Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 8
Szene 3:
ОглавлениеMit einem lauten Knall landete ihre Tasche auf dem Parkettboden, keine zwei Sekunden nachdem ihr die Tür geöffnet wurde.
„Diese Schüler bringen mich noch um“, rief sie ohne Begrüßung. „Du hättest sie sehen sollen, wie sie glauben, ihr größtes Problem seien ihre Noten, ihre Beziehungen oder ihr Make-up! Eingebildete Menschen, deren Leben nur aus dieser obszönen Einrichtung besteht!“
Zwar war Olivia aufgebracht über die Schwächlichkeit und Oberflächlichkeit dieser Menschen, aber was man ihren Worten nicht entnehmen konnte, war, dass sie sie heimlich auch beneidete. Diese Menschen durften schwach sein. Sie mussten nicht jede Sekunde stark sein, um zu überleben. Sie mussten nicht furchtlos und unzerbrechlich erscheinen, damit man sie am Leben ließ.
„Teilweise sogar ganz amüsant, aber doch sehr nervig. Ich bin froh, wenn diese erbärmlichen Gestalten wieder aus meinem Leben verschwinden.“ Verachtung prägte ihr Mienenspiel, bevor sie sich abwandte.
Auf direktem Weg begab sie sich in die Küche, um sich ein Glas Wasser einzuschenken. Mit dem Getränk in der Hand kam sie zurück ins Wohnzimmer, welches vom rötlichen Licht der Spätnachmittagssonne durchflutet wurde. Wachsam beobachtete sie nun das Treiben auf der Straße vor ihrem Appartement.
Ihre Gedanken waren bereits zu einem anderen Thema weitergewandert, als ihre Worte die Stille durchbrachen. „Sie werden nicht erfahren, wo ich bin. Zumindest jetzt noch nicht.“
Während sie sich zu ihrem besten Freund umkehrte, präzisierte sie: „Aber irgendwann werde ich die Männer des Kartells hierherlocken, in diese schöne Stadt, und dann werden sie bitter bereuen, was sie getan haben. Dann werden sie sehen, dass jede Grenze, die sie überschritten haben, eine zu viel war.“
Mit fester Entschlossenheit traf ihr Blick den seinen. „Sollte mich diese nutzlose Schule weiter so nerven, wird das Ganze eher früher geschehen.“
Ryan war zwar fast doppelt so alt wie Olivia, aber trotzdem war er ein enger Freund. Er entgegnete ihr daraufhin: „Schule ist für die Menschen hier wichtig. Sie ebnet ihnen den Weg in eine bessere Zukunft und kann Freundschaften oder auch Beziehungen hervorbringen. Es könnte also durchaus möglich sein, dass es dir dort nach einer Weile gefallen wird. Lass dich einfach mal darauf ein.“
In aller Ruhe stellte sie das Wasserglas auf der hellbraunen Eichenholzkommode ab. Als sie sprach, schritt sie langsam auf ihn zu. „Interessanter Gedanke, dass ich mich verlieben könnte … Nur weißt du auch allzu gut, dass Liebe noch nie Teil meines Lebens war.“
Vielleicht würde sie das eines Tages sein, aber dieser Tag war nicht heute.
„Diskussion beendet, Ryan“, sagte sie entschlossen, als er erneut zum Sprechen ansetzte.
„Wie sieht es eigentlich mit unseren Recherchen aus? Wie gesagt, ich will nicht länger als erforderlich an dieser Schule verweilen. Haben meine Männer ein weiteres Kartellmitglied ausfindig machen können? Es sind noch so viele …“ Für einen Moment glitt ihr Blick ins Leere. „Und sie werden alle bezahlen.“
Kurz flammte eine alte Erinnerung vor ihrem inneren Auge auf, doch sie verdrängte sie erfolgreich.
Wie so oft.
Ryan räusperte sich. „Sie haben zwei gefunden. Ricardo und Lamero wurden in einem Nachtclub im Zentrum gesehen.“
Durchaus eine erfreuliche Nachricht.
„Ricardo und Lamero? Von den beiden habe ich schon lange nichts mehr gehört. Oh, wir werden viel Spaß zusammen haben. Gerade nach allem, was sie mir angetan haben.“
Mit geschlossenen Augen rief sie die Erinnerung an die beiden Spione ihres Vaters auf.
Und dann ließ sie sie zu, erlaubte dem Film in ihrem Kopf, ihr erneut die Verbrechen der beiden vorzuspielen, denen Olivias Schmerz wie eine dunkle, alles überschattende Wolke anhing:
Ein enger Raum, ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl – mehr hatte er nie gebraucht. Niemand damals. Erst später wollten sie mehr, so unsagbar viel mehr.
Er hatte den Schlüssel im verrosteten Schloss umgedreht, die Holztür und somit den einzigen Fluchtweg für sie verschlossen. Zusammengekauert hatte sie in der Ecke gekniet wie eine Maus im Käfig. Mit einem bösen Grinsen hatte er sich zu ihr umgedreht. In seinen Augen war Freude aufgeblitzt. Die Art von Freude, die mit dem Leid eines anderen verbunden war – ihrem Leid. Unverhohlen hatte er sie von oben bis unten gemustert und sein Lächeln war unterdessen immer breiter geworden.
Groß und stark war er gewesen, aber auch böse und vor allem gut – gut in dem, was er getan hatte. Einer der besten Spione ihres verräterischen Vaters. Lamero hatte ihm relevante Informationen über Schwachstellen seiner Feinde verraten, mit deren Hilfe ihr Vater seine Gegner erfolgreich ausgeschaltet hatte. Und dies war seine Bezahlung gewesen: Olivia. Man hatte sie in freizügige Kleidung gesteckt und in sein Zimmer geworfen. Wortwörtlich. Voller Furcht hatte sie sich in die hinterste Ecke gekauert und Tränen hatten begonnen, über ihre Wangen zu laufen wie Wassertropfen über Glas.
Nach einer Stunde war er schließlich aufgetaucht und wie ein Jagdtier, das seine Beute angreifen und verschlingen wollte, immer und immer nähergekommen. Zaghaft hatte sie ihren Kopf gehoben und in seinem Blick nach irgendeinem Zeichen gesucht, das ihr verriet, dass er ihr nichts tun würde.
Doch sie hatte nichts gefunden.
Nichts außer Bosheit.
Angst hatte sich über sie gelegt. Kalt und grausam.
Und dann hatte er sich so schnell auf sie gestürzt, dass sie nicht darauf hätte reagieren können. Ein Schrei war ihr am Ende der Erinnerung noch entwichen, bevor sie die Augen wieder aufschlug.
Trauer und Wut rangen in ihr um die Vorherrschaft, doch die Wut gewann. Olivia hatte sich einst geschworen, dass sie, anstatt unnütze Tränen über ihre sowieso nicht zu ändernde Vergangenheit zu vergießen, ihren Zorn nützen würde, um sich formvollendet zu rächen. Wieso sollte sie weiterhin leiden, wenn ihre Peiniger das doch auch endlich übernehmen konnten?
Lamero hatte einer ihrer ersten, einer der quälendsten Erinnerungen kreiert. Er hatte ihr besonders mental wehgetan, Ricardo jedoch hatte sie vor allem körperliches Leid zu verdanken. Inklusive einer Narbe, die sie nie vergessen ließ, wer sie war, woher sie kam und welche Schmerzen sie durchstehen musste. Gleichzeitig erinnerte diese sie aber auch daran, wieso sie hierhergekommen und was genau ihr Ziel war.
Heute würde sie etwas von dem Schmerz, den sie durchs Kartell erfahren hatte, zurückgeben. Sie würde ihnen zeigen, wie gefährlich es sein konnte, ein gewaltiges Feuer zu erschaffen und damit zu spielen. „Dann werde ich diesem Club heute mal richtig einheizen.“