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5.Schritte der Tatsachenermittlung im Zivilprozess auf der Grundlage des Beibringungsgrundsatzes

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51a) Schlüssigkeit. Der Richter überprüft eine Klage zunächst auf ihre Schlüssigkeit. Eine Klage ist schlüssig, wenn das Klägervorbringen, seine Richtigkeit unterstellt, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch voll begründet. Dafür sichtet der Richter die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen und subsumiert sie unter den Tatbestand einer materiell-rechtlichen Norm. Insofern ist es wichtig, dass der Kläger die dafür maßgeblichen Umstände vorträgt, also hinreichend substantiiert.13 Bei der Schlüssigkeitsprüfung wird hingegen nicht darauf geachtet, ob die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen vom Beklagten bestritten und vom Kläger bewiesen sind, sondern ihre Richtigkeit wird unterstellt. Da jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vortragen muss (Rn. 49), trägt der Kläger die Darlegungslast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Fehlt es hierzu an Vortrag, ist die Klage nicht schlüssig. Da die Schlüssigkeitsprüfung sich an der materiellen Berechtigung des klägerischen Begehrens orientiert, ist eine Klage, der die Schlüssigkeit fehlt, unbegründet.

Bsp.: Der Kläger verlangt gerichtlich Schadensersatz für eine Pflichtverletzung vom Beklagten. Dann muss er Tatsachen zum Zustandekommen eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien, zur Art und Weise der Pflichtverletzung durch den Beklagten und zu seinem eigenen Schaden vortragen (§ 280 Abs. 1 BGB, evtl. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB); zusätzlich beim Schadensersatz statt der Leistung Tatsachen zur erfolglosen oder entbehrlichen Fristsetzung (§ 281 Abs. 1 BGB), zur Unmöglichkeit (§ 283 BGB) oder zur Unzumutbarkeit (§ 282 BGB). Er muss zum Verschulden des Beklagten allerdings nicht vortragen, da § 280 Abs. 1 S. 2 BGB durch seine Formulierung dem Beklagten die Darlegungslast auferlegt.

52Zu bedenken ist allerdings, dass der Kläger möglicherweise für sich selbst ungünstige Tatsachen vorträgt; auch diese hat der Richter in die Schlüssigkeitsprüfung einzubeziehen.

Bsp.: Der Kläger trägt vor, er sei beim Abschluss des Vertrages, aus dem sein Anspruch wegen Pflichtverletzung begründet sein soll, volltrunken gewesen (§ 105 Abs. 2 BGB). Das lässt die Schlüssigkeit des Klägervortrags im Hinblick auf vertragliche Ansprüche entfallen.

53Auch ein Beklagtenvorbringen, das für den Kläger günstig ist und das sich dieser zu eigen macht, findet Eingang in die Schlüssigkeitsprüfung.

Bsp.: Der Beklagte behauptet, er sei selbst nicht beim Vertragsschluss anwesend gewesen, habe aber den X bevollmächtigt. Das kann die Schlüssigkeit der Klage im Hinblick auf die Vertretungsmacht (§§ 164, 167 BGB statt § 179 BGB) beim Vertragsschluss herbeiführen.

54b) Erheblichkeit. Ergibt die beschriebene Prüfung eine Schlüssigkeit der Klage, überprüft der Richter, ob sich aus dem Tatsachenvortrag des Beklagten erhebliche Einwände ergeben. Damit sind hier nicht die Einwendungen oder Einreden des Beklagten gemeint, die letztlich einen eigenen Tatbestand bilden und eigenständig auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen sind (Rn. 319 f.). Gemeint ist vielmehr das Bestreiten der klagebegründenden Tatsachen, die bei der Schlüssigkeitsprüfung des Klägervorbringens zugrunde gelegt wurden (sog. Klageleugnen).

55Bestreiten ist die Abweichung des Beklagten- vom Klägervortrag. Das Maß, das an ein Bestreiten durch den Beklagten zu richten ist, richtet sich nach dem Umfang des klägerischen Vortrags (§ 138 Abs. 2). Reagiert der Beklagte auf einen substantiierten Vortrag des Klägers mit einfachem „Nein“ (= einfaches Bestreiten), wird die entsprechende Tatsache als unstreitig angesehen und es bleibt beim klägerischen Vortrag. Hier wäre substantiiertes Bestreiten durch den Beklagten notwendig. Je mehr der Kläger vorträgt und substantiiert, desto mehr muss der Beklagte vortragen, um den klägerischen Vortrag zu widerlegen. Die Anforderungen an das substantiierte Bestreiten dürfen allerdings nicht überspannt werden, dem setzt das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Grenze.14 Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4) ist nur zulässig, wenn sich das Behauptete außerhalb der eigenen Wahrnehmungsmöglichkeit ereignet hat.15

Bsp.: Der Kläger trägt ausführlich vor, wann, unter welchen Umständen und mit welchen Erklärungen es zum Vertragsschluss gekommen sei. Der Beklagte muss dann die substantiierten Angaben des Klägers widerlegen, indem er etwa behauptet, an diesem Tag gar nicht am entsprechenden Ort gewesen zu sein, etwas anderes erklärt zu haben u. ä. Behauptet er einfach, ein Vertrag sei nicht geschlossen worden („einfaches Bestreiten“), reicht das nicht aus. Erklärt er, anwesend gewesen zu sein, bestreitet aber den Vertragsschluss mit Nichtwissen, genügt dies ebenfalls nicht. Die Tatsache des Vertragsschlusses wird vom Gericht dann nicht als streitig angesehen.

56Erheblich ist eine Abweichung des Beklagten- vom Klägervortrag nur dann, wenn es in der Lage ist, den schlüssig begründeten Anspruch des Klägers zu Fall zu bringen.

Bsp.: Bestreitet der Beklagte, am Tag des Vertragsschlusses sei schönes Wetter gewesen, wie es der Kläger behauptet, so ist dies im Hinblick auf die schlüssige Klage aus dem Vertrag unerheblich.

Bsp.: Der Anspruch des Klägers erfordert einen wirksamen Vertragsschluss für seine Schlüssigkeit und der Beklagte trägt vor, er sei beim angeblichen Abschluss des Vertrages nicht anwesend gewesen und habe auch niemanden bevollmächtigt. Dies ist ein erhebliches Vorbringen gegen den Klägervortrag, da es die Schlüssigkeit eines vertraglichen Anspruchs des Klägers erschüttert.

57Auch hier (wie bei der Schlüssigkeit Rn. 51) gilt insofern der enge Bezug zu den Normen des materiellen Rechts, um die Erheblichkeit des Klägervortrags festzustellen. Nur wenn der Beklagte etwas vorträgt, was tatsächlich den durch den Klägervortrag ausgefüllten materiell-rechtlichen Tatbestand entfallen lässt, liegt erheblicher Beklagtenvortrag vor.

58Nicht erheblich ist im Übrigen, wenn der Beklagte zwar andere als die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen behauptet, sich aber auch nach dieser Behauptung der klägerische Anspruch ergibt (sog. gleichwertiges = äquipollentes Parteivorbringen).

Bsp.: Der Kläger behauptet, zwischen ihm und dem Beklagten sei ein Vertrag geschlossen worden und der Gehilfe des Beklagten habe Nebenpflichten aus diesem Vertrag verletzt, indem er das Eigentum des Klägers beschädigt habe (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278 BGB). Der Beklagte bestreitet (lediglich) den Vertragsschluss mit der Begründung, man sei über das Verhandlungsstadium nicht hinausgekommen. Dieses Vorbringen ist gleichwertig (äquipollent) zu dem des Klägers im Hinblick auf den vom Kläger begehrten Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 278 BGB) und deshalb nicht erheblich. Die Rechtsprechung setzt für die Verwertung des gleichwertigen Parteivorbringens freilich voraus, dass der Kläger sich das gegnerische Vorbringen zumindest hilfsweise zu eigen macht und nicht bestreitet.16

59c) Beweiserhebung. Grundsätzlich muss über die erheblich bestrittenen Tatsachen durch ein angebotenes Beweismittel Beweis erhoben werden (Rn. 343 ff.). Da jede Partei die Beweislast für Tatsachen, die für sie günstig sind, trägt (Rn. 46), muss sie Beweis anbieten und verliert den Prozess, wenn ihr der Beweis nicht gelingt.

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