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KANN MAN SCHLAF NACHHOLEN?
ОглавлениеApropos Schlafdefizit ausgleichen – dieses Thema wurde im Frühjahr 2018 nach der Veröffentlichung einer schwedischen Studie im Journal of Sleep Research heiß diskutiert. Diese Studie ergab, dass Menschen, die unter der Woche weniger als die empfohlenen sieben bis neun Stunden schliefen, dies jedoch am Wochenende nachholten, verglichen mit denen, die das empfohlene Schlafpensum absolvierten, kein erhöhtes Sterberisiko aufwiesen. Wenn der Körper im Laufe der Woche zu wenig Schlaf bekommt, kann er dies an Tagen, an denen man ausschlafen kann, kompensieren. Wer also in einer stressigen Woche viel zu wenig schläft, kann den schwedischen Forschern zufolge den Schlaf einfach am Wochenende nachholen und das Schlafdefizit somit ausgleichen.
Heißt das nun im Umkehrschluss, dass es vollkommen ungefährlich ist, einige Tage zu wenig zu schlafen, wenn man im Anschluss daran richtig ausschlafen kann? Schadet es dem Gehirn, dem Körper und dem Immunsystem also doch nicht? So einfach ist es leider nicht. Zwar kann man Schlaf kurzfristig nachholen und gewisse durch Schlafmangel entstandene negative Prozesse rückgängig machen, wie zum Beispiel einen verschlechterten Glukosestoffwechsel. Aber wenn die neue Arbeitswoche beginnt und wir erneut zu wenig schlafen, zeigen Studien, dass die unerwünschten Effekte des Schlafverlusts auf den Glukosestoffwechsel rasch wiederkehren. Ebenso verhält es sich mit wichtigen kognitiven Funktionen wie beispielsweise der Reaktionsfähigkeit. Hat man ein Schlafdefizit aufgebaut, benötigt man mehrere Nächte mit gutem Schlaf, um den reibungslosen Ablauf dieser Funktionen wiederherzustellen. Es können sogar nach kurzen Perioden des Schlafentzugs epigenetische Veränderungen in unserem Erbgut auftreten (also wichtige Abläufe in unseren Körperzellen direkt verändert werden). Solche Veränderungen betreffen auch den Stoffwechsel. Christian Benedict und seine Kollegen konnten im Schlaflabor erstmals einen solchen Zusammenhang nachweisen. Nach Entnahme von Muskel- und Fettgewebsproben konnten die Forscher nach nur einer Nacht mit Schlafentzug epigenetische Veränderungen in Genen beobachten, die für die Neubildung von sogenannten Uhren-Proteinen verantwortlich sind. Diese Uhren-Proteine steuern im Einklang mit dem Schlaf-wach-Rythmus den Stoffwechsel und viele andere Funktionen unserer Körperzellen. Wenn wir unzureichend schlafen, scheint die Produktion der Uhren-Proteine nicht mehr perfekt an unseren 24-Stunden-Rhythmus angepasst zu sein. Dies kann zu Störungen im Stoffwechsel führen und Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Altersdiabetes begünstigen.
Darüber hinaus muss man jedoch bedenken, dass die schwedische Studie, die im Journal of Sleep Research veröffentlicht wurde, lediglich untersucht hat, ob Wochenendschlaf die Mortalität (also die Sterblichkeit) herabsetzt. Der Effekt des Wochenendschlafes auf die Morbidität (die Krankheitshäufigkeit in Bezug auf bestimmte Bevölkerungsgruppen) wurde darin nicht analysiert. Aufgrund der fortschrittlichen medizinischen Versorgung kann man heutzutage aber mit vielen Krankheiten sehr lange leben. Also: Auch wenn man nicht Gefahr läuft, früher zu sterben, wenn man unter der Woche wenig, am Wochenende aber viel schläft, nimmt das Risiko, zu erkranken, wie durch zahlreiche andere Studien gezeigt werden konnte, zu, und die Lebensqualität verschlechtert sich.