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Mit einem kurzen Zucken in den Gliedern, erwachte Kuja wieder.

Wie lange er ohnmächtig gewesen war, konnte er nicht sagen. Für einen Moment war sein Kopf wie leergefegt. Dann stieg ihm ein furchtbarer Geruch in einer Mischung aus Erbrochenem und Blut in die Nase und noch während er sich mit einem tiefen Stöhnen aufrichtete, knallten ihm die Bilder der jüngsten Vergangenheit förmlich ins Gedächtnis. Kaum auf den Beinen, wirbelte er herum. Als er Djurkos grauenhaft zugerichtete Leiche sah, das frische Blut überall, schrie er entsetzt auf. Seine Knie begannen zu zittern, er taumelte zurück und schlug hart gegen einen Tisch.

Erneut wallte heftige Übelkeit in ihm auf. Tränen schossen ihm ins Gesicht.

Oh Gott, war ich das? dachte er geschockt und wusste doch im selben Moment bereits, dass es so war. Sein Gehirn schien explodieren zu wollen, alles in ihm sträubte sich gegen diese Gewissheit, der widerliche Gestank und der furchtbare Anblick von Djurkos zerfetztem Körper verhinderten, dass er atmen konnte.

Mit einem Stöhnen drückte er sich von dem Tisch ab. Ich muss hier raus! Auf wackeligen Beinen stürzte er zur Tür, riss sie auf und stolperte durch das Sägewerk. Am Haupteingang hatte er große Mühe, die schwere Tür zu öffnen. Er stöhnte hektisch und heulte beinahe auf. Dann aber hatte er auch sie aufgerissen. Er taumelte ins Freie und krachte nach einigen Schritten wieder auf die Knie, wo er wild nach Luft rang, um zu verhindern, dass er erneut die Besinnung verlor.

Schon liefen ihm wieder Tränen über seine Wangen. Gott, was hatte er getan? Wie nur konnte das geschehen?

Mit einem weiteren Aufschrei wuchtete er sich zurück auf seine Beine. Dabei erkannte er, dass sein Oberkörper und das Lederwams über und über mit Blut beschmiert waren. Ohne zu zögern lief Kuja zum Fluss, um seine Hände, Arme und auch das Gesicht zu reinigen. Das Wams riss er sich förmlich vom Leib.

Als er damit fertig war, fühlte er sich etwas besser. Seine Schuldgefühle drangen in den Hintergrund und schufen Platz für Zorn. Djurko hatte selbst Schuld. Er hatte dem Sträfling vertraut und der hatte ihn hintergehen wollen, indem er ihn mit dem angeblichen Serum vergiften wollte.

Voller Hass hatte Kuja nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, doch als er schon sein Pferd erreicht hatte, wurde ihm eiskalt bewusst, dass er den Ort des Geschehens nicht einfach so zurücklassen durfte. Das würde viel zu viele Fragen aufwerfen, auf die er keine Antworten geben konnte.

Plötzlich hatte er eine Idee.

Das Beste wäre, wenn es weder eine Leiche, noch einen Tatort gab.

Ohne zu zögern griff Kuja in seine Satteltasche und holte eine Packung Zündhölzer, sowie eine Brandpaste zum Feuermachen und ein kleines Säckchen mit Schwarzpulver hervor.

Nahezu die gesamte Mühle bestand aus Holz. Altem, trockenem Holz. Der beste Brennstoff überhaupt.

Er nahm sein Wams wieder an sich und ging ins Innere des Gebäudes. Dort suchte er kleinere Holzreste zusammen und schichtete sie sorgsam auf. Dann stellte er die Brennpaste darunter und legte das Wams daneben.

Hiernach sah er sich im Sägewerk um und fand in einer Ecke eine alte, aber noch immer intakte Gewebeplane. Er nahm sie an sich, ging zurück in den Lagerraum und wickelte Djurkos zerstückelte Leiche darin ein. Immer wieder musste er dabei husten und hatte Mühe, sich nicht wieder zu übergeben. Schließlich aber hatte er es geschafft. Stöhnend zerrte er den Körper hinaus in das Sägewerk und dort soweit wie möglich vom Lagerraum weg.

Dann öffnete er das Säckchen mit Schwarzpulver und streute es über die Plane.

Früher oder später würde Moretti hier auftauchen und Körper hatten die Angewohnheit nicht vollständig zu verbrennen. Also durfte er Djurko nicht im Lagerraum belassen. Das Schwarzpulver würde außerdem dafür sorgen, dass die Flammen hier heißer brannten und den Körper noch mehr zerstörten als üblich.

Zufrieden ging er zurück zur Brandpaste und entzündete sie.

Kuja wartete, bis die ersten kleinen Flammen über das trockene Holz leckten. Innerhalb weniger Augenblicke brannte sein aufgeschichteter Haufen lichterloh. Schon griffen die Flammen auf Wände und Decke über, während sie sich durch den Boden in das Untergeschoss fraßen.

Zufrieden und sicher, dass das Feuer sein Werk verrichten würde, ging der Fürst zurück zu seinem Hengst. Als er aufsaß, drangen die ersten Flammen bereits nach außen und hatten auch schon den hinteren Bereich mit dem Lagerraum erfasst. Diesen Brand würde niemand mehr löschen können, dessen war er sicher. Mit einem Blick voller Zorn riss er die Zügel herum und verließ diesen grauenhaften Ort, doch als er wenig später in gestrecktem Galopp zurück nach Alimante ritt, überwog eine Mischung aus Trauer und Wut, denn mit Djurkos Tod war jede Hoffnung auf Heilung dahin und ihm blieb nur noch die grausame und furchtbare Option von Plan B.

*

Kuja donnerte durch das geöffnete Stadttor, stoppte abrupt vor dem Palast ab, sprang vom Pferd und rannte die Eingangstreppe hinauf.

Er war noch immer unglaublich wütend, aber auch erfüllt von einer tiefen, hoffnungslosen Verzweiflung. Er würde jetzt in seine Gemächer gehen, ausgiebig duschen, seine Kleider danach verbrennen, sich dann in den Weinkeller stehlen und sich dort hemmungslos besaufen. Mariella war mit Moretti ausgeritten, also gab es niemanden, der sein Treiben bemerken würde.

Zufrieden mit diesem Gedanken, ging er durch die Palastgänge und kam an einer Vielzahl an Räumen vorbei. Einer von ihnen war nicht verschlossen. Als er gedankenversunken an der halb geöffneten Tür vorbeischritt und in den Augenwinkeln zwei Personen im Inneren erkannte, stoppte er zwei Schritte später abrupt ab und sein Körper erstarrte beinahe komplett.

Er kannte die beiden Personen. Die eine war seine Mutter, die andere hatte er ebenfalls schon einmal gesehen. An dem Tag seiner Hochzeit und Krönung, in Gegenwart seines Vaters. Es war Lorini, der ehemalige Kommandant der Stadtwache von Alimante und seines Vaters Mann für besondere Aufgaben. Der Mann, der Marco all die Lügen über die Geschehnisse in dem Bergdorf und der Höhle erzählt hatte. Der Mann, der Kuja letztlich keine Wahl gelassen hatte, als seinen eigenen Vater zu töten.

Kuja schoss eine ekelhafte Hitzewelle ins Gesicht. Der Mann, der jetzt dabei war, seiner Mutter die gleichen Lügen zu erzählen!

Der Fürst spürte erneut aufkommende Wut in sich. Warum war er über Lorinis Kommen nicht informiert worden? Warum traf sich seine Mutter entgegen seiner Bitte und auch entgegen ihrem Versprechen ohne ihren Sohn mit ihm? Warum nur tat sie das und missbrauchte damit sein Vertrauen?

Kuja wirbelte auf dem Absatz herum, ging zurück zur Tür und spähte in den Raum. Seine Mutter und Lorini saßen sich gegenüber und redeten miteinander. Die Worte konnte Kuja jedoch nicht verstehen. Allerdings war Lorinis Gesichtsausdruck sehr ernst und in den Augen seiner Mutter konnte der Fürst Trauer erkennen.

Ich bin zu spät! schoss es ihm in den Kopf. Bin ich schon zu spät?

Sein Blick verdunkelte sich, dann schloss er die Augen, atmete einmal tief durch, drückte schließlich die Tür auf und trat mit festen Schritten in das Zimmer.

"Mutter!" rief er.

Das Gespräch zwischen Elena und Lorini endete augenblicklich. Elena schaute auf, Lorinis Kopf zuckte herum. In beiden Blicken sah er unangenehme Überraschung.

Auf Kujas Lippen breitete sich ein Lächeln aus, während er auf seine Mutter zuging und dabei seine Arme öffnete. Lorinis Anwesenheit überging er zunächst, allerdings sah er in den Augenwinkeln, dass sich der Blick des ehemaligen Kommandanten verdunkelte.

"Kuja!?" Elena erhob sich, lächelte leicht verlegen zurück und ließ sich von ihrem Sohn umarmen. "Man sagte mir, du hättest die Stadt in einer dringenden Angelegenheit verlassen!?"

Der Fürst sah seiner Mutter weiterhin lächelnd direkt in die Augen, dann nickte er. "Hab ich auch! Aber ich konnte die Sache schneller klären, als erwartet!"

"Hoffentlich zu deiner Zufriedenheit?"

"Nein!" Kuja Lächeln verzog sich zu einer gequälten Grimasse. "Leider nicht!"

"Das tut mir leid!" erwiderte seine Mutter.

"Das muss es nicht!" erklärte Kuja, wieder mit einem Lächeln. "Es ist ja nicht deine Schuld!" Plötzlich aber wurde sein Blick ernst. "Allerdings bin ich jetzt doch ein wenig überrascht…!" Er drehte sich unvermittelt zu Lorini herum. "…dass du unseren Gast entgegen unserer Absprache ohne mich empfangen hast!" Er sah sein Gegenüber mit großen Augen an.

"Fürst Kuja!" Lorini senkte das Haupt vor ihm und erwiderte seinen Blick dann mit ernster Miene. "Eure Mutter trifft keine Schuld. Als man mir berichtete, dass sie mich sprechen wollte, habe ich mich natürlich sofort auf den Weg gemacht. Dabei kam ich schneller voran, als geplant!" Für einen kurzen Moment zuckten Lorinis Augen neben Kuja zu seiner Mutter. "Eigentlich wollte ich erst übermorgen hier eintreffen!" Lorini rang sich ein Lächeln ab.

Er lügt! schoss es Kuja in den Kopf. Mit Mutters Wissen! Zorn stieg wieder in ihm hoch. Äußerlich aber lächelte er und nickte Lorini zu. "Ich verstehe!" Dann wurde sein Blick wieder ernst. "Nun dann. Jetzt bin ich ja hier und wirklich gespannt auf das, was ihr zu sagen habt!"

"Nun, Kuja…!" begann Elena und wirkte sofort etwas nervös. "Was das angeht…!"

Ich bin zu spät! Lorini hat ihr schon alles erzählt! "Aber bevor wir anfangen…!" fuhr er fort, ohne auf die Worte seiner Mutter einzugehen. "…würdest du mir eine Tasse Kaffee einschenken?" Er sah Elena bittend an.

Im ersten Moment glaubte Kuja, sie würde ablehnen, doch dann nickte sie. "Natürlich!" Sie drehte sich um und ging zu einem kleinen Beistelltisch.

Kaum, dass sie sich abgewandt hatte, wirbelte Kuja zu Lorini herum und machte zeitgleich einen Schritt auf ihn zu, sodass er direkt vor ihm stand. Mit festem Blick starrte er dem ehemaligen Kommandanten in die Augen, während er in einer fließenden und blitzschnellen Bewegung seinen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel holte und ihn Lorini mit einem festen Hieb seitlich in den Hals rammte. "Du erzählst keine Lügen mehr über mich!" flüsterte er hasserfüllt.

Sein Gegenüber war derart überrascht über diese Aktion, dass er nicht die geringste Chance hatte, es zu verhindern. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Fürsten an, war vollkommen geschockt über dessen Tat und über den Anblick der wild schlängelnden Würmer unter seiner Gesichtshaut. Lorinis Körper versagte ihm in diesem Moment den Dienst und er konnte nur reglos dastehen, während das Blut aus der Stichwunde sprudelte.

Kuja wiederum reagierte weiterhin blitzschnell und konsequent. Er griff Lorinis Schwert und zog es aus der Scheide. Während der ehemalige Kommandant zu röcheln begann, machte der Fürst einige schnelle, leise Schritte auf seine Mutter zu.

Elena stand noch immer mit dem Rücken zu ihm und hatte gerade eine Tasse mit Kaffee gefüllt. "Möchtest du Karamellmilch in deinen Kaffee?" fragte sie, während sie sich aufrichtete und hörte im selben Moment das Röcheln hinter sich. "Kuja?" Sie drehte sich herum und erstarrte augenblicklich, als sie ihren Sohn direkt vor sich stehen sah. Sein Blick war geradeheraus, hart, emotionslos! Und unter seiner Gesichtshaut schlängelten gespenstische Würmer in einem widerlichen Rhythmus umher. Vor Schreck ließ sie die Kaffeetasse fallen. Noch bevor sie zu Boden schlug und scheppernd zerbarst, konnte sie schräg hinter Kuja Lorini und das Messer in seinem Hals erkennen. Blut sprudelte aus der Wunde auf den weißen Marmorboden. Lorinis Körper war wie erstarrt, wenngleich er erzitterte.

"Tut mir leid, Mutter!" Kujas Stimme war leise, aber schneidend. "Du hättest dich nicht allein mit ihm treffen dürfen!" Er hob Lorinis Schwert an und stach seiner Mutter die Klinge in einer kraftvollen, flüssigen Bewegung bis zum Heft durch das Herz.

Auch Elena war derart geschockt über die Tat ihres Sohnes, dass sie kein Wort herausbrachte und ihr Körper zunächst vollkommen erstarrte. Ihre Augen weiteten sich in Schmerz und Unverständnis. Ihr Mund öffnete sich, doch mehr als ein Röcheln, gefolgt von einem Schwall dunklen Blutes, kam nicht hervor.

"Grüß Vater von mir!" sagte Kuja noch, dann riss er das Schwert wieder aus ihrem Körper. Während er sich umdrehte und mit schnellen Schritten zurück zu Lorini ging, begannen Elenas Beine wild zu zittern, bis ihr Körper schließlich zu Boden sackte. Sie war tot, noch bevor sie auf den kalten Marmor schlug.

Kuja schenkte dem keine Beachtung. Während er Lorinis Schwert in seine linke Hand überwechselte, riss er mit seiner rechten Hand den Dolch aus dem Hals des ehemaligen Kommandanten. Dann packte er ihn mit beiden Händen am Jackenkragen und schleuderte ihn herum, sodass ein weiterer, kleiner Tisch in der Nähe umstürzte und alles, was auf ihm stand klirrend zu Bruch ging. Kuja drehte sich weiter herum, riss jetzt seinerseits einen Sessel um. Dabei stöhnte er immer lauter, schrie am Ende sogar. "Was hast du getan? Du Schwein! Oh Gott, nein!" brüllte er aus voller Kehle, während er mit dem schwerverletzten Lorini einen bizarren Tanz aufführte, der immer mehr Möbelstücke umwarf und sie letztlich zur Terrassentür führte. Mit einem weiteren Aufschrei schob Kuja sein Opfer vor sich her und gemeinsam rauschten sie durch das Glas hinaus auf die Terrasse, wo Lorini hart mit dem Rücken gegen das Geländer aus Granitstein schlug. Im nächsten Moment zog Kuja sein eigenes Schwert aus seiner Scheide, griff sich Lorinis linke Hand, riss alles in die Höhe, schrie dann schmerzhaft auf und schleuderte seine Waffe in hohem Bogen über das Geländer auf den Markplatz, wo bereits Dutzende von Passanten stehengeblieben waren und in einer Mischung aus Überraschung, Schock und Faszination die Geschehnisse verfolgten.

"Du Schwein!" brüllte Kuja. Zeitgleich legte er Lorinis eigenes Schwert in dessen rechte Hand, umschloss sie mit seiner linken, führte sie zu seinem rechten Arm, brachte sich selbst eine tiefe Schnittwunde bei, führte das Schwert im nächsten Moment an seine rechten Schulter und führte sich eine tiefe Stichwunde zu. Als er dieses Mal aufschrie, war es in echtem Schmerz. "Du hast meine Mutter getötet! Aarrgghh!" Kuja riss das Schwert wieder aus seinem Körper, dann donnerte er Lorini, der zu diesem Zeitpunkt bereits tot war, sein Messer wieder in dieselbe Stelle am Hals. Schließlich wirbelte er mit seinem Opfer nochmals herum, riss es zu Boden und stürzte mit ihm zusammen die Treppenstufen zum Marktplatz herunter. Kuja ließ Lorinis Jacke los. Während der ehemalige Kommandant bis zum Ende der Treppe rollte und auf dem Marktplatz zum Erliegen kam, schlidderte Kujas Körper auf dem Rücken nur einige Stufen hinab. Mit weit geöffneten Augen starrte er in den wolkenlosen Himmel, während er spürte, wie die beiden Wunden am Oberarm und in der Schulter heftige, brennende Schmerzen durch seinen Körper jagten. Er war unfähig, sich zu bewegen und das Bild vor seinen Augen wurde immer dunkler und sein Blickfeld immer kleiner. Während er noch mitbekam, wie erste Passanten zu ihm stürzten und ihn mit schreckensbleicher Miene besorgt anstarrten, verlor er endgültig das Bewusstsein.

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