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XII

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"Wie fühlst du dich?" fragte Fürst Marco seinen Sohn, nachdem er zu ihm auf den Balkon des Thronsaals getreten war, ihm zunächst nur zugenickt und dann für einige Momente das Treiben der Stadt vor ihnen beobachtet hatte.

"Was meinst du?" erwiderte Kuja und hoffte, dass sein Vater ihm nicht ansah, dass er innerlich erschrocken war.

Zwei Wochen waren vergangen, seit er von seiner Reise zurückgekehrt war und bisher war noch kein Vier-Augen-Gespräch mit Fürst Marco zustande gekommen. Zum einen hatte sein Vater sehr viele Amtsgeschäfte zu führen, bei denen sein Sohn zwar anwesend war, er jedoch natürlich keine Zeit für ein ernstes Gespräch mit ihm finden konnte, zum anderen fand Kuja Spaß daran, sich aktiv an der Hochzeitsplanung zu beteiligen, was ihn ziemlich in Anspruch nahm. Natürlich war Kuja nicht unglücklich darüber, seinem Vater so aus dem Weg gehen und ein Gespräch vermeiden zu können, wenngleich er wusste, dass es früher oder später dazu kommen würde. Ganz offensichtlich war dieser Moment jetzt da.

"In Bezug auf deine bevorstehende Hochzeit, meine ich!" erklärte Marco, während er wieder auf den belebten Marktplatz vor dem Schloss blickte.

Jetzt war Kuja überrascht. "Ich…!" begann er und nickte dann. "Ich fühle mich sehr gut dabei!"

Der Fürst atmete einmal tief durch und nickte dann ebenfalls zufrieden. "Mariella ist eine wunderbare Frau. Intelligent, stark, einfühlsam. Sie hat ein großes Herz am rechten Fleck!" Er drehte sich zu seinem Sohn und lächelte. "Und sie ist atemberaubend schön!"

"Ja!" Kuja sah seinen Vater direkt an. "All das ist sie wahrhaftig!" Er lächelte mit funkelnden Augen. "Sie zu heiraten ist die beste Entscheidung in meinem Leben. Ich bin mir sicher, sie wird mich zu einem glücklichen Ehemann machen und eine hervorragende Fürstin für dieses Land sein!"

Sein Vater nickte. "Recht so!" Dann blickte er wieder auf dem Marktplatz. "Wenngleich ich dann nicht verstehe, warum du so ernst, ja fast schon unzufrieden wirkst!"

Also doch! dachte Kuja. Jetzt lenkte sein Vater das Gespräch in die Richtung, in die er es sicherlich schon von Beginn an haben wollte. "Ich! Aber ich…!" versuchte er sich noch zu winden, doch als Marco ihn mit ernster Miene und stechendem Blick ansah, wusste er, dass er sich nicht herauswinden konnte. "Also gut! Die Sache mit Tizian und Giovanni macht mir noch immer schwer zu schaffen!" erklärte er mit traurigem Gesichtsausdruck.

Fürst Marco sah seinen Sohn einen Augenblick ausdruckslos an, dann nickte er. "Komm…!" Er deutete mit dem rechten Arm an, ihm in den Thronsaal zu folgen. "Ich denke, es wird Zeit, dass du deinem Vater die ganze Sache endlich erzählst!"

Kuja hätte jetzt nur zu gern abgelehnt, doch war ihm klar, dass das nicht möglich war. Also fügte er sich in sein Schicksal und folgte ihm.

Der Fürst ging zu einer ausladenden Sitzgruppe im hinteren Bereich des Thronsaals und orderte von einem Diener Kaffee und Gebäck. Als der Mann weg war, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und fixierte seinen Sohn. "Also?"

Kuja atmete einmal tief durch, dann fühlte er eine gewisse Ruhe in sich. Auch er lehnte sich zurück. "Die Dinge in Polina dauerten länger, als erwartet!" begann er und verzog sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse.

Marco lachte leise auf und nickte. "Ich hatte es dir gesagt. Stadthalter Marisi ist ein guter Mann, aber seine Feste sind fast schon legendär!"

"Wem sagst du das?" Kuja fuhr sich mit der Hand über die Stirn. "Na, jedenfalls sind wir am übernächsten Tag dann sehr früh aufgebrochen, um sicher zu sein, noch vor dem Abend in Santarole einzutreffen…!"

Kuja erzählte seinem Vater in den nächsten Minuten alle Vorfälle. In der Zwischenzeit erschien der Diener mit Kaffee und Gebäck. Der Fürst entließ ihn und schenkte beiden eine Tasse ein, doch essen wollte Kuja nichts.

Schließlich kam er auf die Geschehnisse im Wirtshaus zu sprechen.

"Na ja…!" Er verzog die Mundwinkel. "Nachdem man mich erkannt hatte, ließ es sich der Wirt nicht nehmen, ein kleines Fest zu veranstalten. Dabei lernten wir drei dann auch Marietta kennen!"

"Marietta?"

"Ja…!" Kuja nickte. "Sie war eine junge, verheiratete Frau, die uns Bier und Wein servierte!"

Der Fürst nickte.

"Nach dem Essen wollte Giovanni ein wenig frische Luft schnappen, als er merkte, dass er Magenkrämpfe bekam!" Kuja sah seinen Vater an. "Sicherlich das fette und großzügig gewürzte Essen...!"

"Gepaart mit dem Alkohol!" fügte Marco hinzu.

Kuja nickte. "Richtig!" Er grinste schief. "Na jedenfalls war zufällig Marietta in der Nähe und sagte ihm, dass sie in ihrem Haus einen guten Kräuterbitter dagegen hätte. Also ging er mit ihr!" Kuja sah, dass die Augenbrauen seines Vaters herabsanken. "Mittlerweile kam Burini, Mariettas Ehemann, von der Jagd zurück und ging zuerst in die Schankstube, um dem Wirt seinen Fang zu verkaufen. Als er sah und hörte, was dort los war, wollte er schnell nachhause gehen, um sich umzuziehen und dann zurückkehren. Als er in sein Haus kam und Giovanni bei seiner Frau sah, hat er sofort die völlig falschen Schlüsse daraus gezogen und geglaubt, sie würden Unzucht treiben!"

"Und?" Sein Vater sah ihn mit großen Augen an. "Haben sie?"

"Was?" Kuja war sofort entsetzt. "Nein! Natürlich nicht!" Er schüttelte vehement den Kopf. "Wo denkst du hin?"

Der Fürst sah ihn noch einen Moment nachdenklich und forschend an, dann aber nickte er. "Natürlich! Entschuldige!"

"Burini ist sofort vollkommen ausgerastet und Giovanni blieb nur die Flucht durch das Fenster. Dort traf er auf Tizian und mich. Wir hatten uns Sorgen um ihn gemacht, als er nicht zurückgekommen war und waren ihn suchen gegangen. Der Zufall hatte uns just in dem Moment in die Nähe von Burinis Haus geführt, als er dort flüchtete!" Kuja atmete einmal tief durch. "Weil Burini uns sogar mit seiner Armbrust attackierte, blieb uns letztlich nur die Flucht in die Berge, wo wir dann eine Höhle fanden, in der wir Unterschlupf für die Nacht nehmen konnten!"

In den nachfolgenden Minuten erzählte Kuja dann mit zunehmend emotionaler werdender Stimme von den Geschehnissen am nächsten Morgen. Als er geendet hatte, standen ihm Tränen in den Augen.

Danach kehrte für einen längeren Moment Stille ein.

"Du weißt nicht, wie Marietta in die Höhle gekommen ist?" fragte der Fürst.

Kuja schüttelte den Kopf. "Ich habe tief und fest geschlafen!"

Marco nickte. "Und warum, glaubst du, hat sie diese furchtbare Tat begangen? Was war ihr Motiv?"

Kuja sah seinen Vater einen Augenblick nachdenklich an. "Ich weiß es nicht!" Er zuckte in den Achseln. "Vielleicht war sie in Geldnöten und erhoffte sich, etwas stehlen zu können, während wir schliefen! Vielleicht ist Tizian oder Giovanni wach geworden und als klar war, was sie vorhatte, hat sie zu den Waffen gegriffen, um nicht überwältigt zu werden! Vielleicht hatte ich nur Glück, weil ich dein Sohn bin und sie Skrupel hatte, auch mich zu töten!"

Sein Vater nickte. "Das wäre möglich!"

"Auf der anderen Seite schien Marietta nymphoman veranlagt gewesen zu sein!" Er sah Überraschung in den Augen seines Vaters. "So zumindest äußerte sich Burini, ihr Ehemann. Vielleicht wollte sie Giovanni in ihrem Haus tatsächlich bespringen. Als ihr Mann erschien, wurde das zunichtegemacht, doch womöglich war ihre Geilheit so groß, dass sie uns gefolgt ist und sich in der Höhle von uns allen Befriedigung erhoffte. Als dann vielleicht klar war, dass sie keinen Erfolg haben würde, weil Tizian Männern zugetan und Giovanni nicht interessiert war, hat sie das ja vielleicht wütend gemacht und zu dieser Tat getrieben. Vielleicht hatte sie aber auch Angst, ihr Mann könnte davon erfahren und sie zur Rechenschaft ziehen!" Kuja schüttelte den Kopf. "Ich weiß es wirklich nicht!"

"Und warum ist sie nach der Tat nicht einfach weggelaufen, sondern war noch in der Höhle, als Moretti und die anderen auftauchten?"

"Ich glaube..., als sie sah, was sie getan hat, realisierte sie es erst richtig und der Schock darüber muss so groß gewesen sein, dass sie ohnmächtig wurde!"

Fürst Marco sah seinen Sohn längere Zeit stumm an und konnte sehen, wie sehr ihn diese Sache wieder mitnahm. Er wirkte traurig, ein wenig verzweifelt und man sah ihm den Schmerz in seinem Herzen und seiner Seele deutlich an. "Danke, dass du so offen zu mir warst!" begann er dann. "Ich kann mir vorstellen, dass das nicht leicht für dich war!"

"Du bist mein Vater!" meinte Kuja mit belegter Stimme. "Du hast das Recht, es zu erfahren!"

"Stimmt!" Marco nickte. "Und als dein Vater kann ich dir sagen, dass ich mit dir fühle und dir helfen werde, diese Sache zu verarbeiten, so gut ich kann!"

"Danke!"

"Als dein Fürst, der ich im Moment noch bin, sage ich dir, dass es auch ein Zeichen von Stärke ist, harte, schwierige und schwerwiegende Entscheidungen treffen zu können!" Er wartete, bis Kuja ihn ansah. "In dieser außergewöhnlichen Situation hast du eine sehr harte Entscheidung getroffen. Doch du hattest jedes Recht dazu, denn du bist mein Sohn und schon sehr bald der Herrscher dieses Landes. Du musst stets versuchen, dass dein Volk dich liebt, aber es muss dich auch respektieren. Und das geht nur mit einer klaren, konsequenten Linie, gerade auch, was das Gesetz angeht, für das vor uns viele gute Männer gekämpft und vielfach auch mit ihrem Leben bezahlt haben. Mord ist eines der schwerwiegendsten Verbrechen. Die Strafe hierfür wohl bekannt. Niemand sollte das je vergessen!" Er beugte sich vor und legte Kuja seine rechte Hand auf die Schulter.

Sein Sohn sah ihn einen Moment lang traurig an, dann nickte er. "Danke Vater!" Ein sanftes Lächeln huschte auf seine Lippen.

"Ich liebe dich, mein Sohn!" Auch Marco lächelte. "Und jetzt geh und hilf deiner zukünftigen Braut bei den Hochzeitsvorbereitungen!"

Kujas Lächeln wurde breiter. "Gern!" Er stand auf und küsste seinen Vater auf die Stirn. "Bis später!" Dann drehte er sich um und verließ den Thronsaal durch eine Nebentür.

Fürst Marco saß reglos auf seinem Sessel und starrte mit gesenktem Kopf mit finsterer Miene auf einen fiktiven Punkt auf dem Boden.

Sein Blick aber war nicht nur sehr ernst, sondern wurde auch zunehmend traurig.

Er erinnerte sich daran, als er Kuja nach seiner Rückkehr im Gang zu diesem Saal begegnet war. Der Blick seines Sohnes zeigte Trauer, Verzweiflung und Schmerz, aber Marco konnte auch noch etwas anders darin erkennen: Schuld!

Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los und nur zu gern hätte er möglichst sofort mit Kuja geredet, doch hinderten die Amtsgeschäfte und die Vorbereitung auf die Hochzeit ihn daran.

Der Zufall aber wollte es, dass Marco zwischenzeitlich auf Moretti traf. Der Kommandant von Kujas Leibgarde war zwar direkt und einzig seinem Sohn unterstellt, doch hatte er natürlich auch seinem Fürsten die Treue geschworen. Bereitwillig schilderte er ihm daher die furchtbaren Ereignisse - zumindest soweit er selbst daran beteiligt war. Den Rest füllte er mit den Berichten und Aussagen der anderen Beteiligten.

Und Marco konnte sich noch genau an Morettis Worte erinnern: Burini ging in sein Haus und erwischte Kuja und Marietta im ehelichen Bett beim Geschlechtsverkehr!

Daraufhin war Marco aufgefahren und hatte Moretti gefragt, ob er diese Worte beweisen könne.

Nein, kann ich nicht! erwiderte der Kommandant. Es ist nur das, was Burini gesagt hatte. Aber das Kuja und auch Marietta mit einem Mal verschwunden waren, haben mir mehrere Personen bestätigt, ebenso, dass Tizian und Giovanni kurz darauf ebenfalls die Schankstube verlassen hatten.

Und es waren genau diese Worte, die Fürst Marco jetzt so unendlich traurig machten.

Denn er hatte keinen Zweifel, dass Moretti ihm die Wahrheit gesagt hatte.

Doch wenn dem so war, warum nur hatte Kuja ihm dann gerade etwas Anderes erzählt und damit nicht nur seinen Fürsten, sondern auch seinen Vater belogen?

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