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V. Vollendung, Beendigung, Versuch, Rechtfertigung

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Die Tat ist bereits mit der Vornahme der jeweiligen Tathandlung vollendet.[630] Beim Fordern, Anbieten und Versprechen genügt also der Zugang der schriftlichen Erklärung,[631] bei mündlichen Erklärungen die Kenntnisnahme;[632] beim Sichversprechenlassen, Annehmen und Gewähren muss der andere Teil der Unrechtsvereinbarung darüber hinaus zugestimmt haben.[633] Für die Vollendung ist nicht erforderlich, dass der Vorteilsgeber tatsächlich bevorzugt wird;[634] Bestechlichkeit und Bestechung sind Tätigkeits-(und Absichts-)delikte.[635] Das gilt bei der Pflichtwidrigkeitsvariante auch für die Vornahme des erstrebten pflichtverletzenden Verhaltens.[636]

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Für die Bestimmung der Tatbeendigung war lange Jahre der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Vorteilsnehmer oder Dritte den (von der Unrechtsvereinbarung umfassten) Vorteil vollständig entgegengenommen hatte[637] oder die auf eine Vorteilserlangung gerichteten Bemühungen endgültig fehlgeschlagen waren und der Täter mit Erfüllung nicht mehr rechnete.[638] Diese Rechtsprechung ist vom 3. BGH-Strafsenat durch ein zu den §§ 332, 334 StGB ergangenes – und damit wegen der Strukturparallelen der Tatbestände auf § 299 StGB grundsätzlich übertragbares[639] – Urteil vom 19.6.2008 erheblich modifiziert worden.[640] Danach richtet sich für den Fall, dass Amtsträger und Bestechender sich über die pflichtwidrige Diensthandlung und die zu erbringende Gegenleistung einig sind und die Unrechtsvereinbarung auch tatsächlich vollständig umgesetzt wird, die Tatbeendigung (i.S.v. § 78a S. 1 StGB) auf Basis der materiellen Beendigungslehre nach der jeweils letzten Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung. Wird die pflichtwidrige Diensthandlung erst nach der Zuwendung des Vorteils vorgenommen, so soll erst dies zur Beendigung der Tat führen.[641] Obwohl die pflichtwidrige Diensthandlung kein objektives tatbestandliches Element des § 332 Abs. 1 S. 1 StGB sei, beschreibe sie doch den materiellen Unrechtskern (der den Tatbestand des Bestechlichkeit von dem der Vorteilsannahme abhebe) und sei daher zentraler Bezugspunkt aller Tatbestandsvarianten. Als verjährungsauslösendes Ereignis diene die Vornahme der Diensthandlung auch bei der Bestechung gem. § 334 StGB jedenfalls dann, wenn Amtsträger und Bestechender die getroffene Unrechtsvereinbarung beidseitig erfüllen. In Situationen, in denen sich die Tat in dem (vergeblichen) Fordern oder (abgelehnten) Anbieten eines Vorteils erschöpft, soll mit der entsprechenden Handlung das Delikt nicht nur voll-, sondern auch beendet sein. Einigen sich die Partner des Austauschgeschäftes hingegen, wird die Vereinbarung aber nicht vollzogen, so ist nach dem BGH die Bestechung wie die Bestechlichkeit jedenfalls in dem Zeitpunkt beendet, in dem sich die Vereinbarung endgültig als „fehlgeschlagen“ erweist.[642]

Derselbe BGH-Senat hat nun in seinem Urteil vom 18.5.2017[643] diese Rechtsmeinung angesichts der „gleichartigen Deliktsstruktur auf die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB) übertragen.“ In den Worten des Gerichts: „Sind sich der Bestochene und der Bestechende über die bevorzugende Handlung und die hierfür zu erbringende Gegenleistung einig und wird die Unrechtsvereinbarung tatsächlich voll umgesetzt, kommt es für die Tatbeendigung auf die jeweils letzte Handlung zur beidseitigen Erfüllung der getroffenen Vereinbarung an. Die Taten sind in diesen Fällen beendet, wenn der Vorteil vollständig entgegengenommen (…) und zugleich die bevorzugende Handlung vollständig abgeschlossen ist.“[644]

In der Literatur ist vor allem die Entscheidung zur Amtsträgerkorruption überwiegend kritisch aufgenommen worden.[645] Teilaspekte der Kritik lassen sich aber auch auf § 299 StGB spiegeln. Die Grundsatzentscheidung hat ersichtlich zum Ziel, den Strafverfolgungsorganen mehr Zeit für ihre Ermittlungen einzuräumen. Einen Verstoß gegen den Wortlaut von § 78a S. 1 StGB wird man den Richtern dabei allerdings nicht vorwerfen können. Denn auf der Grundlage einer am Rechtsgut orientierten (materiellen) Beendigungslehre[646] lässt sich tatsächlich die Vornahme der Diensthandlung (bzw. der Bevorzugungshandlung) als Schlusspunkt in der Umsetzung der Unrechtsvereinbarung erblicken.[647] Fraglich ist nur, ob dieser „tatbestandsexterne“ Beendigungsbegriff (aus dem ein verjährungsspezifischer Tatbegriff folgt) zu angemessenen Ergebnissen führt.[648] Zweifel sind hier insb. deshalb angebracht, weil mit der Anknüpfung des Beginns der Verjährungsfrist an ein ggf. weit jenseits der tatbestandlichen Vollendung liegendes Beendigungsereignis die effektive Gesamtverjährungszeit erheblich über die durch § 78c Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB begrenzte Höchstdauer von 10 Jahren hinaus verlängert werden kann.[649] Dass auf diese Weise die Zwecke der Verjährung – u.a. die Strafverfolgungsorgane zu zügiger Verfahrensdurchführung anzuhalten (Disziplinierungsfunktion)[650] – in Mitleidenschaft gezogen werden, ist unübersehbar. Misslich ist zudem, dass der Verjährungsbeginn bei der Bestechung (mit Vorteilserhalt) nach der BGH-Lösung ausschließlich vom Verhalten des Vorteilsnehmers abhängt, auf das der Bestechende keinen Einfluss mehr haben kann. Auch auf der Basis einer materiellen Beendigungslehre kann nur der Vorteilsnehmer durch die Vornahme der (pflichtwidrigen) (Dienst-)Handlung seinen Worten Taten folgen lassen und die hierdurch mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung eingetretene Rechtsgutsverletzung intensivieren, was zumindest für eine (differenzierte) personenbezogene Bestimmung des Beendigungszeitpunkts spricht.[651] Selbst diejenigen, die dieser Rechtsprechung „im Grundsatz“ zustimmen, sehen eine Reihe von Folgeproblemen und mahnen rechtsstaatliche Begrenzungen an.[652]

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§ 299 StGB sieht keine Versuchsstrafbarkeit vor; mit den Tatvarianten des „Forderns“ und „Anbietens“ wird allerdings faktisch schon der einseitige Versuch als vollendetes Delikt bestraft.[653] Tätige Reue ist nicht vorgesehen; eine analoge Anwendung kommt mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht in Betracht.[654]

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Die Zustimmung des Geschäftsherrn hat in den Pflichtverletzungsvarianten gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB eine tatbestandsausschließende Wirkung[655] (Rn 86, 103) – eine nachträgliche rechtfertigende Zustimmung des Geschäftsherrn (Genehmigung) scheidet allerdings aus.[656] In den Wettbewerbsvarianten gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB kommt dagegen eine Einwilligung nicht in Betracht,[657] weil sich die Tat gegen ein Rechtsgut der Allgemeinheit richtet, das nicht zur Disposition des Geschäftsherrn steht.[658] Im Ergebnis ist gleichwohl auch hier bei Zustimmung des Geschäftsinhabers weder der bestechliche Angestellte/Beauftragte nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB noch der Vorteilszuwendende nach § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar; vielmehr sind solche Fälle als den Tatbestand nicht erfüllende „Geschäftsinhaberbestechung“ einzuordnen.[659] Anders als die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB enthält § 299 StGB – in den Wettbewerbsvarianten – keine Strafbefreiungsmöglichkeit durch Genehmigungserteilung.[660]

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Ein rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) aufgrund wirtschaftlicher Bedrängnis ist vorstellbar, wird aber regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil eine Bestechungstat nicht das mildeste und wohl nie das angemessene Mittel zur Abwendung der drohenden Gefahr ist.[661] Diskutiert wird im Zusammenhang mit § 299 StGB auch die Rechtsfigur des sog. „Nötigungsnotstandes“.[662] Zu Auswirkungen der Sozialadäquanz bei Bestechungen mit Auslandsbezug s. Rn. 38.

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