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IV. Handlungen im ausländischen Wettbewerb
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Wirtschaftskorruptives Verhalten mit Auslandsbezug tritt typischerweise als aktive Angestelltenbestechung i.S.v. § 299 Abs. 2 StGB auf, indem Mitarbeiter deutscher Unternehmen zwecks Erlangung von Aufträgen oder Absatzes von Waren Bestechungsgelder (häufig über Vermittler) an Angestellte oder Beauftragte des (zukünftigen) Geschäftspartners „ins“ oder „im“ Ausland zahlen.[600] Damit ist die Frage aufgeworfen, ob § 299 StGB nur den inländischen Wettbewerb schützt oder auch unlautere Bevorzugungen im ausländischen Wettbewerb einbezieht. Vor der letzten Reform ergab sich die Antwort aus § 299 Abs. 3 StGB a.F. Diese mit Wirkung zum 30.8.2002 in das StGB eingefügte Regelung,[601] die den Anwendungs-/Schutzbereich des § 299 StGB auf „Handlungen im ausländischen Wettbewerb“ erstreckte, wurde vom Gesetzgeber des KorrBekG 2015 zwar gestrichen. Ihr Regelungsgehalt ist aber explizit in die neugefassten § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB eingearbeitet worden, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden sein soll.[602] Da der Straftatbestand schon bisher keine Beschränkung auf deutsche Angestellte und Beauftragte sowie auf deutsche Unternehmen enthielt, ist er (in allen Tatvarianten) auch nach der Reform auf Taten von ausländischen Angestellten und Beauftragten ausländischer Unternehmen anwendbar.[603] Bei Auslandssachverhalten ist zur Klärung der Frage eines intern pflichtwidrigen Verhaltens i.S.d. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB das Recht des betroffenen ausländischen Staates heranzuziehen;[604] auf einen internationalen Wettbewerb kommt es dabei für die Anwendbarkeit der Pflichtverletzungsvarianten nicht an.[605]
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Die Ausdehnung des § 299 StGB auf den ausländischen (nicht auf den europäischen Binnenmarkt beschränkten) Wettbewerb hat zu einer Diskussion über die dogmatische Einordnung dieser Erweiterung geführt. Zu Recht nicht durchgesetzt hat sich dabei die Auffassung, der Formulierung in § 299 Abs. 3 StGB a.F. sei keine (nur) den Schutzbereich erweiternde Regelung zu entnehmen, sondern ein (im Ergebnis noch weitergehender) Verzicht auf die Erfordernisse der §§ 3–7 StGB mit der Folge der Geltung des Weltrechtsprinzips für Taten nach § 299 StGB.[606] Dessen alter Abs. 3 spricht – ebenso wie heute § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB – nicht von „Handlungen im Ausland“, sondern von „Handlungen im ausländischen Wettbewerb“. Das ist zwar unpräzise, muss sich aber keineswegs auf den Ort der Handlung beziehen, sondern kann ohne Weiteres – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – verstanden werden als „Handlungen mit Auswirkungen auf ausländischen Wettbewerb“.[607]
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Mit der Schutzbereichserweiterung hat der Gesetzgeber 2002 der bis dahin vorherrschenden Ansicht, der „Weltwettbewerb“ sei durch § 299 StGB a.F. nicht geschützt, den Boden entzogen. Im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs geht von der Ausdehnung der Norm auf Bestechungshandlungen mit (potenziellen) Auswirkungen auf andere Märkte als den rein nationalen zwar das richtige Signal aus; Wettbewerbsnachteile entstehen für im Ausland aktive deutsche Unternehmen dadurch allerdings dann, wenn im jeweiligen ausländischen Staat Korruptionsverbote bestehen, diese aber nicht (effektiv) durchgesetzt werden, sich also als reine „Papiertiger“ entpuppen.[608] Gleichwohl kann in diesen Fällen keine teleologische Reduktion des § 299 Abs. 3 StGB a.F. (bzw. der Wettbewerbsvarianten in § 299 StGB n.F.) angenommen werden.[609] Ggf. notwendige Strafbarkeitseinschränkungen können sich allerdings aufgrund anderer Aspekte (etwa der Sozialadäquanz) ergeben (dazu Rn. 36).
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Ein hinreichender Bezug zur nationalen Rechtsordnung ist aber dadurch sichergestellt, dass ein „Anknüpfungspunkt“ i.S.d. §§ 3–7 StGB für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts vorausgesetzt wird.[610] Bei Inlandstaten muss die Tat zumindest teilweise auf deutschem Territorium begangen werden (vgl. §§ 3, 9 StGB), etwa durch Fordern eines Vorteils,[611] der Abgabe eines Versprechens[612] oder der Übergabe von Bargeld.[613] Für den Teilnehmer regelt § 9 Abs. 2 S. 2 StGB (besonders tückisch!), dass auf die im Inland durchgeführte Teilnahmehandlung deutsches Strafrecht auch dann Anwendung findet, wenn die Haupttat am Tatort nicht strafbar ist. Damit macht sich etwa ein deutscher Manager wegen Anstiftung oder Beihilfe zu § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar, der im oder vom Inland aus einem einheimischen Vermittler zwecks Auftragserlangung Schmiergelder zur Verfügung stellt, obwohl im Land des Einsatzortes die Angestelltenbestechung straflos ist.[614] Ausschließlich im Ausland begangene Taten sind gem. § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar, wenn sie dort von deutschen Mitarbeitern oder gegen solche vorgenommen werden, sofern die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.[615] Die umstrittene, hinsichtlich des Erfordernisses beiderseitiger Strafbarkeit großzügige Rechtsprechung fordert keine Kongruenz von ausländischem und deutschem Straftatbestand;[616] es genügt, dass für die konkrete Tat i.S.d. § 264 StPO unter irgendeinem rechtlichen Aspekt Kriminalstrafe oder eine gleichwertige Sanktion (nicht aber eine Geldbuße[617]) angedroht ist.[618] Da Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Tatortstrafrechts bei der Feststellung der Strafdrohung grundsätzlich zu berücksichtigen sind,[619] ist auch die Sozialadäquanz der Schmiergeldzahlungen als Tatbestandsausschluss- oder Rechtfertigungsgrund zu beachten, soweit ein solches Geschäftsgebaren wirklich von der betreffenden ausländischen Rechtsordnung akzeptiert, eine derartige Übereinstimmung also nicht nur behauptet wird[620] (näher Rn. 38). Dazu wird im Strafverfahren i.d.R. ein Sachverständigengutachten einzuholen sein.[621] Die Amtsträgerkorruption ist in vielen (nach Rügemer[622] in allen) Ländern strafbar[623] und auch die Pönalisierung der Bestechung im privaten Sektor steht nicht mehr ganz am Anfang.[624] Eine auf § 7 Abs. 1 StGB gestützte Strafverfolgung setzt voraus, dass ein Deutscher durch die Auslandstat verletzt wurde.[625] Nach h.M. wäre also an die betroffenen (Vermögens-)Interessen der Mitbewerber und Geschäftsherren anzuknüpfen; sieht man – wie hier – ausschließlich den Leistungswettbewerb als geschütztes Gut an (dazu Rn. 13), gibt es überhaupt keinen Verletzten.[626] – Inwieweit mögliche Korruptionssachverhalte mit Auslandsbezug von deutschen oder ausländischen Strafverfolgungsbehörden zum Anlass für Strafverfahren genommen werden, bleibt abzuwarten.[627] Die in jüngerer Zeit erfolgten Ermittlungen gegen den Vorstandsvorsitzenden der Telekom wegen vermuteter Bestechungshandlungen in Mazedonien und Montenegro[628] und gegen Mitarbeiter der Deutschen Bank aufgrund von Zuwendungen an Entscheidungsträger in Japan[629] zeigen allerdings, dass sich die Aktivitäten auch in diesem Bereich verstärken.