Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 5
Prolog:
ОглавлениеSie blickte aus dem Fenster, schloss die Augen und lauschte dem Regen, der sanft an die Scheibe klopfte und von einem friedlichen Ende erzählte.
Einem Ende, das für sie außer Reichweite lag.
Das warme Licht der Straßenlaterne fiel auf ihr Gesicht und brachte ihre betörend schönen Züge zur Geltung. In ihnen lag die Ruhe einer erfahrenen Kämpferin, die vor einem weiteren Krieg stand.
Einem Krieg, den sie genau jetzt und genau hier beginnen wollte.
Sie hob die Lider wieder und drehte sich zu ihm um.
Bereits in Sekundenschnelle begann die Wut erneut durch ihren Körper zu jagen und unter ihrer Haut zu brennen. Allein sein Gesicht zu sehen, reichte aus, um diese Gefühle in ihr zu entfachen. Dabei war er nur ein unbedeutendes Rädchen im Getriebe ihrer eigentlichen Feinde – und die hatten ihr so viel Leid zugefügt, wie kein Mensch je ertragen sollte.
Die Erinnerung an grauenvolle Tage, die kein Ende nahmen, an ihre verzweifelten Hilferufe, die niemand gehört hatte, ihre vergossenen Tränen, die niemand gesehen hatte, und den Schmerz, den nur sie gefühlt hatte, erfüllten sie erneut mit Hass. Wie schwarze Tinte tränkte er jede ihrer Zellen. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich und gefährliche Entschlossenheit legte sich in ihren Blick. Sie war zu allem fähig, wie sie so aufrecht vor ihm stand.
Zwar hatte sie geglaubt, sie könnte sich kaum noch erinnern, dabei brauchte es nur einen Einzigen von ihnen, um den Durst nach Rache in ihr von Neuem zu erwecken.
Und er war stark.
Wie ein Löwe, der seit Ewigkeiten hungerte, dessen unstillbares Verlangen nach etwas, das er zwischen seinen spitzen Zähnen zerreißen und damit seinen quälend leeren Platz im Magen füllen konnte, wuchs und wuchs, bis es ihn fast das Leben gekostet hatte. Und der seine Beute und das Ende des langen Wartens nun endlich vor sich sah.
Er würde seine gerechte Strafe erhalten. Dieses Wissen glättete die Wellen in ihrem Inneren und sie konnte sich ganz auf ihre Worte konzentrieren, die durch den Raum schwebten und ihren Gefangenen frösteln ließen.
„Rache“, so begann sie mit ihrem wichtigsten Wort zu sprechen, „meinen die meisten Menschen, ist ein Gefühl, das wir nur in den ersten Momenten empfinden und das mit der Zeit vergeht. Wer von Rache geleitet Taten begeht, denkt nicht nach, behaupten sie, er macht Fehler, die er bereut, denn Rache macht ihn schwach.“
Ihre Stimme war kalt und doch melodisch und neben dem Regen das Einzige, das die bleierne Stille durchbrach, die sich wie eine dicke Decke über die Szenerie gelegt hatte. Während sie sprach, nahm sie kein einziges Mal den wachsamen Blick von ihm.
Diesmal war sie an der Reihe. Nur sie allein durfte einen Zug machen und besaß die Möglichkeit, dem Spiel eine ganz neue Richtung zu geben.
Und sie konnte fühlen, wie sich der Wind zu ihren Gunsten drehte.
„Doch Rache kann uns nicht nur zu Fehlern verleiten. Sie macht uns nicht schwach, sondern stark, solange wir ihr uns nicht blindlings hingeben. Sie lässt uns an unsere Grenzen gehen und weit darüber hinaus.“
An ihn gewandt fuhr sie fort: „Und genau deswegen sitzt du hier.“
Mit ihren nachtblauen Augen fokussierte sie ihn. Ein einziger verachtender Blick sagte, was Worte nie könnten.
„Du weißt, was du mir angetan hast, nicht wahr?“
Ihr Gesicht näherte sich ihm und als es in geringem Abstand zu seinem stehenblieb und der Hass in ihren Augen aufblitzte, erkannte er sie. Seine Pupillen weiteten sich vor Schreck, während das Band in seinem Mund ein erschrockenes Aufschreien verhinderte. Die Fesseln, an denen er nun panisch zerrte, durchkreuzten indes seinen Versuch, vom Stuhl aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen.
So hatte sie ihn noch nie gesehen, so ängstlich und verletzlich, und etwas in ihr freute sich darüber, dass ihm bereits schwante, wie gefährlich sie war. Einen sonst so kaltblütigen und furchtlosen Mann hatte sie zum Erzittern gebracht – und er würde nicht der letzte sein, den sie Angst und Panik lehrte. Allesamt würden sie ihr zuhören müssen und ihre Fehler erkennen.
„Man sagt zwar, dass die Zeit alle Wunden heilt, doch sie kann einen niemals ganz vergessen lassen, was passiert ist. Und so sehe ich alles, was ihr getan habt, jedes Mal vor mir, wenn ich die Augen schließe. Auf grauenvollste Weise in mein Gedächtnis gebrannt erinnert es mich in jedem Moment, bei jedem Atemzug, an eure Taten.“ Wut schwang in ihrer Stimme mit. „Ihr werdet bezahlen für das, was ihr getan habt.“
Wieder zu ihrer vollen Größe aufgerichtet blickte sie auf ihn herab.
„Betrachte mich nicht als eine Verrückte, die auf ihrem Rachefeldzug Leben auslöscht.“
Sie machte eine kurze Pause, in der das spielerische Lächeln in ihrem Gesicht einem ernsteren Ausdruck wich.
„Sieh mich mehr als eine gefährlich gebrochene Seele, die auf verdiente Art und Weise mit euch abrechnet.“
Mehr sagte sie nicht und mehr war auch nicht nötig. Er wusste es und sie auch.
Stille breitete sich aus und umhüllte den Raum.
Es würde nur noch Sekunden dauern, bis der Löwe seine erste Mahlzeit erhielt.
Hinter ihrem Rücken holte sie eine schwarze Glock 17 hervor. Die Waffe, welche im Licht glänzte, fühlte sich in ihrer Hand leicht und kalt an. Mit den Jahren hatte sie ein Faible für genau dieses Modell entwickelt, weil es etwas Elegantes, etwas Zeitloses, an sich hatte.
Die Wellen in ihrem Inneren schlugen wieder höher, während die Erinnerungen ihr in ihrem Kopf erneut seine Taten zeigten und sie mit brennendem Schmerz anfüllten.
Sie legte die Pistole an seinen Kopf, spürte sein Zusammenzucken und sah die Angst in seinen Augen schimmern wie Leuchttürme im Nebel der Küste. Unwillkürlich musste sie grinsen, weil sie genau diesen angsterfüllten und reuevollen Blick in den Augen von ihnen allen ausmachen wollte, wenn sie merkten, welche unverzeihlichen Fehler sie begangen hatten.
Sie griff die Schusswaffe fester, legte einen Finger an den Abzug, presste die Öffnung der Pistole an seine Stirn, genoss die alles erfüllende Ruhe.
Und drückte ab.
Alles, was man hörte, war ein leises Krachen.
Alles, was man sah, ein Mädchen, welches die Blutflecken auf dem Teppich zufrieden zur Kenntnis nahm. Erleichterung und Genugtuung breiteten sich um ihr verletztes Herz aus und erfüllten sie mit Freude.
Mit der Mordwaffe in der Hand verließ sie den Raum, im Wissen, dass dies nicht ihr letztes Opfer sein würde. Jeden von ihnen würde sie zur Rechenschaft ziehen. Einen auf grausamere Weise als den vorigen. Ein schadenfrohes Lachen stieg in ihr empor und fand seinen Weg nach draußen.
Als sich die Türen hinter ihr wieder schlossen, hallte der Laut in dem großen Zimmer noch nach, erfüllte die Stille und umhüllte den Leichnam, während der Regen sich draußen in einen heftigen Sturm verwandelte.
Unaufhaltsam würde er alles, was sich ihm in den Weg stellte, vernichten.