Читать книгу Virus - Alfred Broi - Страница 6
II
ОглавлениеEtwa drei Stunden später hatte der Trupp die ersten Ausläufer des Tandorini-Gebirges erreicht und tatsächlich hatten sich die Wolken, ganz nach Tizians Prognose, aufgelöst.
"Na, wer hat jetzt Ahnung vom Wetter?" fragte er dann auch mit einem breiten Grinsen in die Runde. Doch erntete er von Moretti und den Mitgliedern der Leibgarde keinen Kommentar. Als Giovanni an ihm vorbeiritt, würdigte ihn sein Freund keines Blickes, dafür aber war ein deutlich verstimmtes Grollen zu hören, was Tizians Grinsen zusätzlich verbreiterte, falls das überhaupt noch möglich war.
"Das hast du gut gemacht, mein Freund!" meinte Kuja ehrlich zufrieden und klopfte Tizian anerkennend auf die Schulter. "Und sieh es doch mal so: Jetzt werden wir weitaus früher in Santarole sein, als geplant. Dafür hast du dir eine Belohnung verdient!" Er wartete, bis Tizian ihn ansah, dann beugte er sich zu ihm und senkte seine Stimme. "Wenn du heute Abend einen interessanten Mann für dich finden solltest, sorge ich dafür, dass ihr die Nacht ungestört bleibt, okay?"
Tizian sah ihn in einer Mischung aus Freude und Überraschung an und nickte mit einem süffisanten Grinsen und leuchtenden Augen. "Das Angebot nehme ich gern an!"
"Ich an deiner Stelle würde meinen Ständer aber noch zurückhalten!" brummte Giovanni und sah zu den beiden herüber. "Bergwetter ist tückisch!"
Eine Stunde später begann es zu regnen. Nur geringfügig, jedoch beständig anhaltend.
"Was habe ich gesagt!?" rief Giovanni nicht ohne Genugtuung in der Stimme.
"Aber das sind doch nur ein paar Tropfen!" protestierte Tizian. "Sei kein Weichei!"
"Ich bin kein Weichei!" erwiderte Giovanni mit brummender Stimme. "Aber ein paar Tropfen hier sind schon bald ein echter Regenguss dort!" Er deutete auf die Gipfel, die noch etwa einen Kilometer von ihnen entfernt waren.
"Also gut!" meinte Moretti mit finsterer Miene. "Was befiehlt ihr?" Dabei sah er Kuja an, doch als er nicht sofort eine Antwort bekam, fügte er hinzu. "Sollen wir umkehren oder unseren Weg fortsetzen?"
Kuja aber war unschlüssig. Die Bergwelt des Tandorini-Gebirges war tückisch, die Felswände sehr steil, seine Pfade schmal, die Felsen scharfkantig, die Schluchten tief. Der derzeitige Regen war noch absolut erträglich, konnte aber sehr schnell heftiger werden. Doch hatten sie den Aufstieg zu den Gipfeln schon zu mehr als der Hälfte zurückgelegt und es war gerade erst Mittag. Sie lagen wirklich sehr gut in der Zeit und außerdem hatten sie alle Regenkleidung dabei. Jetzt umzukehren hieße, heute ganz sicher nicht mehr nach Santarole zu gelangen und das wiederrum, einen weiteren Tag später nach Alimante zurückzukehren. Nach Alimante - und Mariella!
Und das war ein absolut schrecklicher Gedanke - weitaus schlimmer als die Aussicht, das Gebirge in strömendem Regen überqueren zu müssen.
Just in diesem Augenblick schob sich tatsächlich die Sonne zwischen zwei Wolken hervor und warf ihre Strahlen scheinbar direkt auf die kleine Gruppe. Als Kuja ihre Wärme spürte, war es ihm, als hätte ihm Mariella sanft über die Wange gestreichelt.
Das ist ein Zeichen, dachte er. "Nein!" sagte er, sah Moretti an und schüttelte den Kopf. "Wir werden den Regen in Kauf nehmen und nicht umkehren!"
"Wie ihr befehlt!" Der Kommandant nickte und ließ seine Männer nachrücken.
"Wir werden uns konsequent voran arbeiten!" rief Kuja hauptsächlich in Richtung seiner beiden Freunde. "Und keine Rast machen, bevor wir den Gipfel nicht hinter uns haben!" Er nickte. Ja, sie taten das Richtige. "Ihr werdet sehen. Wir werden schneller in Santarole sein, als wir denken. Dafür spendiere ich heute Abend auch Jedem eine Isminardi!" Das war die wohl mit Abstand beste, aber auch teuerste Zigarre, die man auf diesem Kontinent kaufen konnte.
"Aber ich rauche nicht!" protestierte Tizian.
"Du kriegst ja auch schon einen Liebhaber!" raunte Giovanni mit leisen Worten zu ihm herüber, was ihm einen mahnenden Blick und ein Grollen einbrachte.
Nach wenigen Minuten erreichten sie einen enorm steilen Anstieg direkt an einer beinahe senkrechten Steilwand. Hier ging es nur noch im Schneckentempo voran.
Das Wetter schien es anfangs auch wirklich gut mit ihnen zu meinen, denn der Regen ließ etwas nach, wenngleich es merklich kälter wurde.
Doch mitten in der Steilwand frischte plötzlich der Wind stark auf und wenig später regnete es deutlich kräftiger als zuvor.
Der ganze Aufstieg dauerte letztlich über eine Stunde.
Zu ihrer Erleichterung aber standen sie danach quasi direkt vor dem Gipfel und hatten somit beinahe die Hälfte ihres Weges nach Santarole zurückgelegt.
Die Freude aber hielt nicht lange an, denn je näher sie dem Gipfel kamen, desto deutlicher waren dahinter tiefschwarze, mächtige Wolkentürme zu erkennen, aus denen auch schon der erste Donner grollend auf sie zurollte.
Die Gruppe aber hatte keine andere Wahl, als weiterzugehen.
Hinter dem Gipfel schloss sich abschüssiges Gelände an und erneut mussten sie sehr vorsichtig agieren. Wieder kamen sie nur langsam voran, während sich das Wetter weiter deutlich verschlechterte und sich eindeutig ein heftiger Gewittersturm ankündigte. Vor allem aber der Regen nahm deutlich zu und hatte alsbald eine Intensität, dass alle das Gefühl hatten, sie würden sich durch einen sich stetig erneuernden Vorhang tasten. Die Sichtweite lag bei unter fünf Metern.
Allen war klar, dass sie hier nicht viel länger bleiben konnten und Schutz in einer Höhle suchen mussten. Also hielten sie angestrengt Ausschau danach.
Die immer und immer wieder aufflammenden Blitze halfen hierbei sogar, tauchten sie ihre ansonsten in einen dunklen, grauen Schleier gehüllte Umgebung doch für Sekundenbruchteile in grelles Licht.
Und bei einem dieser Blitze konnte Tizian es erkennen: Ein großes, tiefschwarzes Loch, eindeutig eine Höhle, groß genug für sie alle, direkt über ihnen, vielleicht zwanzig Meter entfernt. "Da!" rief er dann auch aus so laut er konnte, um den anschließenden Donner zu übertönen und deutete gleichzeitig mit dem rechten Arm in die entsprechende Richtung. Nicht alle schienen ihn gehört zu haben, denn nur Kuja, Moretti und zwei seiner Leute wandten ihre Blicke in seine Richtung, konnten aber natürlich nichts mehr erkennen, da sich die Umgebung bereits wieder verdunkelt hatte.
Doch als wollte der Herrgott ihnen einen sicheren Ort zuweisen, flammte schon eine Sekunde später ein weiterer Blitz auf, der dieses Mal nicht irgendwo auf dem Weg zur Erde endete, sondern mit einem irrsinnig lauten Knall auf den hinteren Bereich des Höhlendaches krachte und für Augenblicke zusätzlich zu seinem normalen Licht auch noch ein heftiger Funkenflug zu sehen war. Dieses Schauspiel zog die Aufmerksamkeit aller auf sich und jeder konnte jetzt die große Höhe direkt über ihnen erkennen.
"Los, rein da!" brüllte Moretti, doch gerade, als sich alle dorthin umgewandt hatten, war ein tiefes, mächtiges Grollen zu hören, dass ganz eindeutig kein Donner war. Zeitgleich konnten alle eine zunächst nur leichte, aber sehr schnell sehr viel deutlicher werdende Erschütterung des Felsbodens spüren. Doch bevor sich noch irgendeiner von ihnen fragen konnte, welchen Ursprungs sie sein mochte, schoss eine riesige Welle aus der Höhle über ihnen hervor und ein mächtiger Schwall gewaltiger Wassermassen, die mit Unmengen an Geröll vermischt waren, donnerte auf sie zu.
Augenblicklich begannen alle wild zu schreien und rissen ihre Pferde nach rechts, wo einige größere Felsbrocken Sicherheit versprachen. Die Tiere spürten die Panik der Menschen und wieherten angstvoll.
Dann schoss das Wasser brüllend den Hang hinab und riss alles mit sich, was sich ihm in den Weg stellte.
Nur ihrer ausgezeichneten, körperlichen Konstitution und dem hervorragenden Umgang mit ihren Pferden hatten sie es zu verdanken, dass sie nicht von der Flutwelle erfasst wurden. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie die schützenden Felsen, wenngleich sie dabei trotz Regenkleidung nass bis auf die Knochen wurden.
In den nächsten Sekunden atmeten alle erst einmal tief durch und mussten den Schrecken verdauen.
"Sind alle okay?" rief Kuja dann und blickte in die Runde. Er erntete überall ein Nicken. Er wollte gerade durchatmen, als er stutzte. "Wo ist Giovanni?" Er sah sich nochmals um, konnte ihn aber nirgendwo erkennen.
"Er war direkt neben mir!" erklärte Tizian. "Ich bin mir sicher, dass auch er ausweichen konnte!" Sein Blick war jedoch längst nicht so zuversichtlich, wie seine Worte.
"Und wo ist er dann?" fragte Moretti.
Darauf wusste Tizian im Moment auch keine Antwort.
"Oh nein, verdammt!" rief Kuja und starrte nervös mit großen Augen bergab. "Sucht ihn! Na los!" Er selbst riss sein Pferd herum und sein Blick zuckte umher, doch noch immer war der Regen so dicht, dass man kaum mehr als ein paar Meter weit sehen konnte. "Macht schon!" rief er erneut und spürte, wie sich zu seiner Nervosität auch Angst gesellte.
Die anderen Männer taten wie geheißen. Es entstand eine gewisse Unruhe, die durch das Wiehern der Pferde noch verstärkt wurde.
"Macht nicht so einen Lärm!" donnerte dann plötzlich Giovannis Stimme durch den grauen Regenvorhang. Augenblicklich erstarrten alle in ihren Bewegungen. Die meisten sahen sich verdutzt an, einige blickten in die Richtung, aus der sie die Stimme glaubten gehört zu haben.
Als Giovanni dann nur einen Lidschlag später triefnass, aber ruhig und langsam wie aus dem Nichts in ihre Mitte ritt, war Tizian derart überrascht davon, dass er beinahe entsetzt aufschrie. "Oh Gott!"
"Danke!" erwiderte Giovanni trocken und ausdruckslos. "Aber das ist zu viel der Ehre!" Er grinste kurz schief und freudlos und wandte sich dann an Kuja. "Was soll der Lärm?"
"Wir dachten, du wärst...!" Der Fürstensohn deutete in die Tiefe.
Wieder grinste Giovanni schief, dieses Mal aber doch etwas belustigt. "Blödsinn! Aber während ihr euch in die Hosen geschissen habt, habe ich mich hier mal umgesehen!"
"Umgesehen?" Tizian starrte ihn mit großen Augen an.
Giovanni nickte. "Und auch was gefunden!"
"Eine weitere Höhle?" fragte Kuja.
Giovanni sah seinen Freund an, dann begannen seine Augen zu funkeln und er grinste breit. "Kommt mit und seht selbst!" Dabei machte er mit dem Kopf ein Zeichen, ihm zu folgen und schon huschte er wieder in die Richtung, aus der er so plötzlich gekommen war.
Seine Aufforderung ließ sich natürlich niemand zweimal sagen und alle folgten ihm dichtauf.
Zunächst verblieb er noch auf seinem Pferd, dass Moretti sich schon fragte, wie weit zum Teufel Giovanni in dieser kurzen Zeit seiner Abwesenheit wohl gekommen sein mochte, als er abstieg. Er blickte die anderen an und deutete ihnen an, ihm weiter zu folgen.
Giovanni erklomm einen kleinen Anstieg, auf dessen Kuppe einige mittelgroße Felsbrocken dicht beieinanderstanden. Als er sie erreicht hatte, stellte er sich aufrecht dahinter und wartete auf den Rest des Trupps. Dann deutete er über die Felsen hinweg. "Da!" sagte er nur.
Die anderen drängten sich zusammen und blickten in den Regen. Anfangs konnten sie eigentlich nichts erkennen, doch allmählich schälten sich Konturen heraus. Es war zu sehen, dass der Boden hinter den Felsen deutlich stärker abfiel, als auf dieser Seite und schließlich auf einem doch ziemlich großen Hochplateau endete, welches zu den anderen Seiten hin wiederrum durch mehr oder weniger steile Felswände umrahmt wurde.
Kuja konnte einen Bach dort erkennen und auch einen ziemlich großen Kiefernhain, als er plötzlich stutzte. Da war Rauch! "Ist das ein Haus?" fragte er sichtlich überrascht und sah Giovanni mit großen Augen an.
Sein Freund nickte mit einem weiteren Grinsen. "Mehr als das!" sagte er und deutete auf den hinteren Bereich des Plateaus, wo weitere Schornsteine und Dächer zu erkennen waren. "Da ist ein ganzes Dorf!"