Читать книгу Religion fällt nicht vom Himmel - Andreas Goetze - Страница 34

Handelsplatz, nicht Handelszentrum

Оглавление

Es ist nicht zu bestreiten, dass Mekka ein Handelsplatz gewesen war, wo interner Tauschhandel im bescheidenen Maße stattgefunden haben dürfte. Es ist auch nicht zu bestreiten, dass Mekka, nachdem es „eine islamische Stadt geworden war und sich dank der alljährlichen Wallfahrt zu einem wichtigen Zentrum entwickelt hatte“, eine bedeutende Handelsstadt geworden ist69. Doch trifft das auch zu auf die Zeit Anfang des 7. Jahrhunderts? Patricia Crone hat die Handelsrouten auf der arabischen Halbinsel genauer untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Mekka in vorabbâsidischer Zeit kein blühendes Handelszentrum gewesen war70. Denn warum sollten Karawanen auf ihrem Weg zwischen dem Yemen und Syrien, einer der „wichtigsten Transitstrecken des Fernhandels im vorislamischen Arabien“71, einen gewaltigen Umweg gehen, indem sie tief hinab ins unfruchtbare Tal Mekkas zogen? Es gab keinen wirklichen Grund, nach Mekka zu reisen oder sich dort anzusiedeln.

Nichtmuslimische Quellen lassen kein Bild „von lebhaften Handelskontakten vom Ḥiğâz und von Mekka bis in die fernsten Regionen Arabiens entstehen“72. Es ist eher davon auszugehen, dass „alle Berichte über den Handel in Mekka auf Exegeten zurückgehen, die sich mit Sure 106 beschäftigt haben“73. Nur in den Qur’ânkommentaren zu Sure 106,2 steht, dass dieser Vers einen Hinweis auf Mekka als Handelsstadt gebe, von der aus regelmäßig Karawanen in alle Richtungen gezogen seien. Der Vers selbst gibt diese Deutung nicht her: „Auch in der Literatur sind keine historischen Fakten zu finden, womit die Händler in Mekka wohl gehandelt haben“74. Nach Jansen gebe die islamische Traditionsliteratur hier einen ihren vielen Hinweise für die Annahme, dass die Sîra des Propheten dazu herangezogen wurde, um schwer verständliche Qur’ânpassagen zu erläutern75.

Wenn der Ort dennoch von Karawanen aufgesucht worden sein sollte, ließe sich das damit erklären, dass es in Mekka ein Heiligtum gegeben hat76. Die Bedeutung dieses Heiligtums, der Ka‛ba, zu jener Zeit ist umstritten77. Wenn viele Stämme dorthin gepilgert wären (von der Stadt Nağrân sind z.B. solche Pilgerreisen überliefert), hätte Mekka eine religiöse Bedeutung für den Ḥiğâz, den Nordwesten der arabischen Halbinsel gehabt78. Gegenüber den anderen heiligen, jeweils einer Gottheit geweihten Stätten, bestand die Besonderheit der Ka‛ba möglicherweise in ihrem Anspruch, ein Universalheiligtum zu sein (wobei der Ort Ṭâ’if mit seinem Allâh geweihten Heiligtum diesen Anspruch für sich reklamierte). Doch die nichtislamischen Quellen berichten darüber nichts.

In Mekka wurde solch ein „Baityl“79, ein rechteckiger schwarzer Stein, in der nordöstlichen Ecke eingelassen und beim Umwandeln der Ka‛ba geküsst. Prozessionen von einem Kultbild zum anderen und rituelle Umrundungen waren üblich80. Darauf weist auch die Tempelarchitektur hin. Man fand bei Ausgrabungen sogenannte „Umgangstempel“, durch die das Wandeln um das eigentliche Heiligtum möglich war. Verehrt wurde mit dem schwarzen Stein und später auch mit der Ka‛ba ein Gott altarabischer Art: Allâh81. Wie tief verwurzelt diese Ansicht auf der arabischen Halbinsel gewesen war, ist selbst umstritten. Bemerkenswerterweise führt Hoyland, der ansonsten die klassische islamische Lesart teilt, Mekka nicht unter den „heiligen Plätzen“ der Region auf, sondern erwähnt nur, dass es in Mekka wie an anderen Orten auch (z.B. unter den Nabatäern) „Heilige Steine“ gegeben habe82. Wie dem auch sei: In den ersten Jahrhunderten mit jüdischem und christlichem Einfluss haben sich die Bindungen an diese „Baityle“ der alten Götter immer mehr gelockert und so konnte sich ein monotheistisches Gottesverständnis weiter entwickeln.

Religion fällt nicht vom Himmel

Подняться наверх