Читать книгу Virus - Alfred Broi - Страница 23
XIX
ОглавлениеKuja trieb seinen Hengst in gestrecktem Galopp über die Ebene westlich der Stadt. Anfangs hatte er sich noch zurückhalten können und das Tier in einem lockeren Trab laufen lassen, natürlich auch, damit niemand, der ihn womöglich beobachten mochte, Verdacht schöpfte.
Doch mit jedem Schritt, mit jedem weiteren Atemzug konnte er die unglaubliche Nervosität, die von ihm Besitz ergriff, seit Moretti ihm die über alle Maßen ersehnte Nachricht, einen Tag früher als erwartet, überbracht hatte, nicht mehr zurückhalten. Er gab dem Tier die Sporen und donnerte jetzt pfeilschnell über das Land.
"Herr?"
"Ja?" Kuja hatte von den Papieren auf seinem Schreibtisch aufgeschaut. Im ersten Moment war noch ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen gewesen, doch als er den tiefernsten Blick seines Kommandanten sah, war ein derber Schreck durch seine Glieder gefahren.
"Djurko hat eine Nachricht für euch geschickt!"
Kuja hatte Moretti nur mit großen Augen angestarrt. Sein Mund war knochentrocken gewesen. "Ja?" mehr hatte er nicht herausgebracht.
"Ihr sollt zu ihm kommen!" hatte der Kommandant erklärt. "Er erwartet euch!"
Kuja hatte mehrmals schlucken müssen, bevor er sich, und dann auch nur langsam und irgendwie abgehackt, bewegen konnte. Er war aufgestanden und strebte dem Ausgang entgegen. Dabei hatte er bemerkt, dass Moretti ihm folgte. "Nein!" hatte er daraufhin gesagt. "Ihr müsst hierbleiben!" Und als ihn der Kommandant irritiert ansah, hatte er hinzugefügt. "Ich wollte gleich zu Mariella und mit ihr ausreiten! Ihr müsst mich bei ihr entschuldigen!" Er hatte Moretti flehend angesehen. "Bitte, tut das an meiner statt!"
Der Kommandant hatte genickt und Kuja sich ohne zu zögern auf den Weg gemacht.
Er behielt sein Tempo bei, auch als er durch den Eichenwald ritt und schließlich das Ufer des Zujimi erreichte. Erst kurz vor der Mühle riss er hart an den Zügeln seines Pferdes, woraufhin es laut wieherte und sich auf die Hinterbeine stellte. Doch der Fürst war ein hervorragender Reiter und hatte keine Mühe, den Hengst wieder unter Kontrolle zu bringen. Er sprang vom Rücken und hastete zur Treppe, ohne sich umzublicken. Die Zügel des Pferdes fielen einfach zu Boden, doch würde es bleiben, wo es war, bis sein Reiter zurückkehrte.
Beiläufig erkannte Kuja die Hinweisschilder, die auf die angeblichen Bauarbeiten hindeuteten, ebenso wie einige Baugerüste an der Fassade.
Gute Arbeit, Moretti, dachte er kurz, dann stand er vor der Eingangstür zur Mühle und schloss sie auf.
Im Inneren roch es muffig nach altem Staub und abgestandener Luft. Durch die Seitenfenster fiel genügend Licht ein, um den Raum in ein diffuses Halbdunkel zu tauchen, das ein wenig gespenstisch wirkte.
Kuja jedoch schenkte dem wenig Beachtung, sondern durchmaß mit schnellen, kräftigen Schritten das ehemalige Sägewerk. Die Mühle war durch riesige Wasserräder angetrieben worden. Mächtige Sägemaschinen hatten das Holz der heimischen Bäume zerschnitten und damit genügend Baustoff geliefert. Vor siebzig Jahren hatte sie einen wesentlichen Beitrag bei der letzten großen Stadterweiterung Alimantes nach Südwesten geleistet. Heutzutage aber wurde nur noch selten mit Holz gebaut, sodass sie nicht mehr genutzt wurde. Ein Umstand, der Kuja jetzt zupasskam. Während er auf die Tür zum Lagerraum zuging, wurde sein Blick fast wie magisch von einem großen, verblichenen Bild an der Wand angezogen, das den Bau einer Kirche zeigte, und dort von der Zeichnung des Herrn in der rechten oberen Ecke, der die Arbeiten wohlwollend beobachtete. Als er in sein Antlitz sah, flehte Kuja ihn um Gnade für sich an, doch gleichsam wusste er, dass der Herr seine Freveltaten kannte und so blickte er verlegen und voller Scham zu Boden.
Dann hatte er die Tür erreicht und öffnete auch sie. Bevor er jedoch eintrat, schloss er seine Augen und atmete einmal tief durch.
Ein durchdringender Geruch nach Schweiß, Exkrementen und gammelnden Essensresten schlug ihm entgegen. In dem Raum brannten etwa ein Dutzend Kerzen und tauchten ihn in ein dämmeriges Zwielicht.
Neben der Laboreinrichtung aus vielerlei Gerätschaften, die einen Großteil der Fläche einnahm, konnte er ein Bett an der rechten Wand erkennen. Laken und Decke waren zerknittert, es war also benutzt worden. Daneben befand sich ein kleiner Tisch mit einem Stuhl davor. Auf dem Tisch standen einige Teller, auf denen vielfach noch Essensreste zu finden waren, und Krüge.
An der hinteren Wand konnte Kuja einen provisorischen Donnerbalken mit einem Eimer darunter erkennen. Dem Geruch nach zu urteilen war er heute wohl noch nicht geleert worden.
Auf den weiteren Tischen, auf denen etliche Laborgeräte standen, von denen nicht wenige gerade in Betrieb waren - es zischte, dampfte, kochte und blubberte schier überall - konnte Kuja Glasschälchen, Schneidebretter, Pipetten, Reagenzgläser und vieles andere mehr erkennen.
Alles hier sah nach großer Geschäftigkeit aus, doch was Kuja nicht sehen konnte, war…Djurko!
Der Fürst machte einen weiteren Schritt in den Raum hinein, als er plötzlich mit dem rechten Fuß gegen einen Widerstand stieß, der daraufhin leise rasselnd über den Boden glitt. Kuja konnte dieses Geräusch sofort zuordnen: Die Sicherungskette! Der Fürst blickte hinab und konnte tatsächlich die massive Eisenkette erkennen, mit der Moretti den Sträfling gesichert hatte. Doch nicht nur das! Nur allzu deutlich sah er auch den Eisenring, der eigentlich an Djurkos Fußknöchel befestigt sein sollte, aufgesprengt und ohne Inhalt am Boden liegen. Augenblicklich schoss ihm das Blut ins Gesicht, weil ein derber Schreck in seine Glieder zuckte, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Djurko war geflohen, seine Hoffnungen zerstört, sein Flehen nicht erhört worden!
"Ach das!" hörte Kuja plötzlich Djurkos Stimme vom anderen Ende des Raumes. Als er dorthin blickte, konnte er Bewegung im Halbdunkel wahrnehmen. "Das verdammte Ding wurde mit der Zeit echt lästig!" Der Sträfling kam näher und endlich konnte ihn der Fürst erkennen.
Djurko sah bemitleidenswert aus. Die Kleidung war zerknittert und an vielen Stellen fleckig von Arbeit, Essen und Schweiß. Das Gesicht wirkte eingefallen, die Haut farblos. Seine Haare waren fettig und klebten wirr am Kopf, seine Augen glänzten wässrig, die Pupillen waren deutlich gerötet.
Kuja erwiderte nichts, sondern starrte den Sträfling nur mit großen Augen an.
Plötzlich blieb Djurko stehen. "Moment!" Ein Grinsen huschte über seine Lippen. "Ihr dachtet, ich wäre ausgebüchst!?"
Wieder brachte der Fürst kein Wort heraus, sondern nur ein unterdrücktes Stöhnen.
"Ja, eigentlich hatte ich das auch vorgehabt!" Djurkos Grinsen verflog. "Aber dann wurde mir klar, dass ich eurem Vater noch etwas schuldig bin. Schließlich war er es, der meine Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt hatte. Und weil ich es ihm nicht mehr vergelten kann, habe ich mich entschlossen, es bei seinem Sohn zu tun!" Er verzog die Mundwinkel.
"Ich…!" Kuja gewann erst langsam wieder die Fassung. "Okay…!" Er atmete einmal tief durch. "Und…?" Er sah Djurko in einer Mischung aus beinahe flehender Hoffnung und einer großen Portion Angst an. "Wart ihr erfolgreich?"
Der Sträfling blickte den Fürsten mit ernster Miene an. Dabei verzog er erneut die Mundwinkel und rümpfte zusätzlich noch die Nase. Kuja Herz sackte zusehends in seine Hose. "Das war ein hartes Stück Arbeit!" Djurko nickte. "Ein verdammt hartes Stück Arbeit!" Er fuhr sich durch das fettige Haar. "Ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen, seit Tagen kaum noch gegessen…!" Er schüttelte den Kopf. "Ich glaube, ich werde allmählich alt!" Sein Körper erstarrte für einen Augenblick, dann blickte er Kuja direkt an. "Ich fürchte, ich habe zunächst eine schlechte Nachricht für euch!"
"Nein!" Es war nur ein Flüstern, doch Kuja hatte Mühe, nicht die Besinnung zu verlieren. Seine Gesichtszüge entglitten, das Blut wich aus seinem Gesicht, seine Augenlider flackerten, ihm wurde schwindelig. Plan B! schoss es ihm in den Kopf. Oh Gott, bitte nicht! Mit Mühe konnte seine rechte Hand einen Stuhl ertasten, auf den er sich sinken ließ.
"Trotz größter Mühen war es mir nicht möglich, die Krankheit, die euch befallen hat, zu bestimmen!" erklärte Djurko mit fester Stimme. "Ich habe den Wurm, den ich aus eurem Körper entfernt habe, eingehend untersucht. Doch ich konnte weder sein Blut, noch seine Gewebestruktur, noch sein Skelett - soweit überhaupt vorhanden - analysieren!"
"Was…?" Kuja war bemüht, den Ausführungen des Sträflings zu folgen. "…heißt das?"
"Das heißt, dass sowohl im Blut, im Gewebe und auch im Knorpelskelett und der Haut des Wurms Bestandteile zu finden waren, die ich noch niemals zuvor gesehen habe und folglich auch nicht bestimmen konnte!"
"Wie ist das möglich?"
"Na ja…!" Djurkos Gesicht zeigte Unsicherheit. "Ihr sagtet, ihr habt euch in dieser Höhle verletzt!?" Kuja nickte. "Vielleicht hat vor euch noch nie Jemand einen Fuß dort hineingesetzt. Vielleicht war sie Jahrhunderte, ja möglicherweise sogar Jahrtausende lang unberührt. Entsprechend also auch das Ökosystem dort. Es kann sein, dass ihr euch einen uralten Virus eingefangen habt, den die Menschheit noch nie zuvor gesehen hat!" Djurko sah den Fürsten an, doch hatte er das Gefühl, dass er damit nicht die Wahrheit getroffen hatte. "Oder…!" hob er daher an. "…dort in dieser Höhle befindet sich etwas, dass nicht…!" Er wartete, bis Kuja ihn ansah. "…von dieser Welt ist!"
"Nicht von…?" Ein unsicheres Grinsen huschte über seine Lippen. "…dieser Welt?"
Djurko nickte. "Außerirdischen Ursprungs!"
"Was?" Kuja war sichtlich geschockt. "Oh Gott!" Verzweiflung war in seinem Gesicht zu sehen.
"Nun gut!" hob Djurko wieder an. "Meine Analysen waren also nicht erfolgreich. Allerdings habe ich bei dem Wurm bereits deutliche Anzeichen einer bevorstehenden Metamorphose erkennen können!"
Kujas Kopf zuckte in die Höhe und in seinem Gesicht stand echte Panik, denn er wusste nur zu genau, was der Sträfling damit andeuten wollte.
"Aufgrund dieser Ergebnisse…!" hob Djurko wieder an. "…wollte ich eigentlich schon aufgeben!"
"Eigentlich…?"
Djurko nickte. "Doch dann dachte ich: Du kannst noch nicht aufhören! Also beschloss ich, die Sache von einer anderen Seite zu betrachten!" Er sah, wie Kujas Interesse geweckt wurde. "Einen Wurmbefall, wie diesen, habe ich noch nicht gesehen, wohl aber andere Krankheiten dieser Art!" Er hielt einen Moment inne. "Und bei diesen Infektionen war die Behandlungsmethode stets gleich und fast immer erfolgreich!"
"Und was heißt das?" Kuja sah ihn atemlos an.
"Das heißt, dass ich, obwohl ich nicht weiß, womit wir es hier zu tun haben, ein Serum in der Weise hergestellt habe, wie ich es bei einer bekannten Infektion dieser Art getan hätte!"
"Und?" Kuja starrte ihn mit großen Augen an.
Djurko atmete einmal tief durch, dann erschien der Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen. "Es ist mir gelungen und ich habe es bisher drei Mal an eurem Blut, welches ihr mir zu Beginn meiner Arbeit zur Verfügung gestellt hattet, getestet!"
"Und?" Den Fürsten hielt es fast nicht mehr auf seinem Sitz.
Jetzt musste Djurko wirklich grinsen. "Erfolgreich!"
"Was?" Kuja sprang auf und ein Leuchten erschien auf seinem Gesicht. "Ihr habt…?" Er machte einen Schritt auf Djurko zu, dass dieser ein wenig erschrak. "Ihr habt wirklich…?" Der Sträfling nickte. "Wahnsinn!" Kuja lachte auf, machte noch einen Schritt vorwärts und riss sein Gegenüber förmlich in seine Arme. Djurko war so überrascht von dieser Geste, dass er es nicht verhindern konnte. Obwohl er sicherlich stank wie ein vollgepisster Iltis mit Darmproblemen, drückte der Fürst ihn voller Überschwang.
Dann endlich schob er Djurko wieder von sich. "Wann…?" Er schluckte. "Ich meine, wann kann ich das Serum bekommen?"
Der Sträfling lächelte erneut. "Ich habe eine Spritze vorbereitet! Wenn ihr wollt, kann ich sie euch hier und jetzt verabreichen!?"
Kuja erstarrte sichtlich. "Worauf warten wir dann noch?" rief er und nickte Djurko zu. "Tut es!"
*
Keine zwei Minuten später lag Kuja auf dem Bett, während Djurko eine Spritze mit dunkelgrünem Inhalt aus einer kleinen Holzkiste hervorholte und sie beinahe andächtig in seinen Händen hielt.
"Sieht nicht gesund aus!" meinte Kuja, während er sich den rechten Hemdsärmel hochkrempelte.
"Medizin muss nicht schmecken!" sinnierte Djurko, während er Kuja einen Lederriemen um den Oberarm band und festzog. "Medizin muss wirken!" Dann zog er einen Hocker heran und setzte sich darauf. Kujas Arm legte er sich auf die Schenkel. Dann sprühte er etwas Desinfektionsmittel in die Armbeuge und wischte sie mit einem kleinen, sauberen Tuch ab. Schließlich nahm er die Spritze, hielt sie in die Höhe und drückte den Kolben leicht hinein, bis die Flüssigkeit aus der Nadel schoss. "Bereit?"
Kuja nickte und verfolgte mit großen Augen, wie Djurko die Spritze langsam zu seiner Armbeuge führte und die Nadel behutsam in eine deutlich sichtbare Vene stach. Der Fürst spürte dabei keinen Schmerz, lediglich ein Druckgefühl, während der Sträfling den Inhalt bedächtig in seinen Körper drückte. Als die Spritze halb geleert war, öffnete Djurko langsam den Lederriemen. Dann war der komplette Inhalt in Kujas Vene verschwunden. Der Sträfling zog die Spritze heraus und säuberte die Einstichstelle mit einem weiteren Stück Stoff. Dann drückte er ein drittes Stück darauf, deutete Kuja an, seinen linken Zeigefinger darauf zu legen und knickte dann den rechten Arm ein.
"Eine Minute so halten!" sagte Djurko, erhob sich und brachte die Spritze zu einem Tisch, in dem ein Wasserbecken eingebaut war. Er ließ sie achtlos hineingleiten.
"Wie lange wird es dauern?" fragte Kuja mit rauer Stimme.
"Die Wirkung sollte schnell einsetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr die Infektion schon einige Wochen mit euch herumschleppt, habe ich eine sehr hohe Konzentration gewählt!" Er sah den Fürsten an und dieser nickte. "Es könnte daher sein, dass es…!" Djurko verzog die Mundwinkel und sein Blick wurde sehr ernst. "…schmerzhaft wird!"
Doch Kuja blieb ruhig. "Medizin muss nicht schmecken!" sagte er und lächelte. "Sie muss wirken!"
Daraufhin nickte Djurko und musste ebenfalls lächeln.
*
Kuja fiel in einen Dämmerzustand.
Das Liegen auf dem Bett, trotz der Gerüche in dem Zimmer, entspannte ihn und er musste den Anstrengungen der letzten Tage und Wochen, besonders den mentalen, Tribut zollen. Fast wäre er tatsächlich eingeschlafen.
Anfangs hörte er noch, wie Djurko Ordnung im Labor machte, doch auch diese Geräusche verflogen irgendwann. Danach hörte er nur noch seinen eigenen Herzschlag und das Blut leise in seinen Adern rauschen.
Alles war so wunderbar friedlich um ihn herum und Kuja wartete auf das, was kommen mochte.
Die Veränderung spürte er sofort. Sein Herzschlag wurde schneller. Erst nur ein wenig, doch dadurch erhöhte sich auch sein Puls, wodurch wiederum das Rauschen seines Blutes lauter wurde.
Als Kuja wenige Sekunden später seine Augen aufschlug, spürte er gleichsam eine Hitze in seinem Körper aufsteigen, die ihn rasend schnell komplett erfasste und fast augenblicklich Schmerz verursachte, weil er das Gefühl hatte, er würde innerlich verbrennen.
Es beginnt! schoss es ihm in den Kopf. Doch obwohl der Schmerz schon recht groß war, zwang er sich, nicht aufzuschreien, sondern versuchte es wie ein Mann und Fürst zu ertragen.
Im nächsten Moment aber schüttelte ihn ein heftiger Krampf, der ihn zusammenzucken ließ. Alle Organe in ihm schienen sich im selben Moment zu verhärten. Jetzt stöhnte er schmerzhaft auf und warf sich auf die rechte Seite. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, gleichsam hatte er das Gefühl, als würde sein Gesicht glühen.
Nur einen Lidschlag später kam ein weiterer Krampf, der sogar noch heftiger war, als der erste. Kujas Herz schlug immer schneller, sein Puls donnerte unter seine Schädeldecke. Ihn überkam plötzlich eine unerträgliche Nervosität und er verspürte das große Verlangen, aufzustehen.
"Nicht!" rief Djurko und stürzte herbei. Dabei hatte er seine Arme ausgestreckt, um den Fürsten sofort wieder auf das Bett zu drücken. "Legt euch wieder hin. Das ist sicherer. Versucht den Schmerz zu ertragen!"
Doch Kuja saß bereits auf der Bettkante und der Sträfling konnte ihn nicht bewegen. Wieder durchzuckte ihn ein Krampf, der ihn rüde zusammenfahren ließ. Kuja stieß einen erstickten Schrei aus.
"Herr, bitte!" rief Djurko und versuchte nochmals, ihn zurück auf das Bett zu drücken.
Als seine Hände die Schultern des Fürsten berührten, hatte Kuja plötzlich das Gefühl, als würde man ihm glühendes Eisen auf die Haut drücken. Er schrie gellend auf und Djurko ließ von ihm ab.
Verdammter Bastard! dachte Kuja. Was tust du da? Ich dachte, du wolltest mich heilen, aber du führst mir nur Schmerz zu!
Ungewollt wurde sein Blick zornig, ja fast hasserfüllt, als er seinen Kopf anhob und Djurko anstarrte. Der Sträfling erschrak, als er unter der Haut des Fürsten Dutzende von Würmern erkennen konnte, die wild und ekstatisch schlängelten, und seine Hände zuckten wieder zurück.
Ich sehe es! Du Schwein willst mich gar nicht heilen! Du willst mich töten, damit du flüchten kannst! Ich sehe es in deinen Augen. Ganz deutlich!
Doch schon im nächsten Moment zuckte ein dritter Krampf durch seinen Körper, riss ihn förmlich nach vorn, sodass er vom Bett glitt und auf seine Knie fiel, während sein Oberkörper vornüber klappte. Da er seine Arme um den Bauch geschlungen hatte, konnte er sich nicht abstützen und schlug hart mit der Stirn auf den Boden.
Aber du kannst mich nicht töten! Niemals!
Ein neuerlicher Krampf ließ ihn zusammenfahren. Kujas Oberkörper zuckte in die Höhe, er stöhnte schmerzhaft auf und als er wieder vornüber klappte, erbrach er einen mächtigen Schwall dunkelgrüner, zäher Flüssigkeit.
Jetzt schrie auch Djurko erschrocken auf, denn das alles sah sehr nach dem Serum aus, das er ihm vor Minuten erst verabreicht hatte. Außerdem fuhr ihm ein derber Schock in die Glieder, als er sah, dass sich unzählige Würmer unter Kujas Gesichtshaut wie wild gebärdeten, als wäre sie die Oberfläche eines vom Sturm gepeitschten Meeres.
Ich bin hier und bleibe hier! Niemand wird mich vertreiben! Ich werde noch gebraucht!
Mit einem tiefen Stöhnen, gefolgt von einem wutentbrannten Schrei spritzte Kuja unvermittelt in die Höhe. Ohne zu zögern wirbelte er zu Djurko herum und schon schlug er auf ihn ein. Der Sträfling, noch immer tief entsetzt über das Aussehen des Fürsten, hat keine Chance zur Verteidigung. Innerhalb weniger Augenblicke musste er zwei knallharte Faustschläge ins Gesicht hinnehmen. Lippen und Wangen platzten auf, Blut und Speichel flogen umher. Djurko schrie auf, taumelte zurück und schlug mit dem Rücken gegen einen Labortisch.
Doch der Fürst stürmte schon wieder auf ihn zu. Jetzt aber hatte sich der Sträfling von seinem ersten Schock erholt. In den Augenwinken sah er ein Skalpell auf dem Tisch liegen, griff sofort danach und ließ es in einem Aufwärtsbogen in Kujas Richtung sausen.
Nur einer blitzschnellen Drehung hatte der Fürst es zu verdanken, dass der Angriff ins Leere ging. Und Kuja konnte diese Bewegung sogar für sich ausnutzen und Djurko seinen rechten Ellenbogen ins Gesicht hämmern, wobei dessen Nase brach. Während der Sträfling aufschrie, griff der Fürst seinen rechten Arm und riss ihn nach unten. Das Ellbogengelenk schlug hart auf Kujas rechtes Knie und knackte hörbar. Dadurch verlor Djurko jede Kraft aus seiner Hand und das Skalpell fiel zu Boden.
Mit einem schrillen Aufschrei taumelte Djurko zur Seite. "Oh Gott, Kuja!" schrie er. "So hört doch auf! Bitte! Ich flehe euch an!""
Doch Kuja hatte mittlerweile auf dem gleichen Tisch, auf dem das Skalpell gelegen hatte, ein chirurgisches Beil entdeckt. Ohne zu zögern riss er es an sich und noch bevor Djurko wusste, wie ihm geschah, rauschte es mit einem widerlichen Knacken in seine linke Schulter. Während Djurko halb erstickt aufschrie, riss der Fürst es wieder heraus und schlug erneut zu. Wie von Sinnen ließ er das Beil unzählige Male auf Djurkos Körper hinabsausen. Er achtete weder auf die Schreie seines Opfers, noch darauf, wohin er hackte, noch nahm er all das Blut wahr, das auf ihn spritzte. Auf seinem gesamten, sichtbaren Körper schlängelten sich die Würmer unter seiner Haut in wilder Ekstase und er stöhnte bei seinen Attacken beinahe wollüstig auf.
Dann lag Djurkos Leiche, in mehrere Teile zerstückelt und grauenhaft zugerichtet in einer riesigen Blutlache inmitten hervorquellender Gedärme am Boden und Kujas Schläge endeten.
Mit einem lauten Aufschrei schleuderte er das Beil quer durch den Raum, dann atmete er einmal tief durch, wobei er seinen Oberkörper nach hinten überstreckte. Plötzlich aber begann er zu husten und seine Beine wild zu zittern. Er taumelte, sein Oberkörper klappte vornüber und er krachte erneut hart auf die Knie, wo er sich wuchtig erbrach. Wenige Augenblicke später wurde ihm schwarz vor Augen, er sackte seitlich zu Boden und verlor das Bewusstsein.