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2.Objektiver Tatbestand

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291Nötigungsmittel. Erfasst wird vom Tatbestand Gewalt und jede Drohung mit einem empfindlichen Übel.

Hinweis

Die Erpressung i. S. d. § 253 sieht ebenfalls diese Nötigungsmittel vor, während die Tatbestände der §§ 249, 252, 255 nur Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erfassen.

292a) Gewalt. Darunter ist nach der klassischen Definition des RG die Entfaltung körperlicher Kraft zu verstehen, mit der zur Überwindung eines tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstandes auf den Körper eines anderen eingewirkt wird578.

Hinweis

In § 250 Abs. 1 Nr. 1b findet sich diese Definition wieder. Bei anderen Tatbeständen kann der Gewaltbegriff abweichend auszulegen sein. Bei §§ 249, 252, 255 folgt dies bereits daraus, dass tatbestandlich Gewalt gegen eine Person erforderlich ist.

293Ob der Betroffene die Gewalt als solche empfindet, ist unerheblich. Daher ist Gewalt auch gegenüber Schlafenden, Bewusstlosen und Betrunkenen möglich579. Dabei wird vom Tatbestand sowohl vis absoluta als auch vis compulsiva erfasst. Ist der Dritte mit der Gewaltausübung einverstanden, so ist bereits der Tatbestand ausgeschlossen, weil es dann an einem Handeln gegen den Willen des Opfers fehlt, da das Rechtsgut der persönlichen Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung nicht betroffen ist. Dies gilt auch, wenn das Einverständnis durch Täuschung erschlichen wird580.

294aa) Bei vis absoluta wird die persönliche Freiheit der Willensentschließung vollständig aufgehoben oder die Willensbetätigung unmöglich gemacht581. Neben unmittelbaren körperlichen Zwangswirkungen wird auch das Beibringen von Rausch- und Betäubungsmitteln erfasst, um den Widerstand zu verhindern oder zu überwinden582.

Bsp.: T schlägt den O mit einer Eisenstange nieder oder flößt diesem Gift ein, damit ihm dieser nicht mehr den Zugang versperrt. – O ist weder in der Lage überhaupt einen Willen zu bilden, noch diesen zu betätigen.

295bb) Bei vis compulsiva wird das Opfer durch die Zwangswirkung dazu „motiviert“, den Widerstand nicht zu entfalten bzw. aufzugeben583.

Bsp.: T schlägt mit den Fäusten solange auf O ein, bis dieser schließlich den Weg frei gibt. – Im Gegensatz zur vis absoluta ist die Freiheit zur Willensentschließung und Willensbetätigung nicht aufgehoben, da O weiterhin die Möglichkeit hat, den Weg zu versperren, wenn er sich der Gewalt nicht beugt. Die vis compulsiva zielt jedoch darauf ab, die Willensentschließung und Willensbetätigung zu beeinflussen.

296cc) Umstritten sind die Grenzen des Gewaltbegriffs. Problematisch ist, ob – wie in den Sitzblockadefällen – auch eine rein psychische Form der Zwangerzeugung noch unter das Merkmal der Gewalt zu subsumieren ist. In Ablehnung älterer Rechtsprechung, die für Gewalt eine körperliche Tätigkeit mit rein psychischer Zwangswirkung („vergeistigter“ bzw. „erweiterter“ Gewaltbegriff) ausreichen ließ584, verstößt nunmehr nach Ansicht des BVerfG diese erweiternde Auslegung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG, da eine solche „entgrenzende Auslegung“ unzulässig ist585; demnach ist auch der Rechtsanwender (Richter) dazu aufgerufen, die Konturen des Tatbestandes nicht weiter zu verwässern und einer Ausuferung des Nötigungstatbestandes entgegen zu treten.

297 (1) Weitgehende Einigkeit besteht zunächst darüber, dass § 240 jedenfalls dann zu verneinen ist, wenn das strafrechtlich relevante Verhalten des Täters allein in seiner körperlichen Anwesenheit zu sehen ist und die Zwangswirkung rein psychischer Natur ist586. Insoweit hat das BVerfG das Merkmal der körperlichen Zwangswirkung wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt587. Gewalt liegt nur dann vor, wenn auf Grund einer – wenn auch nur geringfügigen – Kraftentfaltung erstens körperlicher oder psychischer Zwang ausgeübt wird, der sich zweitens beim Opfer körperlich auswirkt.

Bsp. 1 (Parklückenfall): T stellt sich in eine Parklücke, um diese für ihren Freund F zu reservieren. O, der vor F die Lücke erreicht, wird von ihr am Einparken gehindert. – T macht sich nicht nach § 240 strafbar, da sie keine Gewalt übt588.

Bsp. 2 (Sitzblockadefall): T protestiert gegen Studiengebühren. Er setzt sich vor den Wagen des Ministerpräsidenten, der so am Ausparken gehindert wird. – Auch hier ist die Zwangswirkung rein psychischer Natur, so dass keine Gewalt i. S. d. § 240 vorliegt.

298 (2) Auch andere rein psychisch wirkende Handlungen genügen demnach nicht. Das Vorhalten einer Waffe589 oder das Abgeben von Schüssen590 mittels einer Schreckschusspistole können daher regelmäßig nicht als Gewalt angesehen werden, weil es sich hierbei zumeist ebenfalls um eine rein psychische Zwangswirkung handelt591. Zudem liegt der Schwerpunkt hier in dem Inaussichtstellen eines künftigen Übels – das Opfer ggf. zu verletzen oder zu töten –, so dass ohnehin die Drohungsvariante einschlägig ist.

299(3) Im Übrigen sind aber die Grenzen immer noch nicht abschließend geklärt, da nach überwiegender Ansicht für die Gewaltausübung bereits ein geringer körperlicher Kraftaufwand genügt592.

Bspe.: (Heimliches) Beibringen von Betäubungsmitteln – etwa von Alkohol oder Narkosemittel; Versprühen von Tränengas oder übel riechenden Stoffen; Einsperren des Opfers durch Umdrehen des Schlüssels; Betätigen des Gaspedals.

300Besonders deutlich wird dies bei Verhaltensweisen im Straßenverkehr, wo sich vor allem die Frage stellt, ob sich beim Opfer der ausgeübte Zwang auch körperlich auswirkt.

Bsp.:593 T fährt innerorts mit seinem Wagen bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h dicht auf O auf und betätigt über eine Strecke von knapp 300 Metern mehrmals Signal und Lichthupe. O fährt deshalb zur Seite und lässt T überholen.

Für die körperliche Zwangswirkung soll bereits eine „physisch merkbare Angstreaktion“ genügen, die zudem vom Vorsatz umfasst sein muss594. Nach Ansicht des BVerfG kommt es dabei auf die Umstände des Einzelfalles an595, was jedoch wenig zur Bestimmtheit des Tatbestandes beiträgt. Wenn hierfür u. a. die Dauer und Intensität des Auffahrens, die Geschwindigkeit, die allgemeine Verkehrssituation usw. entscheidend sein sollen, wird zudem schon beim Gewaltbegriff eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die sich mit derjenigen im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung überschneidet. Im Ausgangsfall wurde die Annahme von Gewalt letztlich gebilligt. Diskutabel scheint auch zu sein, auf eine Drohung mit Fortsetzen des gefährlichen Auffahrens abzustellen596. Allerdings kündigt T nicht nur eine von seinem Willen abhängige Übelszufügung an, sondern hat mit der Kraftentfaltung bereits alle erforderlichen Bedingungen für den Übelseintritt gesetzt. Auch bleibt zweifelhaft, ob damit der Bestimmtheit des Tatbestandes Rechnung getragen wird oder nicht in vielen – weniger gravierenden – Fällen sogar die Strafbarkeit in den Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten ausgedehnt würde597.

301Gewalt soll in Blockadefällen daher auch nach Ansicht des BVerfG bereits dann vorliegen, wenn sich Demonstranten mit Schlössern an Pfosten anketten, weil dadurch eine physische Barriere geschaffen werde598 und den Demonstranten die Möglichkeit genommen sei, beim Heranfahren der Fahrzeuge auszuweichen599. Entsprechendes soll gelten, wenn Demonstranten mit dem Abstellen von Fahrzeugen auf der Fahrbahn Hindernisse errichten600, ein Fahrzeugführer den Hintermann durch Bremsen ebenfalls zum Abbremsen zwingt601 oder ein Stahlkörper zur Blockade fest auf Eisenbahngleise montiert wird602. Kann der Blockade jedoch – z. B. durch Vorbeifahren am Hindernis – ohne weiteres ausgewichen werden, fehlt es an einer körperlichen Zwangswirkung. Entsprechendes gilt, wenn der Täter dem Opfer den Weg nur kurzfristig und zum Teil versperrt603.

Bsp.:604 T hindert O dadurch an der Weiterfahrt, dass er sich mit ausgebreiteten Armen vor den Wagen stellt. Nachdem T zunächst versucht, die Beifahrertür zu öffnen und O daraufhin Anstalten macht, wieder loszufahren, stellt er sich erneut vor den Pkw und legt sich dann mit seinem gesamten Körper auf die Motorhaube, um nun auf diese Weise die Weiterfahrt zu verhindern. O hält wiederum an, weil er nicht in Kauf nehmen möchte, dass T gefährdet wird. – T macht sich nicht dadurch gem. § 240 strafbar, dass er zunächst den Weg versperrt hat, weil es für eine Gewaltanwendung an einer körperlichen Zwangswirkung fehlt. Jedoch soll das weitere Verhalten des T nach Ansicht des BGH den Tatbestand begründen, weil er unter Einsatz seines Körpers und unter Entfaltung gewisser Körperkraft ein physisches Hindernis geschaffen hat, von dem auf den Autofahrer/O nicht nur psychische Zwangswirkung durch bloße Anwesenheit ausging. Dies überzeugt freilich wenig, weil auch das Setzen zur Blockade den Einsatz von Körperkraft erfordert und hinsichtlich der Zwangswirkung keine entscheidenden Unterschiede zu erkennen sind.

302Nach Ansicht des BGH und des BVerfG kommt auch bei Sitzblockaden eine Nötigung in Betracht, wenn durch das erste haltende Fahrzeug (insoweit keine Nötigung, da rein psychische Zwangswirkung) weitere Fahrzeuge zum Anhalten gezwungen werden. Denn durch das erste haltende Fahrzeug werde von den Blockierern zurechenbar ein physisches Hindernis geschaffen (sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung605). Konstruktiv ließe sich diese Ansicht mit mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2) begründen, da der Fahrer des ersten haltenden Wagens als Werkzeug zur Blockade weiterer Fahrzeuge eingesetzt wird. Dagegen spricht jedoch, dass die Straflosigkeit von Blockaden mit rein psychischer Zwangswirkung so zumindest teilsweise umgangen wird. Allenfalls eine versuchte Nötigung (bei entsprechendem Tatentschluss) kommt in Betracht, wenn zwar eine Blockade errichtet wird, die Polizei jedoch die Kraftfahrzeuge bereits einige hundert Meter davor anhält. Hier entfaltet die Blockade keine unmittelbare körperliche Zwangswirkung, vielmehr tritt die Sperrwirkung lediglich psychisch vermittelt über die eigenverantwortliche Verkehrsregelung durch die Polizei ein606.

303dd) Anders als bei §§ 249, 252, 255 ist Gewalt gegen eine Person nicht erforderlich. Aus dem Erfordernis einer restriktiven Auslegung folgt jedoch, dass Gewalt gegen Sachen nur dann genügt, wenn dadurch zugleich ein körperlich wirkender Zwang geübt wird607.

Bsp.:608 Das Aushängen der Fenster im Winter durch den Vermieter verwirklicht daher § 240, wenn der Mieter dadurch aus der Wohnung vertrieben wird, dass er die Kälte spürt. Das bloße Ausräumen von Gegenständen aus der Wohnung genügt mangels körperlicher Zwangswirkung hingegen nicht609. Ebenso stellt es keine Gewalt dar, wenn der Täter seiner Freundin persönliche Sachen wegnimmt, um diese dazu zu bewegen, ihn nicht zu verlassen.

303aee) Gewalt kann auch durch Unterlassen geübt werden, soweit der Täter eine Garantenstellung besitzt. Zu denken ist zunächst an Fälle, in denen der Obhutsgarant die Gewaltausübung eines Dritten nicht hindert – etwa der Vater nicht einschreitet, wenn sein Kind geschlagen wird. Erfasst werden können aber auch Fälle, in denen der Garant eine Zwangswirkung unvorsätzlich herbeigeführt hat und diese anschließend bewusst aufrechterhält, um das Opfer zu nötigen610.

Bsp.: T hat seinen Mitbewohner O versehentlich im Keller eingesperrt; als er dies bemerkt, beschließt er, dies auszunutzen und verlangt für die Freilassung von O, dass dieser künftig den Putzdienst übernimmt.

304b) Drohung. Die Drohung mit einem empfindlichen Übel kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Sie bezieht sich auf ein künftiges Übel, während gegenwärtige Übelszufügungen über das Merkmal der Gewalt erfasst werden. Das Vorhalten einer Waffe ist daher richtigerweise eine Drohung und keine Gewalt611.

Definition

Drohung bedeutet das Inaussichtstellen eines Übels, auf dessen Verwirklichung der Täter Einfluss zu haben vorgibt, um einen bestimmten Nötigungserfolg zu erreichen612.

305Auf die Ernstlichkeit der Drohung, d. h. ob der Täter überhaupt willens ist, seine Drohung wahr zu machen, kommt es nicht an. Ebenso ist es unerheblich, ob er tatsächlich in der Lage ist, das angekündigte Übel herbeizuführen. Entscheidend ist allein die Opfersicht.

Bsp.: Drohung mit einer Spielzeugpistole; entscheidend ist letztlich, ob das Opfer die Drohung ernst nimmt613.

306aa) Unter einem Übel ist jeder Nachteil für das Nötigungsopfer zu verstehen. Empfindlich ist das angekündigte Übel, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Opfers von solcher Erheblichkeit ist, dass nicht erwartet werden kann, dass das Opfer der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält614, wobei letztlich umstritten ist, ob dabei auf einen Durchschnittsmenschen615 oder auf die Sicht des individuell Bedrohten abzustellen ist616.

Bsp. (1): T kündigt über das Internet an, dass er seinen Hasen schlachten werde, wenn er nicht eine bestimmte Anzahl von Unterstützern für ein Projekt finde. Tierfreund O unterstützt daraufhin das Projekt. – Sieht man in der Drohung, den Hasen zu schlachten, ein Übel auch für O, so ist dieses jedenfalls nicht empfindlich, da hier eine besonnene Selbstbehauptung zu verlangen ist.

Bsp. (2): T droht dem O mit einer Strafanzeige, um diesen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. – In diesem Fall ist zwar die Drohung mit einem empfindlichen Übel zu bejahen, im Einzelfall kann jedoch die Verwerflichkeit i. S. d. Absatz 2 zu verneinen sein617.

307bb) Die Drohung ist von der straflosen Warnung abzugrenzen, bei der lediglich auf eine außerhalb des Einflusses des Warnenden liegende Folge hingewiesen wird618. Entscheidend für die Abgrenzung ist der Inhalt, nicht der Wortlaut, da sich die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns ansonsten leicht durch bloße Umformulierungen umgehen ließe. Eine Warnung ist lediglich unter den Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 strafbar619.

Bsp.: Eine Drohung liegt vor, wenn der Täter ankündigt, er werde die Polizei verständigen, wenn das Opfer nicht verschwinde; eine bloße tatbestandslose Warnung ist hingegen gegeben, wenn der Täter darauf hinweist, dass es besser sei, zu verschwinden, weil die Polizei jederzeit auftauchen könne.

308cc) Unter welchen Voraussetzungen die Ankündigung eines Unterlassens (durch positives Tun!) als Drohung i. S. d. § 240 angesehen werden kann, ist umstritten. Vor allem ist problematisch, ob die Drohung mit einem Unterlassen nur dann den Tatbestand verwirklicht, wenn eine entsprechende Pflicht zum Handeln besteht.

Beachte: Die Drohung mit einem Unterlassen darf nicht mit der Drohung durch Unterlassen i. S. d. § 13 verwechselt werden. Bei der aktiven Drohung mit einem Unterlassen besteht lediglich der Inhalt der Drohung in der Ankündigung, nicht zu handeln.

309 (1) Dabei geht es primär um Fälle, in denen der Täter ankündigt, rechtmäßige Handlungen nicht vorzunehmen, so dass das Übel – abhängig von seinem Willen – nicht eintritt. Der BGH bejaht in solchen Fällen eine Drohung mit dem Argument, es komme für den Motivationsdruck beim Opfer nicht darauf an, was der Täter tun oder unterlassen dürfe, sondern welches Übel als Folge seines Verhaltens eintreten werde620. Entscheidend sei letztlich, ob der Einsatz dieses Mittels zur Erreichung des erstrebten Zwecks verwerflich sei. Der Schwerpunkt der Prüfung wird damit freilich in die unbestimmte Verwerflichkeitsklausel nach Abs. 2 verschoben. Dabei ist dann die Frage zu beantworten, ob der Täter durch die Ankündigung des Unterlassens möglicherweise sogar den Handlungsspielraum des Bedrohten erweitert und damit eine Beeinträchtigung der Entschlussfreiheit i. S. d. § 240 gar nicht vorliegt. Entgeht dem Opfer im Falle der Weigerung nur ein Vorteil, ist damit aber keine Verschlechterung seiner Situation verbunden, so ist die Tat nicht als verwerflich zu qualifizieren621.

Bsp. (1): T kündigt gegenüber Schauspielerin O an (aktive Drohung), dass sie die begehrte Rolle nicht bekomme (Ankündigung eines Unterlassens), wenn sie nicht mit ihm die Nacht verbringe (erstrebter Nötigungserfolg). – Es liegt nach Auffassung der Rechtsprechung zwar eine Drohung vor; die Tat ist jedoch nicht verwerflich i. S. d. Abs. 2, da mit der Ankündigung nur eine Verbesserung der Situation verbunden ist. Anders läge der Fall aber, wenn O bereits eine Zusage über die Rolle erhalten hätte und T damit droht, die Besetzung nun doch nicht vorzunehmen (Verschlechterung der Situation)622.

Bsp. (2):623 Unternehmer U teilt dem Lieferanten O mit, dass er nur dann einen Vertrag mit ihm schließe, wenn dieser ihm auch Auskünfte über einen Konkurrenten mitteile; O gibt daraufhin nach. – Der Fall liegt nicht anders als in Bsp. 1.

310Die Verwerflichkeit ist hingegen zu bejahen, wenn der Freiheitsbereich des Opfers durch den Eintritt eines Nachteils eingeschränkt wird624.

Bsp.: Kaufhausdetektiv T sagt der Ladendiebin O, dass er von einer Strafanzeige absehe (Unterlassen einer rechtmäßigen Handlung), wenn sie mit ihm schlafe (erstrebter Nötigungserfolg). – Beugt sich O dem T nicht, erleidet sie einen Nachteil; die Tat ist daher als verwerflich zu qualifizieren.

311Nach der Gegenauffassung ist der Tatbestand des § 240 hingegen überhaupt nur verwirklicht, wenn den Täter eine Pflicht zum Handeln trifft und er daher im Falle des Unterlassens gegen diese Pflicht verstoßen würde625. Anderenfalls biete der Täter lediglich einen Vorteil an, über dessen Annahme das Opfer freiverantwortlich entscheiden könne626. Die Pflicht zum Handeln muss dabei allerdings nicht zwingend die Qualität einer Garantenpflicht im Sinne eines unechten Unterlassungsdelikts haben.

Bsp.: Rettungssanitäter T kündigt dem verletzten O an, nur zu helfen, falls er verspreche, ihm eine Karte für die Fußball-WM zu beschaffen. – Da T zur Hilfeleistung verpflichtet ist, läge auch nach dieser Ansicht eine Drohung mit einem empfindlichen Übel und damit eine Nötigung vor. Die Rechtsprechung würde diesen Aspekt erst bei der Verwerflichkeitsprüfung berücksichtigen. Weil O ein Recht auf Hilfeleistung besitzt, würde die Übelszufügung seinen Freiheitsbereich einschränken, so dass die Tat als verwerflich zu qualifizieren wäre. Ginge es dem T zudem darum, die Karte auf Kosten des O zu erlangen, käme eine Erpressung nach § 253 in Betracht.

Gegen diese Ansicht, die auf eine Pflicht zum Handeln abstellt, spricht jedoch, dass sie den Tatbestand zu sehr einschränkt und zudem beim Begehungsdelikt auf Kriterien des Unterlassungsdelikts abstellt. Auch hängt nach dieser Auffassung die Strafbarkeit oft nur von der (zufälligen) Formulierung des Täters ab. Die Ankündigung, künftig keinen Unterhalt mehr zu zahlen, wäre die Drohung mit einem Unterlassen, die Ankündigung, den Dauerauftrag für den Unterhalt zu widerrufen, hingegen die Drohung mit einem positiven Tun. Von solchen Zufälligkeiten die Voraussetzungen einer Strafbarkeit abhängig zu machen, wäre jedoch wenig überzeugend, da für das Opfer der Motivationsdruck jeweils derselbe ist.

312(2) Kündigt der Täter an, eine rechtswidrige Handlung nicht vorzunehmen, so liegt keine Drohung vor. Das Opfer muss von Rechts wegen in besonnener Selbstbehauptung dem Druckmittel standhalten, da es nicht die Vornahme einer rechtswidrigen Handlung verlangen kann627.

Bsp. (1): T droht der O damit, die versprochenen Betäubungsmittel nicht zu liefern, wenn sie nicht mit ihm schlafe. – Eine Strafbarkeit des T gem. § 240 scheidet aus, weil er sich gerade rechtmäßig verhalten würde, wenn er seine Drohung realisiert.

Bsp. (2): Staatsanwalt T kündigt gegenüber seinem Parteifreund O an, diesen nicht über ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren zu unterrichten, wenn O ihm nicht einen Posten in der Partei verschafft. – Auch hier scheidet eine Strafbarkeit aus.

313c) Nötigungserfolg. Der Nötigungserfolg – in Form einer Handlung, Duldung oder Unterlassung – muss tatsächlich eintreten und kausal sowie objektiv zurechenbar mit der Nötigungshandlung verknüpft sein. Das Delikt ist vollendet, sobald das Opfer mit dem angestrebten Tun, Dulden oder Unterlassen beginnt. Lediglich vorbereitende Tätigkeiten genügen nicht; hier kommt nur ein Versuch in Betracht. Ferner ist zu beachten, dass die Nötigungshandlung vom Nötigungserfolg zu trennen ist und die angestrebte Handlung seitens des Opfers vorgenommen sein oder zumindest ihre Ausführung begonnen haben muss628.

Bsp.: T schlägt den O mit der Faust. – T verwirklicht nur § 223 Abs. 1 Var. 1, nicht aber § 240. Der Faustschlag ist zwar als Gewalt einzustufen, jedoch führt dieser nicht zu einem davon zu trennenden Nötigungserfolg; die bloße Duldung des Faustschlags genügt gerade nicht.

Klausurhinweis: Das Erfordernis des Eintritts des Nötigungserfolgs wird in Prüfungsarbeiten häufig übersehen oder vorschnell bejaht.

314Unter Handlung ist jedes positive Tun zu verstehen, während Unterlassen die Nichtvornahme einer (möglichen) Handlung meint. Beide Varianten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein willensgetragenes Verhalten des Opfers voraussetzen, so dass bei Gewaltanwendung als Nötigungsmittel nur vis compulsiva in Betracht kommt629. Das Merkmal Dulden erfasst hingegen Fälle der vis absoluta, bei der die Willensentschließung vollständig aufgehoben ist und das Opfer ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit das Verhalten des Täters hinnimmt.

Bspe.: T schlägt den O, um ein Geschäftsgeheimnis zu erlangen. – Verrät O dieses, so besteht der Nötigungserfolg in einer willensgetragenen Handlung. Verzichtet O auf Gegenwehr und nimmt hin, dass T das Geheimnis aufzeichnet, so liegt ein willensgetragenes Unterlassen vor. Wird O von T bewusstlos geschlagen, damit dieser das niedergeschriebene Geheimnis wegnehmen kann, so ist ein Dulden anzunehmen.

315Der Nötigungserfolg kann auch bei einer anderen Person als derjenigen eintreten, gegen die sich die Gewalt oder Drohung richtet, sog. Dreiecksnötigung. Das gegen den Dritten eingesetzte Nötigungsmittel muss in solchen Fällen aber geeignet sein, den Willen des Nötigungsadressaten zu beugen, weil dieser die Gewalt oder Drohung gegenüber dem Dritten auch für sich selbst als Übel empfindet. Daher kann auch die Androhung einer Selbsttötung durch den Täter tatbestandsmäßig sein630. Auf ein besonderes Näheverhältnis kommt es – argumentum e contrario § 241 Abs. 2 („nahe stehende Person“) – nicht an.

Bsp.: Gewalt gegen Kinder, um bei den Eltern einen Nötigungserfolg zu erzielen.

Strafrecht Besonderer Teil

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