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VII.Die freie richterliche Beweiswürdigung
Оглавление76Eine Beweisaufnahme lässt erst dann endgültige Schlüsse auf die dem Urteil zugrunde zu legenden Tatsachen zu, wenn ihre Ergebnisse inhaltlich gewürdigt wurden. Vielfach widersprechen sich nämlich die Aussagen verschiedener Zeugen oder auch Sachverständiger, ein Augenscheinsobjekt lässt unterschiedliche Deutungen zu, oder der Inhalt einer Urkunde ist nicht eindeutig. Der Richter muss die Beweise also würdigen und bewerten. Dabei unterliegt er keinen Beweisregeln, etwa des Inhalts, dass die Aussagen zweier Zeugen glaubhafter sind als die eines einzelnen Zeugen oder dass die Glaubwürdigkeit eines mit einer Partei verwandten Zeugen grundsätzlich zweifelhaft ist. Er hat vielmehr nach seiner freien richterlichen Überzeugung zu entscheiden, welche Behauptungen er für wahr oder nicht wahr hält (§ 286 Abs. 1). Das ist eine wichtige und schwierige Aufgabe für den Richter, der die Gesichtspunkte, die ihn zu einer bestimmten Überzeugung geführt haben (Detailreichtum der Aussage, persönlicher Eindruck von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen u. a.), mit in das Urteil aufnimmt. Die Praxis hat zwar durchaus handhabbare Kriterien für die Interpretation etwa einer Zeugenaussage oder eines Sachverständigengutachtens entwickelt.37 Bindende Regelungen, wie ein Beweismittel zu würdigen ist, existieren allerdings nur in Ausnahmefällen (§ 286 Abs. 2), etwa für die Beweiskraft eines Protokolls (§ 165), des Tatbestands eines Urteils (§ 314) und im Rahmen des Urkundenbeweises (§§ 415–419).38 Vereinbarungen der Parteien über die Beweiswürdigung entfalten keine Wirkung.
77Ausprägung des Grundsatzes freier richterlicher Beweiswürdigung ist auch die Möglichkeit, einen Schaden sogar ohne Beweisaufnahme gerichtlich zu schätzen (§ 287). Hier spielen sog. Schadenstabellen eine entscheidende Rolle, denen ein Richter etwa entnehmen kann, wie hoch der Wert eines bestimmten Pkw nach Typ, Laufleistung, Baujahr etc. ist. Die Schätzung verringert das bei einer Beweisaufnahme notwendige Beweismaß (Rn. 351) und führt ggf. dazu, dass einem Beweisangebot nicht nachgegangen werden muss.39