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1 Gesellschaftliche Bedingungen auf der arabischen Halbinsel und im Großraum Syrien und die Anfänge des Christentums
ОглавлениеDer Großraum Syrien war ein Ort pulsierenden Lebens. Unterschiedliche Vorstellungen religiöser und kultureller Art lagen eng in diesem Raum beieinander. Syrien war in der Antike stets Schnittpunkt mehrerer wirtschaftlicher und kultureller Einflusszonen: von Mesopotamien, Kleinasien, Ägypten und der Ägäis (Griechenland). Zahlreiche Völker, darunter die Araber, Kanaanäer, Aramäer und Hethiter, Makkedonier, Griechen und Römer brachten ihre Sprache und Kultur und damit auch ihre Kulte mit nach Syrien. Nicht selten wechselten die Herrscher. Pluralität der Lebenswelten ist somit keine neuzeitliche Erfindung.
Auch das Judentum war in seinen verschiedenen Gruppen zahlreich vertreten. Intellektuell rege (man denke nur an den babylonischen Talmud) zogen die vielen Synagogen und Talmudschulen die Menschen in dieser Region an. Trotz der sich entwickelnden Herrschaft des Islams haben sich Juden wie Christen im Orient bis heute in ihrer Vielfalt halten können. Dass jüdische Gemeinden heutzutage in den arabischen Ländern kaum oder gar nicht mehr anzutreffen sind, ist erst den jüngsten politischen Veränderungen geschuldet. Auch die christlichen Gemeinden wurden immer stärker in die Defensive gedrängt. Dennoch findet sich z.B. im heutigen Syrien eine aramäisch sprechende christliche Bevölkerung, die eine Variante der alten syrischen Sprache im Umfeld des Arabischen bewahrt hat.
Es wundert nicht, dass es im Großraum Syrien zu wechselseitigen Beeinflussungen der Religionsgemeinschaften gekommen war. Sie waren nicht selten, sondern gehörten zum Lebensalltag. Noch heute mischen sich die Sitten: In muslimischen Familien konnte ich erleben, wie über dem Brot das Kreuzzeichen geschlagen wird und in vielen christlichen Gemeinden im Mittleren Osten verhüllen die Frauen in der Kirche ihr Haupt.