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II.Der Verhandlungsgrundsatz 1.Grund und Inhalt des Verhandlungsgrundsatzes
Оглавление45Eine Verfahrensordnung, in der der Verhandlungsgrundsatz gilt, verlässt sich hinsichtlich des entscheidungserheblichen Tatsachenstoffes auf die Initiative der Parteien. Die Parteien bestimmen durch ihren Vortrag, welche Tatsachen der Richter seinem Urteil zugrunde legen wird. Der Verhandlungsgrundsatz wird auch Beibringungsmaxime genannt, weil nur die von den Parteien beigebrachten (=behaupteten/vorgetragenen) Tatsachen im Prozess eine Rolle spielen. Das Gericht wird nicht von sich aus Tatsachen in den Prozess einführen. Amtsermittlung findet nicht statt. Der Amtsermittlungsgrundsatz, auch Inquisitionsmaxime genannt, ist insofern das Gegenteil des Verhandlungsgrundsatzes.
46Auch der Verhandlungsgrundsatz kennzeichnet den Zivilprozess als solchen und ist Fortsetzung der Privatautonomie in den Zivilprozess hinein. Da Privatrechtssubjekte außerhalb des Prozesses über das materielle Recht verfügen dürfen und auch die Folgen ungünstiger oder unterlassener Verfügungen zu tragen haben, sollen sie auch im Prozess eigenständig den Tatsachenstoff bestimmen und die Folgen mangelhafter Aufklärung tragen. Das hat auch praktische Vorteile: Die Parteien stehen dem sachlichen Streitstoff näher als das Gericht, weil er sich aus ihren privaten Angelegenheiten ergibt.5 Und weil sie in ihren privaten Rechten betroffen sind, haben sie auch den entsprechenden Anreiz zum Tätigwerden. Wegen des in dieser Hinsicht gesunden Egoismus der Parteien und der Gegensätzlichkeit ihrer Interessen kann dem Gericht durch die Parteien insgesamt ein zutreffenderes Bild der Wahrheit vermittelt werden, als es das Gericht selbst zu ermitteln imstande wäre. Da es im Zivilprozess um die Verwirklichung privater Rechte geht, ist es auch Angelegenheit der Parteien, wenn sie den für sie günstigen Tatsachenstoff nicht beibringen. Die Partei, der es nicht gelingt, die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, verliert folglich den Prozess. Die Verhandlungsmaxime bietet insofern in Kombination mit der Beweislast (Rn. 49) eine Möglichkeit, ein Prozessergebnis auch dann zu erreichen, wenn Tatsachen ungeklärt geblieben sind (Situation des „non liquet“). Im Übrigen wird auch unter Geltung der Inquisitionsmaxime (Rn. 45) die („materielle“/„absolute“) Wahrheit nicht um jeden Preis ermittelt,6 betrachtet man nur die umfangreichen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess.