Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 10

Szene 5:

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Zu Hause angekommen fühlte sie keine Müdigkeit. Es war ein Leichtes gewesen, die beiden Kartellmitglieder umzubringen, doch die Genugtuung hielt nicht lange an. Als ihre Tat gedanklich in den Hintergrund rückte, zeigte sich Zayns Gesicht vor ihrem inneren Auge und sie musste ungewollt lächeln. Er besaß Mumm.

Trotzdem war sie nach London gekommen wegen wichtigerer Dinge.

Dinge, die sie nicht vermasseln durfte.

Als sie endlich im Bett lag, an die weiße Decke starrte und an die Leichen zurückdachte, erfüllte sie Freude. Beinahe physisch konnte sie spüren, dass ein kleiner, zerbrochener Teil ihrer Seele geheilt worden war, dass sich manche Scherben, wenn auch wenige, in ihr langsam wieder zusammenfügten und der glühende Schmerz, der einst von ihnen ausging, nachließ.

Die Erinnerungen kamen noch einmal hoch, erzählten ihr noch einmal ihre Geschichte und zeigten ihr noch ein letztes Mal seine Taten:

Olivia erblickte den dunklen Raum ohne Fenster, Licht und Hoffnung und stierte in sein Gesicht. Kräftige Hände drückten sie falsch herum auf einen Stuhl, denn hätten sie es nicht getan, hätte sie nichts gehalten, aufzustehen und ihm zu zeigen, wie rasend sie vor Wut war. Mit geballter Kraft versuchte sie, sich loszureißen, doch egal wie sehr sie sich wehrte, wie sehr sie schrie und tobte, sie war zu schwach.

Beinahe konnte sie das verbrannte Fleisch schon riechen, ehe es vom Feuer zerstört worden war. Der Geruch von Rauch wurde von dem fast flüsternden Knistern der Flammen begleitet.

Ricardo trat mit hinter dem Rücken versteckten Händen in ihr Sichtfeld, heimtückisch, weil er bereits gewusst hatte, was sie erwartete. Damals hatte sie gefragt, was er diesmal vorhatte, wie er ihren Willen diesmal brechen wollte. Sie hatte ihm wütend und wie das bockige Kind, das sie zu dieser Zeit auch war, in die Augen geschaut und ihm versprochen, dass er es niemals schaffen würde. Daraufhin hatte er einen Gegenstand hinter seinem Rücken hervorgeholt und innerhalb von Sekunden hatte sich etwas in ihrem Blick verändert. Denn sie wusste, wozu der Stab, an dessen Ende das erhitzte Logo des Kartells befestigt war, benutzt wurde.

Viele vor ihr waren schon durch dieses glühende Eisen als Besitztümer des Kartells gekennzeichnet worden. Auf keinen Fall wollte sie sich einreihen in die Linie der Unterworfenen. Panik stieg in ihr auf, während ihr die Luft knapp wurde. Ricardo hatte damals lediglich kommentiert, dass sie dadurch nun offiziell zu ihnen gehören würde. Danach hatte er keine Zeit verschwendet und einen der prägendsten Momente ihrer Kindheit geschaffen.

Als das heiße Metall ihre Haut berührte, war er da: Schmerz. Brennender, alles verzehrender Schmerz, der sich durch ihre Adern fraß und sie jeden Muskel, jede Faser ihres Körpers anspannen ließ. So groß und qualvoll hatte sie ihn noch nie erlebt. Sie sog Luft ein, doch fühlte sich trotzdem noch wie kurz vorm Ersticken. Als er das Eisen dann mit voller Kraft noch tiefer in die weiche Haut ihrer linken Schulter drückte, sprengte der Schmerz nicht nur jede Grenze, sondern auch den letzten Rest mentaler Stärke aus ihr heraus. Er jagte die Angst in ihr wie verrückt schlagendes Herz und sie glaubte, es würde zerbersten – in eine Million winzige Stücke. Schreie kämpften sich den Weg aus ihrer Kehle, weil sie die Willenskraft nicht aufbringen konnte, die nötig war, um sie zurückzuhalten.

Und so schrie sie.

Sie schrie vor Schmerz, bis ihre Kehle rau war und ihr die Luft zum Schreien ausging. Ihr Innerstes bäumte sich gegen den Schmerz auf, kreischte und hämmerte in ihren Ohren. Wollte, dass es aufhörte. Sie schloss die Augen, weil es mittlerweile unglaublich anstrengend war, sie noch offen zu halten und ihr Tränenvorrat bereits aufgebraucht war.

Der Schmerz, die Qual, die mit ihm einherging, das Leid, welches sie empfunden hatte, hatten etwas in ihr entfacht – ein Feuer, dessen Funken schon lange vorhanden waren und nur auf den richtigen Moment gewartet hatten, Flammen zu erzeugen.

Der Schmerz schuf die Wut. Und die schuf den Willen.

Das Einzige, was sie in diesem Augenblick gedacht hatte, schoss ihr jetzt erneut durch den Kopf: Ich werde sie umbringen. Alle.

Immer und immer wieder hatte sie diese Worte in ihre junge Seele gebrannt, während die Zellen, das Gewebe an ihrer Schulter von der Hitze aufgefressen wurden. Und dann schrie sie sie heraus.

Er sollte sie hören.

Alle sollten es.

Sie sollten wissen, dass sie dafür bezahlen würden.

Als Ricardo nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr abließ, war sie emotional und körperlich am Ende. Sie keuchte und mit jedem Atemzug kämpfte sie gegen die restlichen Schmerzen an, die die Verbrennungen hervorbrachten. Die Hände wurden weggenommen und sie wurde angewiesen, aufzustehen. Langsam und wackelig stand sie letztendlich. Ihr wurde ein großer Spiegel gebracht und als sie sich zwang, ihre Schulter zu betrachten, wurde sie fassungslos. Wie ein Tier war sie gebrandmarkt worden. Das Zeichen des Kartells war unauslöschlich in ihre Haut gebrannt worden. Schwarz und tot war sie an dieser Stelle.

Immer wieder würde sie daran erinnert werden, an diesen einen, schrecklichen Moment in ihrer Vergangenheit. Ihr wurde bewusst, dass sie ihr vielleicht nie ganz entkommen könnte. Trauer drohte, sie zu übermannen, sich ihrer zu bemächtigen, doch die aufkommende Wut in ihr drängte sie zurück und riss an ihrem Willen. Entschlossen hob sie ihren Kopf. Ihre Brust fing an, sich heftig auf und ab zu bewegen. In ihr kochte es. Sie blickte ihm in die ausdruckslosen Augen, die nun amüsiert aufblitzten und ihren Zorn ins Unermessliche anwachsen ließen. Olivia sammelte ihre restliche Kraft und schloss die Augen.

Alles war still.

Dann öffnete sie sie wieder und schrie. Schrie ihren Schmerz und ihre Wut in einem einzigen, langen Schrei heraus. Sie erzitterte und brach zusammen. Alles wurde schwarz. Danach hörte die Erinnerung auf.

Dieser eine Moment hatte sie von einem wütenden Kind in eine nach Rache trachtende, junge Frau verwandelt. Manche brauchten Jahre, um erwachsen zu werden. Bei ihr reichte ein Moment voller Leid, um sich bewusst zu werden, dass sie zwar noch ein Kind war, aber niemand sie je so behandeln würde, wie man ein Kind behandeln sollte. Liebe, Nettigkeit und Fürsorge gab es hier nicht. Dieser Ort wurde auf Kälte, Gewalt und Hass aufgebaut. Um zu überleben, musste sie sich von der Hoffnung, dass die Menschen im Kartell einen guten Kern besaßen, nun gänzlich verabschieden und sie als das anerkennen, das sie waren: grausame Monster.

Monster, die sie nicht als Kind, sondern nur als Kämpferin bezwingen würde.

Die Schwärze ergoss sich über sie und verschluckte diese längst vergangenen Momente und den damit verbundenen Schmerz. Endlich konnte sie mit diesem Kapitel ihrer Vergangenheit abschließen. Die Erinnerung in eine Schublade in ihrem Gehirn schließen, die sich so schnell nicht mehr öffnen würde.

Zum ersten Mal seit langer Zeit schlief sie selig ein.

Glock 17

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