache mit dem Erwürgen im Affekt wieder aus.
"Was?" Rosalie erschrak sichtlich. "Ich…ähm…!" Sie wurde nervös und warf Ben einen verstohlenen Blick zu.
"Fünfzehn Dollar!" erklärte Riley mit ausdrucksloser Miene. "Sie bekommt fünfzehn Dollar die Stunde!" Ich könnte mit beiden Händen seinen Hals umschließen!
Derek nickte. "Und für wie lange…?"
"Drei Stunden!" Ben fixierte Foremans Blick. Und dann ganz langsam zudrücken!
"Und?" Foreman sah wieder Rosalie an. "Ist das okay?"
"Was? Ja!" Sie nickte mehrmals. "Das ist absolut Okay! Sogar mehr als das!"
Ben konnte sich eines Grinsens kaum erwehren. Ja, da guckst du was?
Derek nickte mit vorgeschobener Unterlippe. "Das denke ich auch!" Er blickte zu Riley. "Alter, du bist echt nicht knauserig! Respekt! Ich dachte wirklich, du würdest sie mit einem Hungerlohn abspeisen!"
"So, wie du mich, was?"
"Wieso?" Dereks Lächeln verschwand. "Schmeckt es dir etwa nicht?"
"Ehrlich?" Rileys Blick war ernst.
Foreman hob die Augenbrauen an und wirkte etwas nervös.
"Es schmeckt…!" Jetzt grinste Ben. "…großartig!" Er lachte auf, hob sein Glas und alle stießen an. Urplötzlich hatte sich die Stimmung wieder gelöst und fortan wurden keine ernsten Themen mehr durchgekaut.
Alles in Allem dauerte das Essen weit über zwei Stunden und danach blieben die drei noch eine weitere Stunde sitzen.
Als Rosalie dann auf ihre Uhr sah, erschrak sie sichtlich, denn es war schon nach 22 Uhr.
Derek erklärte sich - natürlich - bereit, sie nachhause zu bringen.
Zuvor aber räumten beide sauber ab, bestückten den Geschirrspüler und schalteten ihn ein.
Ben verabschiedete sich von Rosalie, die ihn kurz umarmte und sich für das Essen bedankte. Sie sieht zwar mit ihren Klamotten nach nichts aus, aber sie riecht wirklich gut! stellte er fest.
Dann war er allein und für einige Zeit genoss er die Ruhe in der Wohnung.
Ja, das war wirklich ein schöner Abend. Trotz der vielen Leute. Ben war etwas überrascht, dass ihm das scheinbar gefehlt hatte. Doch er schob dieses Gefühl auf die gegenwärtige, besondere Situation zurück. Eigentlich war er mit seiner Einsamkeit sehr zufrieden, zumal es sich doch gezeigt hatte, dass er in Gesellschaft nicht viel taugte.
Na ja, heute jedenfalls war das anders und hatte den rundum gelungenen Tag sehr schön ausklingen lassen.
Obwohl - und bei dem Gedanken musste er grinsen - er wusste, wie er all das durchaus noch toppen konnte, weil ihm gerade der Begriff Rechtsanwaltsgehilfin durch den Kopf schoss.
Ohne lange zu überlegen verzog er sich in sein Zimmer und ließ seiner Fantasie dort freien Lauf.