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VIII. Rechtsfolgen

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Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB); der Strafrahmen ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Für besonders schwere Fälle ordnet die Strafzumessungsvorschrift des § 300 S. 1 StGB sowohl für § 299 StGB als auch für die mit Wirkung zum 4.6.2016 in das StGB eingefügten §§ 299a, 299b StGB[729] eine Erhöhung des Strafrahmens auf drei Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe an. § 300 S. 2 StGB enthält Regelbeispiele, deren Vorliegen indizielle Bedeutung hat, die bei gleichzeitigem Vorliegen gewichtiger Strafmilderungsgesichtspunkte entfällt.[730] Ein besonders schwerer Fall soll in der Regel vorliegen, wenn sich die Tat auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht (§ 300 S. 2 Nr. 1 StGB), der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer sich zum Zwecke der fortgesetzten Begehung solcher Taten verbundenen Bande handelt (§ 300 S. 2 Nr. 2 StGB). Ein Vorteil großen Ausmaßes wird angenommen, wenn die Zuwendung (nicht die wettbewerbswidrige Bevorzugung)[731] überdurchschnittlich hoch ist;[732] der Begriff ist tatbestandsspezifisch und wegen seiner bedenklichen Unbestimmtheit restriktiv[733] auszulegen.[734] Als Untergrenze für die Wettbewerbsvarianten in §§ 299, 300 StGB wurde und wird zumeist ein Wert von 25.000 € angegeben.[735] Dieser Betrag wird nunmehr auch als Schwelle genannt, bei deren Überschreitung mit einer erheblichen Gefährdung der legalen Diensthandlung in den Pflichtwidrigkeitsvarianten zu rechnen ist.[736] Bei mehreren Teilleistungen auf eine Unrechtsvereinbarung kommt es, wenn nur eine Handlung der Bestechlichkeit bzw. Bestechung vorliegt, auf den Gesamtwert der Zuwendung an.[737] Der Täter handelt gewerbsmäßig, wenn er dabei die Absicht hat, sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu schaffen.[738] Bei § 299 StGB soll das regelmäßig der Fall sein, wenn der Täter beabsichtigt, ein Korruptionssystem aufzubauen, um daraus laufend nicht ganz unerhebliche materielle Vorteile zu ziehen.[739] Die Tatbegehung als Mitglied einer Bande setzt das Zusammenwirken von mindestens drei Personen voraus.[740] Bande i.S.d. § 300 S. 2 Nr. 2 StGB ist auch ein „gemischter“ Zusammenschluss von Personen auf beiden Seiten der korruptiven Beziehung.[741] Die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds bei der Tatausführung ist nicht erforderlich.[742] Zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der Vorverlagerung der Strafbarkeit in § 299 StGB Bandentat schon die Bandenabrede selbst sein kann, wenn sie im Abschluss einer auf Wiederholung gerichteten Unrechtsvereinbarung besteht.[743] Unbenannte besonders schwere Fälle, bei denen ebenfalls die Anwendung des erhöhten Strafrahmens gerechtfertigt sein kann, können z.B. vorliegen bei nachhaltigen (objektiv eingetretenen) Schadensfolgen, bei Bevorzugungen, die sich auf erhebliche Vermögenswerte beziehen oder zu einem besonders ausgeprägten Wettbewerbsvorteil führen;[744] nicht dagegen schon bei Untreuehandlungen gegenüber dem Geschäftsherrn,[745] weil dieser durch die Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB allenfalls nachrangig geschützt ist. Dagegen erfassen § 299 Abs. 1 Nr. 2 und § 299 Abs. 2 Nr. 2 StGB Untreueverhalten gegenüber dem Prinzipal bereits tatbestandlich, so dass bei Beachtung des Doppelverwertungsverbots gem. § 46 Abs. 3 StGB ein unbenannter besonders schwerer Fall nur bei graduell besonders gravierenden Untreuefällen gegeben sein könnte.[746]

Seit dem 1.9.2009 kann der Täter eines besonders schweren Falles der Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. den §§ 299, 300 StGB bei entsprechenden Aufklärungsaktivitäten Strafmilderung oder gar ein Absehen von Strafe nach Maßgabe der Kronzeugenregelung in § 46b StGB[747] erhoffen. Dazu muss er entweder sein Wissen über Tatsachen freiwillig offenbaren, die wesentlich zur Aufdeckung einer Tat nach § 100a Abs. 2 StPO beitragen (Aufklärungshilfe nach § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) oder durch die eine solche Tat verhindert werden kann (Präventionshilfe nach § 46b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Musste zunächst zwischen der dem Beschuldigten vorgeworfenen und der von ihm offenbarten Tat eines Dritten keinerlei Zusammenhang bestehen, ist seit Inkrafttreten des 46. StrÄndG am 1.8.2013[748] nach Kritik an diesem weiten Ansatz (insb. Verstoß gegen das Schuldprinzip)[749] ein Konnexitätszusammenhang erforderlich (Aufdeckung einer Tat, „die mit seiner Tat im Zusammenhang steht“)[750]. Nachfolgend skizzierte Gefahren werden dadurch etwas abgeschwächt. Die Vorschrift bietet einmal bei Hilfe zur Aufklärung oder Prävention von besonders schweren Fällen nach §§ 299, 300 StGB als Straftaten i.S.d. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. s) StPO die Aussicht auf Strafmilderung bzw. -freistellung. Es besteht also für mit schweren Straftaten belastete Mitarbeiter der Anreiz, die Staatsanwaltschaft insb. über Korruptionsfälle im Unternehmen zu unterrichten.[751] Es ist aber auch mit Szenarien zu rechnen, in denen Arbeitnehmer Zugeständnisse von ihrem Arbeitgeber dafür erpressen, dass sie sich gerade nicht als Kronzeuge für unternehmensbezogene Straftaten zur Verfügung stellen.[752] Da Mitarbeiter, die über den „Flurfunk“ Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten im Unternehmen suchen, keine Seltenheit sind, kursiert unter den Arbeitnehmern oftmals Wissen, das mit der Einführung des § 46b StGB zum Störfaktor für Compliance in Unternehmen werden kann. Die Jagd nach dem eigenen Vorteil für den Kronzeugen steigert jedenfalls das Risiko von Falschaussagen.[753] Darüber hinaus können durch die Aufklärungshilfe mehr Taten verfolgt werden und damit die Sanktionsrisiken für das Unternehmen steigen. Auf der anderen Seite stehen aufgrund einer dem Unternehmen zuzurechnenden Aufklärung und Kooperation durch Kronzeugen jedoch möglicherweise eine geringere Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG oder gar der Verzicht auf eine solche in Aussicht.[754] Unabhängig von den Folgen erhöht die neue Kronzeugenregelung zumindest die Entdeckungswahrscheinlichkeit unternehmensinterner Straftaten deutlich;[755] jeder Mitarbeiter, der Kenntnis von entsprechenden strafrechtsrelevanten – insb. eben auch korruptionsbedeutsamen – Vorgängen im Unternehmen hat, wird dadurch zu einem „unkalkulierbaren Risiko“.[756]

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Verhinderten in der Vergangenheit (insbes. zivilrechtliche) Ansprüche Tatgeschädigter und die damit einhergehende Verfallssperre gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. häufig eine staatliche Vermögensabschöpfung bei § 299 StGB,[757] dürfte die Neuregelung des Abschöpfungsregimes auch in Korruptionssachverhalten eine neue Dynamik entfachen. Denn mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtliche Vermögensabschöpfung v. 13.04.2017[758] – in Kraft gesetzt mit einer Stichtagsregelung zum 1.7.2017 (auch für Altfälle!)[759] – wurde das gesamte Abschöpfungsrecht umfassend neugestaltet und firmiert nunmehr einheitlich unter dem Terminus „Einziehung“ (angelehnt an die im Recht der Europäischen Union übliche Bezeichnung „confiscation“). Zweck der Reform war es, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, nicht vertretbare Abschöpfungslücken zu schließen[760] sowie gleichzeitig der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU[761] nachzukommen. Ausgeweitet wurde der Anwendungsbereich insbesondere durch den Wegfall der Verfallssperre gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel von der bisherigen Rückgewinnungshilfe hin zum neuen obligatorischen Opferentschädigungsmodell (nebst den dafür erforderlichen strafprozessualen Modifikationen)[762]. Auch die erweiterte unselbständige Einziehung (§ 73a Abs. 1 StGB)[763] und die selbständige Einziehung (§ 76a Abs. 1 bis 3 StGB) wurde ergänzt. Letztere ist nunmehr möglich, wenn keine bestimmte Person aus rechtlichen (etwa Strafklageverbrauch oder Verhandlungsunfähigkeit) oder tatsächlichen Gründen verfolgt oder verurteilt werden kann.[764] Die Bindung an die Verjährung der (Anknüpfungs-) Tat wurde aufgehoben und durch eine selbständige Frist von grundsätzlich 30 Jahren ersetzt (§ 76b Abs. 1 S. 1 StGB). Neu in das deutsche Recht eingeführt wurde das Instrument der selbständigen erweiterten Einziehung gem. § 76a Abs. 4 StGB, welche die Verknüpfung zwischen Anknüpfungs- und Erwerbstat auflöst und damit – angelehnt an die anglo-amerikanische non-conviction-based confiscation – die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft ermöglicht.[765] Um die Gerichte zu entlasten, wurde der Ausschluss der Einziehung in den Fällen unbilliger Härte, der Entreicherung und bei geringem Wert des Erlangten (§ 73c Abs. 1 StGB a.F.) im Wesentlichen in das Strafvollstreckungsverfahren verlagert.[766] Klarheit über den abzuschöpfenden Betrag soll durch eine Neuregelung der Bestimmung des „erlangten Etwas“ im Wege eines Zusammenspiels von §§ 73 Abs. 1 und 73d Abs. 1 StGB erreicht werden. Die in der Vergangenheit bestehenden erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen BGH-Strafsenaten[767] machten das Ergebnis für die Abschöpfungsbetroffenen nicht selten zu einem „Glücksspiel“. Unverändert bleibt bei der Reform das generalpräventive Ziel der Vermögensabschöpfung, dem Täter und Teilnehmer „die Früchte ihrer Tat zu entziehen“, womit sie neben den Strafen und den Maßregeln die Besserung und Sicherung gleichsam „die dritte Säule der Verbrechensbekämpfung“ einnimmt.[768]

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Nach neuem Recht erfolgt die Bestimmung des „erlangten Etwas“ (als einem Kernthema des materiellen Abschöpfungsrechts) in zwei Schritten: Zunächst werden nach einem weit zu verstehenden Kausalitätsansatz alle „durch“ oder „für“ die rechtswidrige Tat erlangten Vermögenswerte auf Basis des Bruttoprinzips erfasst (§ 73 Abs. 1 StGB).[769] Dabei sind alle messbaren oder zu schätzenden (§ 73d Abs. 2 StGB) wirtschaftlichen Werte, die durch oder für die Anlasstat in das Vermögen des Täters, Teilnehmers oder Drittbegünstigten geflossen sind, in ihrer Gesamtheit erfasst. Ist ein Zugriff auf den ursprünglichen erlangten Tatgegenstand nicht oder nicht mit seinem ursprünglichen Wert möglich (bei Geldbeträgen tritt dies grds. bereits bei Vermischung ein), wird nach § 73c StGB die Einziehung des Wertes des Tatertrags angeordnet. Dieser wird gem. § 73d Abs. 1 StGB in einer mehrstufigen Gedankenoperation normativ unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von § 817 S. 2 BGB („Was in Verbotenes investiert wurde, muss unwiederbringlich verloren sein“ [770]) festgesetzt.[771] Konkret bleibt es bei einer Bruttoabschöpfung, wenn der Tatbeteiligte bzw. Drittbegünstigte etwas vorsätzlich[772] für die Vorbereitung oder Begehung der Tat aufgewendet hat (§ 73d Abs. 1 S. 2 1. Var. StGB);[773] anderenfalls sind unter Rückgriff auf eine Nettobetrachtung Aufwendungen abzuziehen (§ 73d Abs. 1 S. 1 und Abs. 1 S. 2 StGB).[774] Entscheidend für die Abgrenzung ist, dass der Begriff der Tat i.S.v. § 73d Abs. 1 StGB tatbestandlich-formal bzw. deliktsbezogen und nicht in einem weiteren Sinne mit Blick auf das wirtschaftliche Gesamtprojekt des Täters bzw. Teilnehmers interpretiert wird.[775] Erfasst ist dabei die Phase der Vorbereitung der Tat bis hin zu deren materieller Beendigung.[776] Erlangt – wie häufig – das Unternehmen des bestechenden Mitarbeiters durch dessen Tat Etwas (beispielsweise einen lukrativen Auftrag), ermöglicht § 73b Abs. 1 StGB auch die Abschöpfung bei diesem an der Bestechungstat unbeteiligtem Dritten (sog. Drittempfängereinziehung).[777] In Vertretungsfällen (Nr. 1)[778] tritt der Vermögensvorteil beim Unternehmen unmittelbar auf Grund des Handelns des Täters als Organ bzw. Vertreter des Dritten oder auch als sonstiger Angehöriger der Organisation in deren Interesse (z.B. als Angestellter) ein.[779] Sieht man das Aushandeln von Vorteilen für den Geschäftsherrn mit dessen Einverständnis bzw. Billigung – wie bereits dargestellt[780] – richtigerweise nicht als strafbare Zuwendung an einen Dritten i.S.d. § 299 StGB (und damit als nicht tatbestandsmäßig) an, ist in diesen Fällen auch die Anordnung einer (Wertersatz-) Einziehung nicht möglich.

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Bei Korruptionsdelikten sind nach reformiertem Recht alle Vermögensflüsse unter Abschöpfungsgesichtspunkten zu betrachten, die mit dem regelwidrigen Vorteilsaustausch (do ut des) kausal zusammenhängen, denn sie (bzw. ihr Wert) sind „durch“ die Bestechungstat erlangt (§§ 73 Abs. 1, 73c StGB).[781] Zunächst unterliegt der gezahlte Bestechungslohn (oder dessen Wert) der Einziehung bei demjenigen, der ihn in seinen Händen hat.[782] In den Wettbewerbsvarianten (§ 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) ist weiter zu ermitteln, was angesichts der unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb – etwa bei korruptiver Auftragsmanipulation – zugeflossen ist. Nach altem Recht bestanden die Schwierigkeiten hier in der Bestimmung des erlangten „Etwas“. Der 5. BGH-Strafsenat hatte den Vermögenszuwachs in der Ende 2005 ergangenen (Leit-)Entscheidung zum „Kölner Müllskandal“ wie folgt bestimmt: Erfasst sei der gesamte wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also der – wenn nötig nach § 73b StGB a.F. zu schätzende – kalkulierte Gewinn nebst etwaiger weiterer (mittelbarer) wirtschaftlicher Vorteile aus dem Auftrag. Der vereinbarte Werklohn selbst sei dagegen nicht unmittelbar aus der Bestechung erlangt.[783] Diese Berechnungsmethode hatte der 1. BGH-Strafsenat – wenngleich in einem Urteil zur strafbaren Werbung i.S.v. § 16 Abs. 1 UWG – in Frage gestellt.[784] Nach neuem Recht erfolgt die Bestimmung des erlangten Etwas – wie ausgeführt (Rn. 125) – zweistufig in einem Zusammenspiel von §§ 73 Abs. 1 und § 73d Abs. 1 StGB (normativ korrigiertes Bruttoprinzip). D.h. etwa im Fall des durch Bestechung erlangten Werkvertrages Folgendes: Zunächst ist der gesamte (kausale) wirtschaftliche Zufluss das „durch“ die Bestechungstat Erlangte, also insbesondere auch der erhaltene (Werk-)Lohn (§§ 73 Abs. 1, 73c StGB). Erst im zweiten Schritt werden die im zeitlichen und sachlichen Kontext stehenden Aufwendungen und damit sowohl das gezahlte Bestechungsgeld als auch die Kosten für Bauplanung- und Durchführung nach § 73d Abs. 1 StGB berücksichtigt. Jedoch unterfällt das Bestechungsgeld dem Abzugsverbot, also der Rückausnahme gem. § 73d Abs. 1 S. 2 Hs. 1 StGB, denn es wurde zur Begehung der Tat aufgewendet. Dagegen sind insbesondere die Personal- und Materialkosten keine Investitionen in „Verbotenes“ (nicht zur Tatbegehung oder Vorbereitung aufgewendet), sondern in „Erlaubtes“ und bleiben damit (als beanstandungsfreie Leistungen) abzugsfähig. Im Ergebnis wird also der Gewinn abgeschöpft, der (regelmäßig) mindestens so hoch ist, wie die im Werklohn eingepreisten Bestechungskosten.[785]

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Es stellt sich weiter die Frage, welche Werte bei der Pflichtverletzungsvariante gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB einzuziehen sind. Ein typischer Anwendungsfall, der auch dem Gesetzgeber vor Augen stand, ist die erkaufte, gegen bankinterne Richtlinien verstoßende Kreditvergabe ohne Bonitätsprüfung außerhalb einer Wettbewerbssituation.[786] Als mögliche Abschöpfungsadressaten kommen hier – je nach Einzelfall – Bankmitarbeiter, Kreditempfänger und sogar die auszahlende Bank in Betracht. Zur Veranschaulichung der Thematik ein.

Beispiel

Ein Unternehmer besticht einen Bankangestellten, um trotz erheblicher Liquiditätsschwierigkeiten ohne Bonitätsprüfung einen Kredit zu erhalten. Nach dem vermeintlich positiven Prüfungsergebnis wird in einer anderen Abteilung der Kreditvertrag ohne Bestellung von werthaltigen Sicherheiten geschlossen und die Darlehenssumme ausgezahlt. In der Folgezeit gelingt es dem Unternehmer nicht, sein Geschäft zu beleben. Er kann den Kredit nicht zurückzahlen.

Der (erste) Bankmitarbeiter hat § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht, da er im Gegenzug für die unterlassene Bonitätsprüfung den Bestechungslohn annahm. „Durch“ diese Tat hat er eine Geldzahlung erlangt.[787] Ihr Wert ist nach § 73c StGB einzuziehen. Indem der Bankangestellte die Bonität des Unternehmers zu Unrecht bestätigt hat, täuschte er einen anderen Bankmitarbeiter und schädigte dadurch im Ergebnis das Vermögen der Bank. Neben § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist durch eine weitere Handlung ggf. auch § 263 Abs. 1 StGB tatmehrheitlich verwirklicht.[788] § 73 Abs. 1 StGB ist aber nicht zweifach anzuwenden. Denn nach Sinn und Zweck der §§ 73 ff. StGB ist die strafrechtswidrige Bereicherung beim bestochenen Bankmitarbeiter nur einmal abzuschöpfen.

Der Unternehmer hat § 299 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht, indem er den Bankmitarbeiter für das Unterlassen der Bonitätsprüfung bezahlte. „Durch“ die Tat hat er zunächst den Anspruch auf die Kreditauszahlung erlangt (§ 73 Abs. 1 StGB). Die ausgezahlte Darlehenssumme ist als Surrogat nach § 73 Abs. 3 Nr. 2 StGB abschöpfbar. Da das nicht mehr möglich ist, muss nach § 73c StGB ihr Wert eingezogen werden. Dabei ist § 73d StGB zu berücksichtigen.[789] Nach dieser Vorschrift mindern Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers den Einziehungsumfang (Abs. 1 S. 1), es sei denn, das Vermögen wurde „für die Begehung der Tat oder ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt“ (Abs. 1 S. 2 Var. 1). Eine Ausnahme vom Abzugsverbot gilt wiederum für Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Tatverletzten (Abs. 1 S. 2 Var. 2).

Denkbar wäre, die Zins- und Tilgungsverpflichtungen als freiwillige Aufwendungen für den Erhalt der Kreditsumme zu begreifen. In dem skizzierten Beispiel sind sie wirtschaftlich wertlos, so dass kein Aufwand geltend zu machen ist. Sollte die Bank (in einer Abwandlung) aber werthaltige Rückzahlungsansprüche erhalten hat, weil der Kreditnehmer das Darlehen zum Teil zurückzahlen kann, könnte § 73d StGB anwendbar sein. Denn der Unternehmer hat die Verpflichtungen übernommen, um die Darlehenssumme zu erhalten. Allerdings begreift der Reformgesetzgeber eine Verbindlichkeit nicht als Aufwendung. Das hat er im Kontext der Betrugsfälle, für die § 73d Abs. 1 S. 2 Var. 2 StGB konzipiert wurde, deutlich gemacht.[790] Deshalb ist im Ergebnis der volle Wert der erhaltenen Kreditsumme abzuschöpfen.[791] Wenn der Kreditnehmer das Darlehen vor der Abschöpfungsanordnung schon zum Teil zurückgezahlt hat, greift § 73e Abs. 1 StGB; die Einziehungssumme wird in entsprechender Höhe gemindert. Zahlungen nach der Einziehungsanordnung hindern erst die Vollstreckbarkeit der Einziehungsanordnung gem. § 459g Abs. 4 StPO.

Im Beispiel hat die Bank keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, so dass eine Abschöpfung hier nicht in Betracht kommt. Bisher – soweit ersichtlich – nicht diskutiert wurde die Frage, ob auch bei ihr abzuschöpfen wäre, wenn das Kreditgeschäft (trotz unterlassener Bonitätsprüfung) beiderseitig erfüllt wird und deshalb im Ergebnis in Höhe der Zinsen wirtschaftliche Vorteile bringt. Ein (eher theoretisches) Beispiel dafür ist ein kreditwürdiger Unternehmer, der einen Bankmitarbeiter nur deshalb mittels Geldzahlung zur Darlehensvergabe ohne Bonitätsprüfung veranlasst, weil er die Kreditsumme möglichst schnell erhalten will. In Betracht käme eine (Drittempfänger-)Einziehung gegen die Bank gem. § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Dann müsste die Bank die Zinsen „durch“ eine Straftat erlangt und der Bankmitarbeiter müsste „für“ sie gehandelt haben. Beide Merkmale sind nicht unproblematisch.

Bei rein tatsächlicher Betrachtung (Kausalitätslösung) hat die Bank die Zinsen „durch“ einen Verstoß ihres Mitarbeiters gegen § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB „erlangt“. Indes ist zu bedenken, dass dieser wirtschaftliche Zuwachs aus einem entgeltlichen Kreditgeschäft stammt, das an sich nicht strafrechtswidrig ist. Geht es bei der Vermögensabschöpfung darum, dem Täter, Teilnehmer oder Drittempfänger das unrechtmäßig Erlangte wieder zu entziehen, so liegt die Besonderheit des Beispiels gerade darin, dass der Bank die Zinsen aus dem Kreditgeschäft zustehen; zudem soll sie durch die Geschäftsherrenvariante des § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB, die der Mitarbeiter verwirklicht hat, geschützt werden. Bei einer normativ-restriktiven Auslegung des § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB wären die Zinsen mithin nicht „durch“ die Tat erlangt.[792] Folgt man der Argumentation nicht, ist weiter zu prüfen, ob der Angestellte i.S. des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB „für“ die Bank (als Dritte) gehandelt hat. Fordert man dafür, dass der Beteiligte die Bereicherung des anderen will,[793] kommt die Abschöpfung nicht in Betracht, wenn der Mitarbeiter ausschließlich im eigenen Interesse handelt. Allerdings versteht der Reformgesetzgeber § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB als Umsetzung der BGH-Rechtsprechung zu den „Vertretungsfällen“ (§ 73 Abs. 3 StGB a.F.).[794] Danach handelt ein Beteiligter (schon) dann „für“ einen anderen, wenn er ihm faktisch einen Vorteil verschafft hat.[795] Die Lesart der Judikatur wurde indes zu Recht kritisiert. Sie raubt dem Merkmal jede Funktion. Denn § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB setzt (ebenso wie § 73 Abs. 3 StGB a.F.) ohnehin voraus, dass der Dritte einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten hat („durch die Tat etwas erlangt hat“). Der Reformgesetzgeber hat es versäumt, das von § 73 Abs. 3 StGB a.F. bekannte Auslegungsproblem zu beseitigen, so dass es uns auch im neuen Recht begegnet.[796]

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Machen sich Repräsentanten eines Unternehmens der aktiven Bestechung im geschäftlichen Verkehr schuldig oder ist einem Unternehmensinhaber (bzw. seinem Vertreter) diesbezüglich ein Aufsichtsversagen i.S.v. § 130 (ggf. i.V.m. § 9) OWiG vorzuwerfen, kann außerdem – soviel sei hier nur angedeutet – gem. § 30 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG eine Geldbuße (in z.T. beträchtlicher Höhe)[797] gegen die juristische Person oder Personenvereinigung verhängt werden.[798] Daneben kennt das Zivilrecht verschiedene weitere Möglichkeiten der Sanktionierung.[799]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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