Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil - Bernd Heinrich - Страница 47

2.Tatbestand

Оглавление

229a) Allgemeine Voraussetzungen des erfolgsqualifizierten Delikts. Zunächst sind die Grundsätze der Kausalität und der objektiven Zurechnung zu beachten. Für die Kausalität genügt dabei, dass der Eintritt des Erfolges durch die Verletzungshandlungen zumindest beschleunigt wird. Darüber hinaus muss sich im Erfolg auch die spezifische Gefahr des Grundtatbestandes der Körperverletzung niedergeschlagen haben. Dabei ist es für die Lösung von Sachfragen nicht von entscheidender Bedeutung, ob man den gefahrspezifischen Zusammenhang als eigenständigen Prüfungspunkt oder nur als eine spezielle Ausprägung der objektiven Zurechnung ansieht. Die im Übrigen erforderliche Fahrlässigkeit ist grundsätzlich in der vorsätzlichen Verletzungshandlung, d. h. der Verwirklichung des Grundtatbestandes, zu sehen470. Dabei muss die tödliche Folge objektiv und subjektiv vorhersehbar sein, wozu es nach Ansicht des BGH ausreicht, dass der Geschehensablauf in seinen wesentlichen Zügen erkennbar ist, ohne dass es auf die Details des Kausalverlaufs ankommen soll471.

230Bsp.:472 T tritt den O mit dem Fuß kräftig in den Oberkörper. Möglicherweise begünstigt durch die Alkoholisierung und eine Vorschädigung des Herzmuskels führt die Reizung des Solarplexus zum Herzstillstand und damit zum Tod des O.

Nach Ansicht des BGH steht es der Strafbarkeit nicht entgegen, dass die Todesursache eine „medizinische Rarität“ sei. Es komme nur darauf an, ob der Täter den Tod im Allgemeinen voraussehen könne; dies sei der Fall, da bei Tritten in den Oberkörper das Risiko eines tödlichen Ausganges etwa durch einen Leber- oder Milzriss bestehe473. Möchte man die Begrenzungen der Haftung durch den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht aushöhlen, überzeugt dies jedoch nicht, da sich dann die Vorhersehbarkeit auf ein ganz anderes (hypothetisch gebliebenes) Risiko als dasjenige, das sich im Erfolg realisiert hat, erstrecken würde474. Andererseits ist jedoch auch nicht Voraussetzung, dass der Täter innerhalb des von ihm geschaffenen Risikos die körperlichen Vorgänge im Einzelnen vorhersieht475.

231b) Der gefahrspezifische Zusammenhang im Speziellen. Im Tod muss sich die spezifische Gefahr desjenigen Aktes niedergeschlagen haben, der als Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeitsprüfung gewählt wird.

232aa) Insoweit ist vor allem streitig, ob die schwere Folge des Todes zwingend auf dem konkreten Körperverletzungserfolg beruhen muss (Letalitätslehre)476, oder hiervon nur eine Ausnahme zu machen ist, wenn § 224 Abs. 1 Nr. 5 als Grunddelikt verwirklicht ist477, oder ob auch die der Körperverletzungshandlung innewohnende Gefahr ausreichend sein kann478.

Bsp.:479 T schlägt O mit der Pistole auf den Kopf, um ihn zu verletzen; dabei löst sich ein Schuss; O kommt zu Tode. – Bei der Beurteilung des gefahrspezifischen Zusammenhangs ist problematisch, dass der Tod nicht auf dem herbeigeführten Körperverletzungserfolg (Kopfverletzung), sondern auf der Körperverletzungshandlung (Verwenden der Pistole) beruht. Der klassische Fall des § 227 läge vor, wenn T an den Folgen des Schlages auf den Kopf verstorben wäre.

233Der von der Letalitätslehre angeführte Wortlaut und der Hinweis auf das Erfordernis einer restriktiven Tatbestandsauslegung480 vermögen nicht zu überzeugen. Der Begriff der Körperverletzung beschreibt nämlich nicht nur den Erfolg, sondern enthält – wie die körperliche Misshandlung i. S. d. § 223 Abs. 1 Var. 1 zeigt – zugleich ein Handlungsmoment („üble und unangemessene Behandlung…“). Auch ist zu beachten, dass der Körperverletzungshandlung ggf. sogar ein größeres Gefahrenmoment anhaften kann und aus diesem Grund kein Bedürfnis für eine solch restriktive Auslegung besteht. Letztlich bezieht sich § 227 auf §§ 223 ff. insgesamt und damit auch auf die in Abs. 2 normierte Versuchsstrafbarkeit, bei der gerade kein tatbestandlicher Erfolg gegeben ist481. Im Beispielsfall kann daher § 227 Anwendung finden. Die Gegenansicht würde nur zu einer Strafbarkeit gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 (hinsichtlich des Schlages) in Tateinheit mit § 222 (hinsichtlich des Schusses) gelangen.

Hinweis

Bedeutung erlangt dieser Meinungsstreit in Klausuren vor allem für die Frage, ob der erfolgsqualifizierte Versuch strafbar ist, weil beim versuchten Grunddelikt auch nur eine Körperverletzungshandlung vorliegt und es gerade am Körperverletzungserfolg fehlt482.

234bb) Der Umstand, dass das Opfer „vorgeschädigt“ oder in seiner Konstitution geschwächt war, steht einer Zurechnung ebenfalls nicht entgegen, soweit der Erfolg noch im Rahmen des Vorhersehbaren liegt483.

Bsp.:484 T misshandelt den herzkranken O brutal; O erleidet daraufhin einen tödlichen Herzinfarkt. – Auch hier ist eine Strafbarkeit nach § 227 zu bejahen.

235cc) Auch ein Verhalten des Opfers beseitigt nach h. M. den gefahrspezifischen Zusammenhang nicht zwingend485. Gerade bei schweren körperlichen Misshandlungen stellt ein unbesonnenes und riskantes Fluchtverhalten oder Ausweichmanöver eine spezifische Gefahr dar, die zum Tode führen kann486.

Bsp.: T schlägt auf O am Straßenrand mit einer Eisenstange ein; der dadurch schwer benommene O tritt in Panik auf die Straße und wird von einem vorbeifahrenden PKW tödlich verletzt. – T macht sich hier nach § 227 strafbar, weil sich beim Ausweichen mit tödlicher Folge die spezifische Gefahr der Körperverletzungshandlung realisiert hat. Hingegen wäre auf Grundlage der Letalitätslehre § 227 wiederum zu verneinen, weil der Tod nicht unmittelbar auf dem Körperverletzungserfolg beruht.

236Dem hat sich auch der BGH für einen Fall angeschlossen, in dem das Opfer aus Angst vor Misshandlungen durch eine Glasscheibe flüchtete und sich dabei tödliche Schnittwunden zuzog. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs unter dem Gesichtspunkt eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ist demnach jedenfalls dann zu verneinen, wenn das Opferverhalten auf einer vom Täter ausgelösten unfreien Panikreaktion beruht487. Hingegen scheidet eine Strafbarkeit aus, wenn eine freiverantwortliche Entscheidung des Opfers, insbesondere nach Beendigung des Angriffs, zwischen Körperverletzung und schwere Folge tritt. Das kann z. B. der Fall sein, wenn das Opfer auf ärztliche Inanspruchnahme verzichtet488.

Strafrecht Besonderer Teil

Подняться наверх