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Aufgabenstellung

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Mit diesem Buch verfolge ich zwei Ziele: Ich möchte einerseits einen Überblick geben über das Denken und den Glauben der „Kirche des Ostens“, also der Christen im Großraum Syrien, die in der westlichen Kirchengeschichte und damit in der Wahrnehmung im abendländischen Bewusstsein bis heute kaum Platz gefunden haben. Ihre Theologie und ihr Verständnis von Jesus Christus können für das innerchristliche Gespräch über die Bedeutung von Jesus Christus und seines Erlösungswerkes wichtige Impulse geben.

Andererseits möchte ich mich auf dem Hintergrund der „Kirche des Ostens“ und damit des sozio-politischen und vor allem des religiösen Kontextes auf Grundlage zeitgenössischer Quellen, Inschriften, Ausgrabungen und Münzfunden der frühislamischen Geschichte des 4.–9. Jahrhunderts in historisch-kritischer Perspektive nähern.

Beide Bereiche werfen erst gemeinsam ein Licht auf die Anfänge des Islams und die christlich-muslimischen Begegnungen. Sie können im Rahmen dieser Arbeit nur skizzenhaft-kursorisch angegangen werden. Die in diesem Buch entwickelten Gedanken verstehe ich daher nicht als endgültige Ergebnisse. Sie möchten vielmehr die Aufmerksamkeit auf die historisch-kritischen Aspekte lenken, die im innerchristlichen Dialog wie bei interreligiösen Diskussionen wenig beachtet werden.

Die Arbeit an diesem Thema (der frühen Islamgeschichte) hat mir durch die Sichtung immer weiterer Materialien und durch die Zusammenführung verschiedener Forschungsergebnisse mehr und mehr gezeigt, dass sich eine historisch-kritische Annäherung an die Anfangszeit des Islams von der traditionellen Überlieferung und dem vorherrschenden Bild über die Entstehung des Islams unterscheidet. Durch zahlreiche Gespräche ist mir bewusst geworden, wie sehr die einzelnen „Wissenschaftshäuser“ für sich arbeiten. Um nur einige zu nennen: Vom „Haus der (westlichen) Theologie“ findet kaum jemand zum „Haus der orientalischen Kirchen“, vom „Haus der Arabistik“ findet kaum jemand zum „Haus der Aramaistik“ und von dort aus kaum einer zum „Haus der Islamwissenschaften“, vom „Haus der Numismatik“ findet kaum jemand zum „Haus der Geschichte“. Das betrifft alle diese „Häuser“, so dass sie untereinander austauschbar sind. Die „Häuser“, so mein Eindruck, stehen auf dem weiten Feld der Forschung oft allein und die Wege sind holprig, um interdisziplinär zueinander zu kommen.

Dieses Buch ist der Versuch, die verschiedenen Häuser miteinander in ein Gespräch zu bringen und ihre Forschungsergebnisse aufeinander zu beziehen. In sieben Schritten möchte ich diesen Weg beschreiten. Zunächst ist es (Kapitel 1) wichtig, die gesellschaftspolitischen und religiös-kulturellen Verhältnisse auf der arabischen Halbinsel sowie im Großraum Syrien zu beschreiben und die konfessionellen Entwicklungen des Christentums in dieser Region generell in den Blick zu nehmen. Dann möchte ich (Kapitel 2) einen Blick auf die Theologie und das Selbstverständnis des sich nach Osten ausbreitenden syrischen Christentums werfen, das sich anders, aber nicht weniger tiefgreifend als das westliche Denken, mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus befasst hat.

Dieses ostsyrische Christentum hat durch seine Missionsarbeit auch die arabischen Stämme erreicht. Zieht man (Kapitel 3) nicht-islamische Quellen, numismatische und archäologische Funde sowie Inschriftenfunde zurate, weist die historisch-kritische Spurensuche darauf hin, dass weniger Mekka als vielmehr al-Ḥirâ’ Ausgangspunkt einer arabischen Bewegung gewesen sein könnte, die von diesem ostsyrischen Christentum beeinflusst war. Die unterschiedlichen christologischen Überzeugungen jener Zeit und ihre politischen Umsetzungsversuche mündeten dann in eine innerchristliche Auseinandersetzung um das rechte Christusbekenntnis (Kapitel 4). Schließlich stehen (Kapitel 5) Fragen nach den Übergängen vom Christentum zum Islam im Mittelpunkt der Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung der Entstehung des Qur’âns, dem Verständnis der Suren und ihres Deutungsrahmens sowie der Muḥammad-Biographien (Kapitel 6). In einem abschließenden Ausblick (Kapitel 7) soll den unterschiedlichen Auffassungen über den Geist Gottes und seiner Wirkung in der Geschichte nachgegangen werden, die grundlegend die eigene Spiritualität und das Verhältnis zur Welt und der Moderne und damit auch zu den anderen Religionen bestimmen.

Wenn das gemeinsame geistige Erbe wieder stärker in den Mittelpunkt rückt, so die These des Buches, fällt auf die Zeit des 4.–9. Jahrhunderts ein anderes Licht. Die Geschichte der jüdisch-christlich-islamischen Begegnungen ist damit von Anfang an enger verwoben, als es bisher den Anschein hatte. Dies sollte sich positiv auf den christlich-islamischen sowie den jüdisch-islamischen Dialog auswirken, die häufig von gegenseitigen Abgrenzungsversuchen bestimmt sind und mehr auf das Trennende schauen als auf das Verbindende. Hierin liegt, hat man den „garstigen Graben der historischen Kritik“ durchschritten, eine ungeheure Chance. Letztendlich fordert die historisch-kritische Herangehensweise zu einer offenen „Geisteshaltung“ heraus und dazu, die „Wahrheit“ der eigenen Religion nicht nur in Dogmen oder durch politische Macht zu „beweisen“, sondern anhand ihrer „Bewährung“ im alltäglichen Vollzug. Oder, um es mit den Worten des Juden Jesus, den die Christen als Messias bekennen und die Muslime als Propheten achten, zu sagen: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Mt. 7,26).

Religion fällt nicht vom Himmel

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